Verfahren gegen Thüringens AfD-Chef Worum es beim Prozess gegen Höcke geht
Im Prozess gegen Thüringens AfD-Chef Höcke geht es um den Vorwurf, eine verbotene SA-Losung verwendet zu haben. Er selbst beteuert, nicht gewusst zu haben, dass dies verboten ist. Worum es geht und was von dem Verfahren zu erwarten ist.
Vor dem Landgericht in Halle hat der erste Verhandlungstag im Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke begonnen. Dem Thüringer Parteichef wird vorgeworfen, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet zu haben.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September will der frühere Geschichtslehrer als AfD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Seine Partei wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Was wird Höcke konkret vorgeworfen?
In einer Rede in Merseburg in Sachsen-Anhalt soll Björn Höcke im Mai 2021 die verbotene Parole "Alles für Deutschland!" der Sturmabteilung (SA) verwendet haben, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Dabei soll er gewusst haben, dass es sich beim letzten Teil der Slogans "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" um einen verbotenen Ausspruch handelt.
Konkret muss er sich nun nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten.
Höcke wird auch vorgeworfen, die Losung im Dezember 2023 bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera verwendet zu haben. Dabei soll er den ersten Teil "Alles für" selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, "Deutschland" zu rufen. Die Anklagepunkte in diesem Fall hat das Gericht aber kurz vor Beginn des heutigen Prozesses wieder von dem Fall in Merseburg abgetrennt. Das sagte Gerichtssprecherin Adina Kessler-Jensch. Grund dafür sei, dass die Verteidiger von Höcke kurzfristig gewechselt haben.
Was sagt Höcke zu den Vorwürfen?
Höcke erklärt, er habe nicht gewusst, dass "Alles für Deutschland" eine SA-Parole sei. Vielmehr sprach der AfD-Politiker zuletzt von einem "Allerweltsspruch". In einem Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt verteidigte er seine Wortwahl und erklärte, letztlich habe er den Slogan "America First" von Ex-US-Präsident Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen.
Ist Höckes Argumentation glaubhaft?
Nach Einschätzung von Bastian Wierzioch vom MDR-Investigativ-Team gibt es Indizien dafür, dass Höcke vorsätzlich gehandelt haben könnte. Zum einen handelt es sich um eine Doppelanklage - Höcke werden also gleich zwei Sachverhalte der gleichen Art vorgeworfen. Außerdem ist Höcke ehemaliger Geschichtslehrer eines Gymnasiums in Hessen, was nahelegt, dass er sich mit deutscher Geschichte etwas genauer auskennen könnte.
Auf der Plattform X hat sich Höcke zudem jüngst zu den Regelungen im Strafgesetzbuch geäußert, die das Verwenden von NS-Parolen verbieten. Sie zielten darauf ab, "Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu finden", so Höcke. Diese Kritik könnte ein weiteres Indiz sein. Denn wer sich so verteidigt, müsste eigentlich gewusst haben, dass es sich um eine SA-Losung gehandelt hat. Diese Äußerungen Höckes bei X könnten deshalb auch vor Gericht relevant werden.
Wie geht Höcke mit dem Prozess um?
Höcke versucht den Eindruck zu erwecken, dass er zu Unrecht verfolgt werde. Im Internet beklagt er eine angebliche politische Verfolgung und angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Bei X hat der AfD-Politiker jeden eingeladen, nach Halle zu kommen, um sich ein Bild von der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu machen. Höcke will den Prozess also offenbar als Bühne nutzen.
Was passiert zu Beginn des Prozesses?
Es ist davon auszugehen, dass am ersten Verhandlungstag die Anklageschrift verlesen wird. Dann hat Höcke die Möglichkeit, sich selbst oder über seinen Verteidiger zu den Vorwürfen zu äußern. Höckes Anwalt aus Erfurt sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass spontan entschieden werde, ob er oder sein Mandant sich zu den Vorwürfen äußern wollten.
Welche Folgen hätte eine Verurteilung?
Bestraft werden solche Taten mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe. Der Prominentenstatus ändert nichts an dem normalen Strafprozess. Im Prozess gegen Höcke sind zunächst vier Verhandlungstage angesetzt.
Allerdings könnte eine Verurteilung möglicherweise tatsächlich Einfluss auf den laufenden Landtagswahlkampf in Thüringen haben - dort tritt Höcke als Spitzenkandidat der AfD an. Sollte er in Halle zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt werden, könnte ihm das Gericht auch zusätzlich eine Zeit lang das aktive und passive Wahlrecht absprechen. Grundlage hierfür sei Paragraf 92a in Verbindung mit Paragraf 45 im Strafgesetzbuch, teilte eine Sprecherin des Landgerichts Halle mit. Das würde bedeuten: Höcke könnte nicht zur Wahl im September antreten.
Ob Höcke aber tatsächlich verurteilt wird und wie hoch das Strafmaß wäre, ist völlig offen.
Mitarbeit von Bastian Wierzioch, Lars Wohlfarth und Felix Fahnert, MDR