Überschwemmungen im Süden Hochwasser der Donau steigt schneller als erwartet
Die Hochwasserlage bleibt vor allem rund um die Donau weiter kritisch. In Passau steigt der Pegelstand schneller als erwartet. Warum gab es zuletzt so viel Regen? Ist Deutschland gut genug auf Hochwasser vorbereitet?
Wie ist die aktuelle Lage in Bayern?
Die Hochwasserlage bleibt in Teilen Bayerns weiter kritisch. Vor allem die Donau führt viel Wasser. In Passau wurden die erwarteten Höchststände angepasst. Statt mit 9,70 Metern rechnet der Hochwassernachrichtendienst Bayern nun mit einem Pegelstand von 9,90 Metern. Um 8.30 Uhr stand das Wasser bei 9,67 Metern.
Aktuell steht in Passau das Wasser bereits in Teilen der Stadt, die Altstadt ist seit gestern für den Verkehr abgeriegelt. Einwohner haben ihre Häuser mit Sandsäcken geschützt, Retter sind mit Booten unterwegs. Oberbürgermeister Jürgen Dupper warnte vor den Gefahren.
In Regensburg, wo der Katastrophenfall ausgelöst worden war, mussten am späten Montagabend 200 Menschen ihre Häuser verlassen. Die Oberbürgermeisterin, Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), warnt vor Katastrophentourismus. "Bitte nicht gehen und schauen, wie es steht. Vor allem nicht auf die Stege gehen, sondern einfach mal sich zurückhalten, weil da müssen die unterwegs sein können, die wirklich helfen und was zu tun haben", sagte sie dem br.
Im Landkreis Rosenheim, wo ebenfalls der Katastrophenfall ausgerufen worden war, stehen heute die Aufräumarbeiten im Mittelpunkt. "In vielen Kellern hat sich das eindringende Wasser mit Öl gemischt", teilte das Landratsamt mit. Allein in der Gemeinde Raubling rechneten die Einsatzkräfte mit 300 bis 400 betroffenen Häusern. Da sich die Hochwasserlage langsam entspanne und das Wasser zurückgehe, sei die Bevölkerung nicht mehr gebeten, dringend zu Hause zu bleiben. Am Montagabend hatte der Landkreis Rosenheim Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben.
In sieben bayerischen Landkreisen fällt heute wegen der Hochwasserlage der Präsenzunterricht an zahlreichen Schulen aus.
Teile der Burg Falkenstein im oberbayerischen Flintsbach sind angesichts des Dauerregens abgerutscht. Unterhalb der Burg seien 50 Anwohner in Sicherheit gebracht worden, teilte der Landkreis Rosenheim mit.
Wie ist die Lage in Baden-Württemberg?
Baden-Württemberg hat nach Einschätzung von Landesinnenminister Thomas Strobl die teils dramatische Lage nach den Überflutungen im Griff. "Wir sind im Bevölkerungsschutz in Baden-Württemberg gut aufgestellt", sagte der CDU-Politiker in Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen). Dort hatten Wassermassen Straßen überflutet.
Die Wasserstände an den meisten Gewässern im Südwesten fallen inzwischen. Nur an den großen Flüssen wie Donau und Rhein gebe es teilweise noch steigende Pegelstände, teilte die Hochwasservorhersagezentrale am Montagabend mit. Es seien aber keine kritischen Werte mehr zu erwarten, die überschritten würden, sagte eine Sprecherin.
An der Donau ab dem Pegel Hundersingen im Kreis Sigmaringen flussabwärts, sowie an Bodensee, Hoch- und Oberrhein steige das Wasser derzeit noch an. Am Pegel Maxau bei Karlsruhe werde der Scheitelwert, der am Sonntag bei 8,29 Metern lag, aber voraussichtlich nicht nochmals überschritten. Am Neckar sei die Tendenz fallend.
Warum gab es so viel Regen?
Nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gab es zuletzt sehr starke Niederschläge. "Das ist schon besonders, aber nicht komplett außergewöhnlich", sagt der Klimaexperte Thomas Deutschländer vom DWD. An 20 bis 30 Stationen in Süddeutschland habe man so viel Regen gemessen, wie nur alle 50 oder alle 100 Jahre. Man könne deswegen vor allem rund um Augsburg von Jahrhundert-Niederschlägen sprechen. Die Daten seien aber noch vorläufig.
Kevin Sieck vom Climate Service Center Germany (Gerics) in Hamburg spricht von einer Vb-Wetterlage: "Wenn sie auftritt, dann wird es meist heftig." Es handelt sich dabei um ein Tief, das über dem Mittelmeer entsteht, und dann östlich um die Alpen herumgeführt wird. Es kann in der Folge in Ostdeutschland heftig regnen oder auch in Süddeutschland. "Diesmal hat der Nordwind des Tiefdruckgebiets seine Wolkenmassen gegen die Alpen gedrückt. Das hat die Niederschläge noch verstärkt", sagt der Gerics-Meteorologe.
Natürlich habe es auch in früheren Zeiten immer wieder extreme Hochwasserereignisse wie das Magdalenenhochwasser von 1342 gegeben, ordnet Ralf Merz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aus Halle (Saale) ein. "Was die Klimamodelle jedoch vorhersagen und was wir auch im Trend der letzten Jahrzehnte sehen, ist, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen zunehmen wird beziehungsweise bereits zugenommen hat", so Merz.
Inzwischen sind alle Unwetterwarnungen aufgehoben.
Wie viele Tote gab es?
Mindestens fünf Menschen kamen bisher in den Fluten ums Leben: In Bayern starben drei Menschen, in Baden-Württemberg wurden zwei Tote gefunden.
Die Suche nach einem im Hochwasser in Schwaben vermissten Feuerwehrmann geht nach Angaben der Polizei weiter - allerdings wird vorläufig nicht mehr in den Fluten selbst gesucht. Die Strömung sei derzeit so groß, dass eine Suche vom Wasser aus für die Einsatzkräfte zu riskant sei, sagte ein Polizeisprecher. Vom Land und aus der Luft werde die Suche fortgesetzt.
Die Einsatzkräfte befürchten, dass der 22-Jährige ertrunken ist. Er war in der Nacht zum Sonntag in Offingen nahe der Grenze zu Baden-Württemberg mit einem Boot der DLRG-Wasserrettung unterwegs gewesen. Das mit fünf Einsatzkräften besetzte Boot war bei starker Strömung gekentert.
Wie reagiert die Politik?
Viele Politiker haben den Betroffenen ihre Solidarität ausgesprochen. Kanzler Olaf Scholz reiste in das Hochwassergebiet und versprach: "Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann."
Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bayerns Ministerpräsident Söder war Scholz in Reichertshofen, das besonders vom Hochwasser betroffen ist. Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen, besonders auf Hochwasser, einstellen, betonte Scholz bei seinem Besuch.
"Das ist in diesem Jahr das vierte Mal, dass ich in ein konkretes Einsatzgebiet gehe", sagte er und nannte dies einen "Hinweis darauf, dass was los ist". Die "Aufgabe, den Menschengemachten Klimawandel aufzuhalten", dürfe nicht vernachlässigt werden. "Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss."
Wie gut ist Deutschland gegen Hochwasser geschützt?
Als Folge vergangener Hochwasser wurde das Nationale Hochwasserschutzprogramm aufgelegt. Bisher wurden aber nur relativ wenige Maßnahmen umgesetzt. Nur 15 Prozent der Projekte sind in der Bauphase. Laut Bundesumweltministerium befindet sich ein Großteil der Maßnahmen noch in Planung oder in der Konzeption. Hochwasserschutz sei eine Daueraufgabe, das Hochwasserschutzprogramm sei für langfristige Projekte aufgelegt worden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke forderte ein neues Hochwasserschutzgesetzt. Man sei bereits in intensiven Gesprächen mit den Bundesländern, sagte die Grünen-Politikerin.
Der Städtetag forderte höhere Ausgaben für Schutzmaßnahmen: "Hochwasser, wie derzeit in Bayern und Baden-Württemberg, kommen in immer schnellerem Takt. Deutschland muss sich besser darauf vorbereiten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Die Einsatzkräfte bräuchten dafür die bestmögliche Ausstattung und Infrastruktur. "Bund und Länder müssen deshalb die Mittel für den Hochwasser- und Katastrophenschutz wieder deutlich ausbauen - und zwar dauerhaft und nicht ad hoc über Sonderprogramme", forderte Dedy. Die Städte müssten sich stärker auf Extremwetterereignisse vorbereiten und ihre Infrastruktur an den Klimawandel anpassen. "Das kostet enorme Summen: Mehr Grünflächen, weniger Versiegelung und der Ausbau von Rückhaltebecken für Hochwasser oder Starkregen."
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, forderte, Deutschland müsse sich besser als bislang auf extreme Wetterereignisse vorbereiten. Bund und Länder müssten dazu die Kommunen finanziell stärken, um etwa Schutzdämme zu ertüchtigen, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Um die Helfer im Ernstfall optimal einsetzen zu können, sei zudem ein bundesweites digitales Lagebild und ein fortlaufend aktualisiertes, unmittelbar von den Katastrophenschutzbehörden einsehbares Register zu verfügbaren Ressourcen nötig.
Welche Verzögerungen gibt es auf Autobahnen und Zugstrecken?
Der Zugverkehr der Deutschen Bahn ist wegen der Unwetter weiterhin beeinträchtigt. Wegen Überflutungen sind einige Strecken komplett gesperrt.
Im Fernverkehr nicht befahrbar sind die Strecken zwischen Ulm und Augsburg, Donauwörth und Augsburg, Buchloe und Memmingen sowie die Strecke Ulm - Memmingen - Kempten. Störungen gibt es laut der Bahn weiter auch auf der Verbindung München - Berlin und weiteren Strecken. Bei den verkehrenden Zügen sei in den betroffenen Gebieten mit einer sehr hohen Auslastung zu rechnen. Trotz der Einschränkungen entspannte sich die Lage im Bahnverkehr damit aber.
Mehrere Zugverbindungen des Bahnbetreibers Agilis entfallen am Dienstag aufgrund des Hochwassers entlang der Donau. Das gilt unter anderem für die Strecken Ingolstadt - Donauwörth - Gundelfingen sowie Ingolstadt - Ulm, wie ein Sprecher mitteilte.
Auch die Lage auf den Straßen besserte sich angesichts der nachlassenden Regenfälle. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Nord mitteilte, ist die Autobahn A9 wieder uneingeschränkt befahrbar.