Der Neckar ist auf Höhe der historischen Altstadt von Heidelberg bei massivem Hochwasser über die Ufer getreten.
Kontext

Hochwasser und Klimawandel Mehr Wärme, mehr Wolken, mehr Regen

Stand: 03.06.2024 18:45 Uhr

Schon immer gab es extreme Hochwasserereignisse wie jetzt im Süden Deutschlands. Klimaskeptiker argumentieren deshalb, dass der Klimawandel nicht die Ursache sein kann. Doch das ist ein logischer Fehlschluss, sagen Experten.

Von Julia Kuttner, ARD-faktenfinder

"Jedes Hochwasser wird für die Klimalüge instrumentalisiert", "jämmerliche Lüge - es gab schon immer Hochwasser", "früher waren die Pegelstände an Saar, Rhein, Mosel, Neckar höher". So und ähnlich kommentieren derzeit Klimaskeptiker in den sozialen Netzwerken.

Die Thesen zusammengefasst: Seit Jahrhunderten gab es regelmäßig Hochwasser, immer wieder hatten Menschen mit Überschwemmungen zu kämpfen, die teils historisch höher waren als jetzt. Deshalb kommt der Klimawandel nicht als Ursache in Frage, so das Argument der Kritiker.

Wahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen nimmt zu

Doch das ist ein logischer Fehlschluss, wissen Experten. "Es dürfen nicht einzelne Ereignisse betrachtet werden, sondern deren zunehmende oder abnehmende Häufigkeit. Ähnlich wie eine sehr alte, ungesund lebende Person und eine früh verstorbene, gesund lebende Person kein Beweis dafür sind, dass ein ungesunder Lebensstil die Lebensdauer nicht verringert, muss auch hier die Statistik betrachtet werden", erläutert Professor Ralf Merz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aus Halle (Saale) gegenüber dem ARD-Faktenfinder.

Natürlich habe es auch in früheren Zeiten immer wieder extreme Hochwasserereignisse wie das Magdalenenhochwasser von 1342 gegeben. "Was die Klimamodelle jedoch vorhersagen und was wir auch im Trend der letzten Jahrzehnte sehen, ist, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit von Hochwasserereignissen zunehmen wird beziehungsweise bereits zugenommen hat", so Merz.

Wetterlage und Gewitter

Doch welche konkrete Ursache gibt es für die massiven Regenfälle in den vergangenen Tagen? "Wir hatten es mit einem 'Vb-Tief' ('Fünf-b') oder einer Vb-Wetterlage zu tun. Diese Tiefdruckgebiete ziehen üblicherweise von Norditalien, dem Golf von Genua östlich an den Alpen vorbei nach Deutschland, Tschechien und Polen. Dabei nehmen sie über dem nördlichen Mittelmeer viel Feuchtigkeit auf und sind berüchtigt dafür, dass sie bei uns große Regenmengen und Überschwemmungen bringen," erklärt der ARD-Metereologe Karsten Schwanke. Ein klassisches Beispiel sei die Elbeflut im Jahr 2002.

Ein hoher Wärme- und Feuchtigkeitsgehalt der Mittelmeerluft führe zu einer langsamen Zuggeschwindigkeit. Das wiederum sorge für längere Starkregenfälle über einer Region. "Eine Besonderheit waren diesmal die heftigen Gewitter am Sonntagabend in der Mitte und im Osten Baden-Württembergs", führt Schwanke aus. Diese Gewitter zogen als Nachschlag in der warmen Luft dem Tief hinterher und sorgten für die starken Überschwemmungen in Baden-Württemberg.

Und was hat der Klimawandel damit zu tun? "Hochwasserlagen und auch Vb-Tiefs hat es immer schon gegeben", stellt Schwanke zunächst klar. "Wir können auch nicht sagen, ob es solche Vb-Tiefs häufiger oder seltener gibt. Trotzdem gibt es einen ganz klaren Bezug zum Klimawandel, denn höhere Temperaturen führen dazu, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf speichern kann."

Mehr Wasserdampf führe zu mehr Wolken und diese sorgten für mehr Regen. Pro Grad Erwärmung könne die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern. Ganz konkret, so Schwanke:

Heute ist es in Deutschland 2,3 bis 2,5 Grad wärmer als in den 1950er-Jahren. Heute bringt also ein Tief bei der gleichen Wetterlage 15 bis 20 Prozent mehr Regen als ein vergleichbares Tief vor 70 Jahren.

Wasserdampf sei zudem der Energieträger in der Atmosphäre. "Das bedeutet, dass die Regenfälle intensiver werden, dass also mehr Regen in der gleichen Zeit fallen kann", erklärt Schwanke.

"Eine der gefährlichsten Wetterlagen", Andreas Wagner, HR, zu Hintergründen der extremen Regenmengen in Süddeutschland

tagesschau24, 02.06.2024 11:00 Uhr

"Wasser muss irgendwann wieder runterkommen"

"Die jetzigen Auswirkungen sind eindeutig auch vom Klimawandel beeinflusst", meint Klimaforscher Niklas Höhne vom New Climate Institute bei tagesschau24. "Wir sehen, dass die globale Temperatur extrem hoch ist - höher denn je gemessen. Deshalb sind auch die Ozeane wärmer denn je." Dadurch könne die Luft mehr Wasser aufnehmen und dieses Wasser müsse irgendwann wieder auch wieder herunterkommen.

"Insofern sind diese Extremereignisse mit Regen eindeutig Auswirkungen der Klimakrise und sozusagen Vorboten davon, was uns blüht, wenn wir nicht jetzt endlich umsteuern und Treibhausgasemissionen reduzieren", erklärt Höhne.

"Wir beschleunigen den Temperaturanstieg", Klimawissenschaftler Niklas Höhne zu Klimawandel und Extremwetter

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Die Überschwemmungen hätten ein Ausmaß erreicht, auf das "wir uns gar nicht vorbereiten können". Das einzige, was man machen könne, um dem wirklich sinnvoll vorzubeugen, sei, extrem schnell Treibhausgasemissionen zu reduzieren und darauf zu drängen, dass die globale Temperatur nicht noch weiter steige. Ereignisse wie das Hochwasser seien keine Wetterkapriolen: "Es ist menschengemachter Klimawandel und den können wir nur mit der Reduktion von Treibhausgasen eindämmen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. Juni 2024 um 11:00 Uhr.