Minister zu Klimaschutz Wissing will Autoverkehr nicht einschränken
Weniger Autos für mehr Klimaschutz? Verkehrsminister Wissing hält nichts von staatlichen Maßnahmen, um den Verkehr einzuschränken. Er will dagegen mehr E-Autos und CO2-neutrale Kraftstoffe, aber auch Investitionen ins Straßennetz.
In der Diskussion um den Klimaschutz lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) staatliche Maßnahmen ab, die auf eine Reduzierung des Straßenverkehrs abzielen. "Die Lösung kann nicht sein, dass wir den Straßenverkehr in Deutschland einschränken", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wir müssen klimaneutralen Verkehr auf der Straße ermöglichen, mit mehr E-Autos und CO2-neutralen Kraftstoffen, auch im Güterverkehr."
Denn Wissing betonte den Stellenwert des Autos: "Autofahren bedeutet Freiheit, Flexibilität und Privatsphäre, im ländlichen Raum und im Alter außerdem Teilhabe und Selbstbestimmung", sagte er der Zeitung. "Die Deutschen erwarten deshalb zu Recht, dass unsere Straßen in einem guten Zustand sind." Wissing fügte hinzu: "Auch wenn es nicht allen gefällt: Es wird auf deutschen Straßen mehr Verkehr geben und wir müssen damit umgehen. Sonst steht die Wirtschaft bald still und wir verlieren Arbeitsplätze."
Belastete Autobahnen ausbauen
Wissing bekräftigte sein Vorhaben, besonders belastete Autobahnen auszubauen und Lücken im Autobahnnetz zu schließen. Autobahnen müssten um zusätzliche Spuren verbreitert werden. Über die deutschen Autobahnen seien im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Tonnen Güter transportiert worden, "zehnmal so viel wie über die Schiene". Dieses Jahr würden es noch einmal 50 Millionen Tonnen mehr sein. "Das kann die Schiene nicht allein aufnehmen."
Deshalb warnte er davor, dass die Straßen in Deutschland bald ähnlich überlastet sein könnten wie heute bereits die Bahn. "Wenn wir auf der Straße nicht ähnliche Zustände wie gerade bei der Schiene erleben wollen, müssen wir auch hier jetzt dringend gegensteuern", sagte er der "Bild am Sonntag". "In Deutschland ist nicht nur die Zahl der Autos, sondern auch der Güterverkehr über die Jahre konstant gestiegen. Das wurde aber weder bei der Schiene noch bei der Straße entsprechend nachgehalten."
Straßenbau im überragenden öffentlichen Interesse
Mit seinen Aussagen legte Wissing im Streit mit Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nach, bei dem es um schnellere Planungsverfahren im Verkehrsbereich geht. Wissing möchte, dass der Neu- und Ausbau von Straßen künftig - wie erneuerbare Energien - in einem überragenden öffentlichen Interesse liegen. Damit soll ein Projekt bei Abwägungen in Behörden und vor Gericht leichter realisiert werden können. Das Umweltministerium ist dagegen. Befürchtet wird, dass dies dem Umweltschutz schadet. Neue Autobahnen dienten nicht der Erreichung der Klimaziele, das Gegenteil sei der Fall, hieß es. Mit dem Thema sollen sich am kommenden Donnerstag die Spitzen der Koalition beschäftigen.
Vor dem Hintergrund des koalitionsinternen Streits reagierte Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden ungehalten auf Wissings Aussagen. "Wenn Verkehrsminister Wissing von der Freiheit beim Autofahren spricht, frage ich mich, ob er das Ausmaß seiner Aufgabe beim Klimaschutz erfasst hat", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. "Er muss nun endlich ausreichende Maßnahmen vorlegen, um die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren und die Lücke zum Klimaziel in seinem Bereich zu schließen." Nötig sei unter anderem, "zahlreiche umweltschädliche Subventionen abzubauen und einen großen Teil des Güterverkehrs weg von der Straße auf Schiene und Schiff zu verlagern", sagte Verlinden.
Ablehnung eines allgemeinen Tempolimits
Wissing erneuerte auch seine Ablehnung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen. "Das Tempo gehört in die Eigenverantwortung der Bürger, solange andere nicht gefährdet werden", sagte er. "Der Staat sollte sich hier zurückhalten." Außerdem führten die hohen Energiepreise "schon jetzt dazu, dass viele Menschen langsamer fahren".