SPD und CDU offen für Reform Werben für eine neue Wehrpflicht
Kommt die Wehrpflicht zurück? Politiker von SPD und Union zeigen sich offen für eine Neuregelung. Verteidigungsminister Pistorius will bald Vorschläge präsentieren.
SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich offen für eine Diskussion über soziale oder militärische Dienste für junge Menschen gezeigt. "Jede junge Staatsbürgerin und jeder junge Staatsbürger sollte sich einmal mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie sich einen Dienst für das Land vorstellen können", sagte Klingbeil der Rheinischen Post. "Das kann bei der Bundeswehr sein oder eben im sozialen oder kulturellen Bereich. Dahin sollten wir zurückkommen."
Viele Menschen in Deutschland hätten keinerlei Berührungspunkte mit der Bundeswehr. "Ich bin dafür, dass die Schulen Soldaten aktiv einladen, um über die Möglichkeiten in der Bundeswehr zu sprechen", sagte Klingbeil. "Das hat ja nichts mit Kriegsverherrlichung zu tun, sondern mit einer Entscheidungsoption für die persönliche Zukunft und Informationen über die Sicherheitslage."
Eine Rückkehr zur "alten Wehrpflicht" lehnte Klingbeil jedoch ab.
Union signalisiert Gesprächsbereitschaft
Die Union ist offen für eine Reaktivierung. Der CDU-Bundesparteitag hatte sich unter anderem dafür ausgesprochen, die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht angesichts der Bedrohung aus Russland wieder in Kraft zu setzen. Bis zur Umsetzung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres solle eine Kontingent-Wehrpflicht eingeführt werden. Im neuen CDU-Grundsatzprogramm heißt es: "Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen."
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn, forderte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf, rasch belastbare Vorschläge zur schrittweisen Wiedereinführung der Wehrpflicht zu machen. Die Union sei auf Basis der CDU-Parteitagsbeschlüsse gesprächsbereit, sagte der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.
"Autoritäte Bedrohung aus dem Osten"
Die schrittweise Reaktivierung der Wehrpflicht sei das Gebot der Stunde, "um unsere Bundeswehr als Teil der Gesamtverteidigung Deutschlands aufwuchsfähig zu machen", so Hahn weiter. Es gehe nicht um Zwang oder die Beeinflussung der Jugendlichen. Vielmehr solle schnell eine glaubwürdige, demokratische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit gegen die autoritären Bedrohungen aus dem Osten aufbaut werden.
Nun müssten die erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen realisiert werden, forderte der CSU-Politiker. "Dies reicht von der Wiederkehr der Wehrerfassung über den Aufbau der infrastrukturellen Kapazitäten bis hin zur Anpassung der Ausbildungsorganisation der Bundeswehr." Seien diese Voraussetzungen geschaffen, erlaubten sie die lageangepasste und schnelle Reaktivierung der Wehrpflicht, um einerseits die Verteidigungsfähigkeit, aber auch den grundsätzlichen Wehrwillen zu erhöhen, sagte Hahn.
Pistorius begrüßt Gesprächsangebot der Union
Bundesverteidigungsminister Pistorius will noch in diesem Quartal einen Vorschlag zum Thema Wehrpflicht in die Debatte einbringen. Der Minister sagte am Rande seines USA-Besuchs auf die Frage, ob er bereits Kontakt zur Union aufgenommen habe, weil sich seine und deren Vorstellungen ähneln: "Ich freue mich, dass die Union auf einem ähnlichen Weg unterwegs ist, wie ich das bis jetzt erarbeitet habe."
Gespräche würden aber noch nicht geführt, er sei im Gespräch mit dem Kanzleramt und den Koalitionspartnern. Das Modell, das er zur Diskussion stellen werde, "ist ähnlich, aber weitere Details würde ich gerne erst öffentlich erklären, wenn ich mit meinen Koalitionären und den Partnern in den Fraktionen gesprochen habe", sagte Pistorius weiter. Das solle "in Kürze passieren".
Pistorius lässt wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Modelle einer Dienstpflicht prüfen, darunter das schwedische Wehrpflichtmodell. Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert, aber nur ein Teil leistet Grundwehrdienst. Dies gleicht dem CDU-Konzept.