Umgang mit dem Kind Stärkt Karlsruhe die Rechte leiblicher Väter?
Ein Kind kommt auf die Welt, kurz nach der Geburt trennen sich die Eltern. Rechtlicher Vater wird der neue Lebenspartner der Mutter. Kann der leibliche Vater das anfechten? Darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Der Streit, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht im vergangenen September während der mündlichen Verhandlung ausführlich befasste, war emotional durchaus aufgeladen: Als sein Sohn auf die Welt kam, habe er sich sofort intensiv um ihn gekümmert, schilderte der Kläger, der der leibliche Vater des Kindes ist. Doch dann habe ihn die Mutter, seine damalige Lebensgefährtin, verlassen und sich einem neuen Lebenspartner zugewandt. Seitdem sehe er seinen Sohn nur noch selten, derzeit alle 14 Tage, und dann für gerade mal drei Stunden.
Ändern werde sich das nur, wenn er auch als rechtlicher Vater anerkannt werde. Mehrfach habe er versucht, dass er beim Standesamt als solcher eingetragen werde. Doch die Kindesmutter sei zu zwei vereinbarten Terminen nicht erschienen. Rechtlicher Vater sei schließlich der neue Lebenspartner geworden, mit der dafür notwendigen Zustimmung der Mutter. Dass er selbst nur der leibliche Vater sei, reiche ihm nicht aus.
"Ich möchte für mein Kind sorgen"
Der leibliche Vater sagt: "Es ist mein Kind. Ich möchte für mein Kind sorgen. Das nicht zu dürfen, ist sehr hart. Als leiblicher Vater hat man ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht. Und das kann man nur erweitern, wenn man auch die rechtliche Vaterschaft innehat."
Nur als rechtlicher Vater hätte er beispielsweise die Chance, ein Sorgerecht für sein Kind ausüben zu dürfen. Deshalb versuchte er, die Vaterschaft des neuen Lebenspartners gerichtlich anzufechten - ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Naumburg entschied, dass ihm ein solches Anfechtungsrecht nicht zustehe.
Vor dem Oberlandesgericht gescheitert
Das Gericht verwies dabei auf die einschlägigen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): Nach Paragraf 1600 Absatz 2 und 3 BGB hat ein leiblicher Vater kein Anfechtungsrecht, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater bereits eine "sozial-familiäre Beziehung" entstanden ist - wenn es also eine engere Bindung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater gibt.
Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber neue Familienkonstellationen schützen, die nach einer Trennung entstanden sind. Solch eine enge Beziehung sei zwischen Kind und neuem Lebenspartner entstanden, stellte das Oberlandesgericht Naumburg fest.
Rechtsanwaltskammer unterstützt den Kläger
Dagegen legte der leibliche Vater Verfassungsbeschwerde ein. Er meint, dass er durch die gesetzliche Regelung in seinem Elterngrundrecht nach Artikel 6 Grundgesetz verletzt wird. Denn auch er habe eine Beziehung zu seinem Kind aufgebaut. Dieser Ansicht ist auch die Bundesrechtsanwaltskammer, deren Vertreter bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls zu Wort kam.
Rechtsanwalt Christian Kirchberg meint, der Kläger müsse auch die rechtliche Vaterschaft bekommen, weil er sich stets um sein Kind bemüht habe: "Meiner Meinung nach muss er deshalb obsiegen, weil er alles getan hat, um als rechtlicher Vater anerkannt zu werden."
Könnte es zwei rechtliche Väter geben?
Das Bundesverfassungsgericht wird nun klären, ob der Kläger in seinem Elterngrundrecht verletzt wurde oder nicht. Während der Verhandlung im September war keine eindeutige Tendenz erkennbar. Insoweit ist es offen, wie der zuständige Erste Senat entscheiden wird.
Diskutiert wurde während der Verhandlung auch die Frage, ob man solche Konflikte nicht vielleicht dadurch lösen könnte, indem der Gesetzgeber zwei rechtliche Väter zuließe. 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, dass die rechtliche Elternschaft auf zwei Elternteile beschränkt werden muss, weil nur dies dem Kindeswohl entspreche.
Regierung plant Änderungen am Kindschaftsrecht
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Ampelkoalition das Kindschaftsrecht noch in der laufenden Legislaturperiode ändern will. Im Januar dieses Jahres hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgelegt.
Der Entwurf zeigt, dass die Bundesregierung den Fall, der nun vom Bundesverfassungsgericht entschieden wird, aufmerksam studiert hat. Nach den Vorstellungen von Buschmann soll es dabei bleiben, dass ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern haben kann. Dafür sollen die Rechte von leiblichen Vätern gestärkt werden. So soll es für leibliche Väter künftig einfacher werden, die Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten, selbst wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
Die Familiengerichte sollen künftig in jedem Einzelfall prüfen, "ob das Interesse an der Anfechtung das Interesse an dem Fortbestand der bisherigen Zuordnung überwiegt". Vorrang soll in Zweifelsfällen allerdings weiterhin "das Interesse am Erhalt der gelebten Familie haben".
Aktenzeichen: 1 BvR 2017/21