Studie über deutsche Identitäten Gefühlt noch immer "ostdeutsch"
Eine Studie zeigt: Mehr als ein Fünftel der Ostdeutschen fühlt sich eher "ostdeutsch" als "deutsch". Bei Westdeutschen gibt nur jeder Neunte an, "westdeutsch" zu sein. Woran liegt das?
"Wer ist hier eigentlich ostdeutsch, und wenn ja, wie viele?", fragt eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Die Antwort, grob ausgedrückt: Fast doppelt so viele "Ossis" fühlen sich auch als solche - verglichen mit "Wessis", die sich explizit "westdeutsch" fühlen.
Laut den Studienmachern ist das eine relevante Größe. "Wenn das politische Ziel ist, der Benachteiligung von Ostdeutschen entgegenzuwirken und jede vierte Führungsrolle in Deutschland von einem Ostdeutschen besetzt werden sollte, braucht es eine valide Definition dieser Ostdeutschen", sagt Naika Foroutan, Direktorin des DeZIM.
"Geo-Ostdeutsche" und "Geo-Westdeutsche"
Die Forscher haben die deutsche Bevölkerung in mehrere Gruppen unterteilt. "Geo-ost-" oder "-westdeutsch" ist, wer auf dem jeweiligen Gebiet der ehemaligen DDR beziehungsweise BRD geboren wurde.
Hier zeigt sich zunächst, dass 8,6 Prozent der in den alten Bundesländern lebenden Bevölkerung in Ostdeutschland geboren wurde. In den neuen Bundesländern leben hingegen 17,8 Prozent gebürtige Westdeutsche. Das beantwortet laut Studie aber nur einen Teil der Frage, wer "hier eigentlich ostdeutsch ist".
In einem weiteren Schritt ermittelten die Forscher, wer einen "Osthintergrund" hat. Hierzu zählt, wer selbst in der DDR oder den neuen Bundesländern geboren wurde - und zusätzlich Menschen, bei denen dies auf mindestens ein Elternteil zutrifft.
Diese Menschen mit "Ost-Hintergrund" befragten die Studienmacher dann, ob sie sich eher als "deutsch" oder "ostdeutsch" bezeichnen würden. Alle Befragten ohne "Ost-Hintergrund" wurden analog befragt, ob sie sich als "deutsch" oder "westdeutsch" betrachten.
Ostdeutsche häufiger auch "Emo-Ostdeutsche"
Hier zeigten sich dann recht deutliche Unterschiede: 21,6 Prozent der Menschen mit "Ost-Hintergrund" identifizierten sich selbst als "ostdeutsch". In der Studie ist daher von "Emo-Ostdeutschen" die Rede, also Menschen, die sich emotional explizit als ostdeutsch verstehen. Unter den Menschen mit "West-Hintergrund" gaben hingegen nur 11,3 Prozent der Befragten an, "westdeutsch" zu sein.
Die Studienmacher sprechen von "neuen Sozio-Ostdeutschen", die eine eigene Identität hätten. Studienleiterin Sabrina Zajak sagt: "Wir zeigen, wie wichtig die Diskussion über die zugrundeliegenden Kriterien ist, wenn wir Ungleichheiten und Benachteiligungen richtig quantifizieren und damit evidenzbasierte Politik ermöglichen wollen."
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), nimmt die Studie zum Anlass, für gezielte Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit Ostdeutscher zu werben: "Es wurde dreißig Jahre darauf gewartet, dass sich das Problem der Unterrepräsentation von Ostdeutschen in gesellschaftlichen Entscheidungspositionen von alleine löst."