Polizisten suchen in Freudenberg in der Nähe des Fundorts des ermordeten Mädchens Luise nach weiteren Hinweisen.
FAQ

Strafmündigkeit Wenn Kinder Verbrechen begehen

Stand: 15.03.2023 15:57 Uhr

Ein 12- und ein 13-jähriges Mädchen stehen in Verdacht, in Rheinland-Pfalz ein anderes 12-jähriges Mädchen getötet zu haben. Können Kinder strafrechtlich belangt werden? Ein Überblick.

Von Michael Nordhardt und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Was bedeutet "Strafmündigkeit"?

Unter "Strafmündigkeit" versteht man den Zeitpunkt im Leben eines Menschen, ab dem er damit rechnen muss, wegen einer Straftat gerichtlich verfolgt zu werden. Die einschlägigen Gesetze - das Strafgesetzbuch (StGB) und das Jugendgerichtsgesetz (JGG) - verwenden den Begriff "Strafmündigkeit" nicht, sondern wählen andere Formulierungen: Das StGB spricht von der "Schuldunfähigkeit des Kindes", das JGG von "strafrechtlicher Verantwortlichkeit" von Jugendlichen.

Wie ist die Strafmündigkeit von Kindern geregelt?

Paragraf 19 StGB lautet: "Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist."

Das heißt: Bis zum 14. Geburtstag ist man also nach dem Gesetz Kind und kann nicht strafrechtlich belangt werden - auch nicht nach dem Jugendstrafrecht. Dieser Grundsatz gilt "ohne Wenn und Aber", selbst bei schwerwiegenden Vorwürfen und selbst, wenn ein Kind im Einzelfall bei der Tat die erforderliche Reife schon hat.

Warum ist das so?

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Kinder noch nicht einsehen können, wenn sie etwas Falsches tun, und dass sie ihr Verhalten nicht entsprechend steuern können. Diese Fähigkeiten, diese Reife traut er erst Jugendlichen zu. Deshalb können Kinder nicht bestraft werden, Jugendliche unter Umständen schon.

Kann der Staat bei Straftaten von Kindern nichts tun?

Doch. Der Staat kann Kinder zwar nicht mit dem Strafrecht belangen, die Familiengerichte können aber - auch gegenüber den Eltern - zu verschiedenen Mitteln greifen, um sehr junge Straftäter und Straftäterinnen zu beeinflussen. Dazu gehört zum Beispiel die Anordnung, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen.

Daneben kommen auch schwerwiegendere Maßnahmen in Betracht, zum Beispiel die Entziehung des Sorgerechts und die Unterbringung straffälliger Kinder in einem Heim oder einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese Instrumente dürfen aber keinesfalls "einfach so" zum Einsatz kommen: Sie müssen im Namen des Kindeswohls erforderlich sein und dürfen nur als "letztes Mittel" angeordnet werden.

Solche familienrechtlichen Maßnahmen sind dann keine "Strafe durch die Hintertür", um fehlende Sanktionen nach dem Strafrecht zu ersetzen. Sondern eigene Maßnahmen mit eigenen - strengen - Voraussetzungen.

Sollte man das Strafmündigkeitsalter herabsetzen?

Solche Bestrebungen gab es in der Vergangenheit immer mal wieder. Die Befürworter argumentieren, die körperliche Reife junger Leute setze heute eher ein als früher. Gleichzeitig sei die sittlich-charakterliche Reife verzögert. Darauf müsse es eine Reaktion geben.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat der Herabsenkung des Strafmündigkeitsalters hingegen eine Absage erteilt. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er, Kinder unter 14 Jahren würden zwar strafrechtlich nicht belangt, "aber unsere Rechtsordnung kennt andere Wege, um darauf zu reagieren, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht".

Nach welchen Grundsätzen werden Jugendliche bestraft?

Ab dem 14. und bis zum 18. Geburtstag gilt man nach dem Jugendgerichtsgesetz als Jugendlicher. In diesem Alter kann man sich strafbar machen. Voraussetzung ist, dass man "zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln." Ob das so ist, müssen die Gerichte in jedem Einzelfall feststellen.

Im Jugendstrafrecht geht es verstärkt darum, erzieherisch auf den jungen Menschen einzuwirken. Seine Bestrafung tritt in den Hintergrund.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 14. März 2023 um 20:00 Uhr.