Frank-Walter Steinmeier spricht beim Staatsakt zu 75 Jahre Grundgesetz.

Steinmeier bei Staatsakt in Berlin "Das Grundgesetz ist ein Auftrag"

Stand: 23.05.2024 15:49 Uhr

Bei einem Staatsakt hat Bundespräsident Steinmeier das Grundgesetz gewürdigt. In seiner Rede rief er die Bürger auf, die Verfassung zu schützen. Auch die frühere Kanzlerin Merkel äußerte sich am Rande der Veranstaltung.

Am 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alle Deutschen dazu aufgerufen, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. "Selbstbehauptung ist die Aufgabe unserer Zeit", sagte er beim Staatsakt in Berlin. Die Demokratie in Deutschland sei unter Druck geraten. Sie sei zwar geglückt, aber nicht auf ewig garantiert.

"Gerade jetzt erstarken auch bei uns Kräfte, die sie schwächen und aushöhlen wollen, die ihre Institutionen verachten und ihre Repräsentanten beschimpfen und verunglimpfen", warnte das Staatsoberhaupt und mahnte: "Wir alle tragen Verantwortung für eine politische Kultur, die demokratieverträglich ist."

"Grundgesetz erwartet Verantwortung"

Das bedeute, allem entschieden entgegenzutreten, was Gewalt vorbereite: Menschenverachtung, Hetze gegen Minderheiten, Hass. "All das hat in einer Demokratie nichts zu suchen!" Gewalt im politischen Meinungskampf gehöre mit aller Entschiedenheit geächtet.

Beim Schutz der Demokratie komme es auf die politischen Institutionen und auf die Bürgerinnen und Bürger zugleich an. "Das Grundgesetz garantiert Freiheit, und es erwartet Verantwortung", sagte Steinmeier. Es sei keine Bilanz, sondern ein Auftrag.

Staatsakt zum 75. Jubliläum des Grundgesetzes in Berlin

Stephan Stuchlik, ARD Berlin, tagesthemen, 23.05.2024 22:15 Uhr

"Wir müssen uns jetzt behaupten"

Nach Jahrzehnten von mehr Wohlstand, mehr Demokratie, mehr Europa, mehr Frieden sowie dem Glück der Deutschen Einheit würde Deutschland "einen epochalen Bruch" erleben. Mit Russlands Angriff auf die Ukraine sei der Krieg nach Europa zurückgekehrt.

"Aber ein Rückzug von der Wirklichkeit ist keine Lösung", sagte Steinmeier. Es kämen raue und härtere Jahre auf die Menschen in Deutschland zu. "Wir müssen uns jetzt behaupten - mit Realismus und Ehrgeiz."

Steinmeier forderte in diesem Zusammenhang, dass Deutschland mehr in seine Verteidigung und Bündnisse investieren müsse. Dafür brauche es finanzielle Mittel und eine starke Gesellschaft, die bereit sei, Bedrohungen der Freiheit entgegenzutreten, und Zusammenhalt beweise. Das Land sollte deshalb Debatten über Formen des Wehrdienstes nicht scheuen.

Merkel: "Müssen gemeinsam wehrhaft sein"

Am Rande des Staatsakts äußerte sich auch die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel zum Grundgesetz. Sie schaue "sehr glücklich" auf diesen Tag, sagte sie gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. "Ich hatte in meiner Kindheit nicht damit gerechnet, dass ich auch an diesem Grundgesetz mit beteiligt sein kann und es leben darf", sagte sie. "Und ich stimme dem zu, was heute auch der Bundespräsident gesagt hat: Wir müssen es schützen. Es ist keine Selbstverständlichkeit.

Merkel äußerte sich auch zu den jüngsten Vorfällen von Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker. Das Land lebe von der Kommunalpolitik, von den Menschen vor Ort, die sich engagierten, sagte sie. "Und wenn die Angst haben müssen um sich und ihre Familien und nicht so viel Schutz wie vielleicht ich oder andere genießen, dann ist das ein großes Problem. Und deshalb müssen wir gemeinsam wehrhaft sein."

Buschmann für mehr Wertschätzung

Vor dem Staatsakt hatte Justizminister Marco Buschmann erklärt, dass er sich zum Jubiläum mehr Wertschätzung für Verfassung und Demokratie in Deutschland wünsche.

"Es muss einem nicht alles gefallen, was in unserem Land geschieht. Kritik an der Politik gehört zur Demokratie. Aber unsere Verfassung als Rahmen der Politik hat für den freiheitlichsten und wohlhabendsten Staat gesorgt, den wir je hatten", sagte der FDP-Politiker der Rheinischen Post.

"Uns täte ein Schuss mehr Verfassungspatriotismus gut", ergänzte Buschmann. Den Deutschen fehle manchmal Gemeinschaftsgefühl. "Wir sollten ein stärkeres, positives Gefühl gegenüber dem demokratischen Staat und seinen Institutionen aufbauen."