Durch die Explosion einer mutmaßlichen Kugelbombe zerstörte Fensterscheiben im Berliner Stadtteil Schöneberg.

Debatte um "Kugelbomben" Immer mehr Sprengkraft - mit verheerenden Folgen

Stand: 02.01.2025 19:10 Uhr

Durch selbstgebaute Sprengkörper und "Kugelbomben" gab es in der Silvesternacht schwere Schäden. Mehrere Menschen starben oder wurden lebensbedrohlich verletzt. Politik und Polizei fordern Konsequenzen.

Berlin-Schöneberg, 01:30 Uhr in der Neujahrsnacht: Eine heftige Detonation bringt massenhaft Fenster zu Bruch, viele Häuserfassaden werden schwer beschädigt, fünf Menschen verletzt.

Nach der Explosion - offenbar ausgelöst durch eine sogenannte Kugelbombe - sind der Berliner Feuerwehr zufolge 36 Wohnungen vorerst unbewohnbar. Ein Sprecher der Feuerwehr vergleicht die Szene mit einem Schlachtfeld, Anwohner sprechen von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen".

"Kugelbomben" sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande eigentlich nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen. Sie unterliegen strengen gesetzlichen Bestimmungen und dürfen ausschließlich von Personen mit entsprechender Fachkunde und behördlicher Erlaubnis verwendet werden.

Polizei und Rettungskräfte beobachteten an Silvester jedoch den vermehrten Einsatz illegaler Feuerwerkskörper in deutschen Städten, vor allem in Berlin. Insgesamt gab es zum Jahreswechsel in Deutschland fünf Tote durch das Zünden von Böllern - offenbar alle durch selbstgebaute, illegale oder nicht frei verkäufliche Sprengkörper.

Erste Haftbefehle in Berlin

In Berlin wurde nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft unterdessen Haftbefehl gegen zwei junge Männer in Zusammenhang mit der Silvesternacht erlassen: Gegen einen 20-Jährigen wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt. Er soll Pyrotechnik auf Autos geworfen haben und später auch Polizisten und Einsatzfahrzeuge mit einer Feuerwerksbatterie beschossen und mit Pyrotechnik beworfen haben. Der Haftbefehl gegen ihn ist demnach in Vollzug gesetzt worden, er sei der Polizei bereits wegen Straftaten bekannt.

Einem 17-Jährigen wird gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz vorgeworfen. Auch er soll aus einer Gruppe heraus illegale Feuerwerkskörper in Richtung von Einsatzkräften der Polizei geworfen haben. Dabei sei ein Beamter leicht verletzt worden. Der Mann sei unter Auflagen wieder auf freiem Fuß.

Polizei fordert Grenzkontrollen

"Jungen Männern reicht es eben nicht mehr, dass es die Wunderkerze ist. Es ist auch nicht mehr der legale Böller," sagte Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Vielmehr würden nun selbstgebaute Sprengsätze und "Kugelbomben" gezündet und in Menschenmengen geschmissen, sagte er bei tagesschau24. Es müssten immer größere Explosionen sein, immer mehr Sprengkraft.

Unter anderem in Berlin, München, Köln, Leipzig und Hamburg habe es auch Angriffe auf Feuerwehr und Polizei gegeben, teils mit solchen Feuerwerkskörpern. Oft kämen diese Sprengkörper aus dem Ausland. Deshalb müsse man nun über Grenzkontrollen nachdenken, sagte der GdP-Vorsitzende, der auch SPD-Mitglied ist. "Fünf Tote - das darf nicht sein und das muss uns doch zu denken geben."

"Ein großer Diskussionspunkt für die nächsten Tage", Jochen Kopelke, Vors. Gewerkschaft der Polizei, mit Silvester-Bilanz

tagesschau24, 01.01.2025 11:00 Uhr

Berliner CDU: Illegale Einfuhr unterbinden

Auch der innenpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger, forderte schärfere Grenzkontrollen, um die Einfuhr von "Kugelbomben" zu verhindern. Weil diese in Deutschland nicht frei verkäuflich seien, würden sie aus Polen oder Tschechien eingeschmuggelt, sagte Dregger im RBB24 Inforadio. Mit diesen Staaten müsse man nun über Lösungen sprechen, um die illegale Einfuhr zu unterbinden.

Es handele sich nicht um Silvesterböller, mahnte Dregger. "Das ist hochgefährliches Material, und es schädigt häufig auch die Verwender dieser Kugelbomben." Dass dadurch auch Unbeteiligte verletzt werden, sei inakzeptabel.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sagte, bei den Grenzkontrollen seien die Bundesregierung und Bundespolizei gefragt. Außerdem forderte der CDU-Politiker von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Verschärfung des Waffenrechts, "um die Gewaltexzesse in der Silvesternacht einzuschränken". Ein Böllerverbot, das alle Jahre wieder diskutiert und unter anderem von den Berliner Grünen befürwortet wird, lehnte Wegner hingegen ab.

Schwere Verletzungen durch "Kugelbomben"

Wegen schwerer Verletzungen mit Silvesterfeuerwerk werden allein im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) 42 Menschen behandelt. Mehrere Patienten seien durch "Kugelbomben" schwer an Händen, Gesicht und Augen verletzt worden, berichtete UKB-Sprecherin Angela Kijewski. Andere Betroffene hätten infolge der Explosion dieser Sprengkörper schwere Hörschäden bis hin zu einem dauerhaften Hörverlust erlitten. 

"Die illegalen selbstgebastelten oder aus dem Ausland importierten sog. Kugelbomben sind ein Horror!", hieß es von der Klinik auf dem Portal X. "Das größte Problem ist die extreme Sprengkraft der Kugelbomben", erklärte Kijewski. "Dadurch bekommt das Auge nicht mehr die Zeit, das Lid zu schließen."

Tote in Brandenburg, Hamburg und Sachsen

In Berlin gab es - zusätzlich zu der mutmaßlichen "Kugelbombe" in Schöneberg - acht Verletzte bei der Explosion eines illegalen Böllers inmitten einer Menschenmenge im Stadtteil Tegel. Laut der Feuerwehr erlitten zwei Menschen lebensbedrohliche Verletzungen, darunter auch ein Kleinkind.

In Oschatz östlich von Leipzig starb laut der Polizei ein 45-Jähriger, als er eine Großfeuerwerksbombe zündete, die in Deutschland nur mit behördlicher Erlaubnis gekauft werden darf. Ein 50-jähriger Mann wurde nahe Chemnitz durch die Explosion einer "Kugelbombe" getötet. In Hamburg starb ein 20-Jähriger auf die gleiche Weise.

Im Norden Brandenburgs kam ein 21-Jähriger ums Leben. Der Mann habe in Kremmen offensichtlich eine "Kugelbombe" gezündet, aber keine Erlaubnis dafür gehabt, sagte ein Polizeisprecher. In Nordrhein-Westfalen hat die Polizei nach dem Tod eines 24-Jährigen bei der Explosion einer selbstgebauten Kugelbombe den mutmaßlichen Verkäufer des Böllers vorläufig festgenommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. Januar 2025 um 11:00 Uhr.