Gewalt im Sport Ansprechstelle "Safe Sport" soll Vertrauen schaffen
Viele Athletinnen und Athleten erleben Gewalt im Sport. Nun gibt es in Berlin eine unabhängige Ansprechstelle. Eine Expertin sieht großen Bedarf - und fordert aber auch mehr Prävention und Intervention.
Erniedrigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen, sexualisierte Gewalt vom unerwünschten Körperkontakt bis hin zum Missbrauchsdelikt - solche Vorkommnisse sind keine Einzelfälle in deutschen Sportvereinen. Das zeigte unlängst eine Studie des Universitätsklinikums Ulm und der Deutschen Sporthochschule Köln. In Berlin hat deshalb nun eine unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport eröffnet.
Gewalterfahrungen bis hin zu sexualisierter Gewalt seien für erschreckend viele Sportlerinnen und Sportler Realität, sagte Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser bei der Eröffnung der Ansprechstelle "Safe Sport". Die Ansprechstelle soll das nötige Vertrauen schaffen, damit Betroffene sich sicher und ohne Angst beraten lassen können.
Betroffene leiden oft ihr Leben lang
Betroffene Athletinnen und Athleten aus dem Profi- oder Breitensport können sich bei der Ansprechstelle "Safe Sport" telefonisch, online oder auch persönlich vor Ort Hilfe holen. Das Beratungsangebot umfasst psychosoziale Unterstützung, juristische Beratung und akute Krisenintervention.
Bettina Rulofs, Professorin an der Sporthochschule Köln, forscht zu sexualisierter Gewalt im Sport in Deutschland. Sie leitete eine Fallstudie, bei der 72 Berichte von Kindern und Jugendlichen ausgewertet wurden, die sexualisierte Gewalt im Sport erlebt hatten. Eine der Erkenntnisse: Betroffene leiden oft ihr Leben lang, auch weil sie keine Hilfe finden.
Absolute Vertraulichkeit in der Ansprechstelle
Rulofs hält die Ansprechstelle deswegen für einen wichtigen Baustein bei der Bekämpfung von Missbrauch und Gewalt beim Sport. Sie kritisiert allerdings, dass die Handlungsfähigkeiten der Ansprechstelle eingeschränkt sind: "'Safe Sport' liefert eine psychosoziale Unterstützung und rechtliche Beratung. Aber sie geht nicht darüber hinaus und hat keine Möglichkeit zu intervenieren." Ob die Betroffenen nach der Beratung rechtliche Schritt einleiten oder sich an eine zuständige Person innerhalb des Vereins oder des Verbandes wenden, ist ihnen selbst überlassen. Die Ansprechstelle garantiert absolute Vertraulichkeit.
Die Studie des Universitätsklinikums Ulm und der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, dass viele Verbände bereits eigene Präventionsmaßnahmen wie Führungszeugnisse von Trainerinnen und Trainern oder Schulungsmaßnahmen auf den Weg gebracht haben. Nur 40 bis 50 Prozent der Verbände haben aber Kontaktpersonen für Probleme im Bereich der Gewalt für jeden erkennbar gemacht.
So scheiterten Rulofs zufolge bisher viele Betroffene mit ihrer Suche nach Hilfe an den internen Vereinsstrukturen: "Wir haben oft gesehen, dass die Meldungen von Betroffenen in den Vereinen im Sande verlaufen, bagatellisiert oder sogar ignoriert werden." Dabei spielten nicht nur die Unbeholfenheit oder die fehlenden Schutzstrukturen der Vereine eine Rolle, sondern auch die Zielsetzung, den guten Ruf zu schützen.
Faeser: "Wir brauchen sie dringend"
Bundesinnenministerin Faeser betonte bei der Eröffnung der Beratungsstelle, dass die Unabhängigkeit ein wichtiger Punkt sei, damit sich betroffene Sportlerinnen und Sportler sicher fühlen. "Es ist furchtbar, dass wir die Ansprechstelle brauchen. Aber wir brauchen sie dringend", so Faeser. Zu viele Sportlerinnen und Sportler müssten erleben, dass ihre Grenzen nicht respektiert werden.
Die Ansprechstelle "Safe Sport" soll nur der erste Baustein für ein geplantes Zentrum sein, das so auch als Vorhaben im Koalitionsvertrag steht. Perspektivisch soll das Angebot auf Aufgaben im Bereich der Intervention, Prävention und Aufarbeitung der Fälle erweitert werden. Finanziert wird die Ansprechstelle jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern.