Scholz empfängt Staatschefs Deutschland umwirbt zentralasiatische Länder
Länder wie Kasachstan oder Usbekistan standen für Deutschland lange im Schatten der Großmächte Russland und China. Doch angesichts des Krieges gegen die Ukraine ändert sich das. Berlin schließt mit fünf Staaten eine Partnerschaft.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine will Deutschland die Partnerschaft mit den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens vertiefen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock kamen in Berlin erstmals zu einem Gipfeltreffen mit den Staatschefs von Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zusammen.
Die strategische Partnerschaft soll die Schwerpunkte Wirtschaft und Energie, Klima und Umwelt, regionale Zusammenarbeit und den direkten Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern haben. Dazu sollen regelmäßige Konsultationen etabliert werden.
Energiesicherheit und alternative Versorgungsrouten
In einer gemeinsamen Erklärung unterstrichen die Staatschefs "ihr Ziel, die Energiesicherheit zu stärken und alternative Energieversorgungsrouten zu schaffen". Damit soll die starke Abhängigkeit von Lieferungen etwa von Gas und Öl durch Russland umgangen werden. Nach einem Treffen vereinbarten Kanzler Scholz und die Präsidenten von Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan sowie der Vorsitzende des Volksrates von Turkmenistan die Transport- und Transitwege generell zu verbessern.
Die zentralasiatischen Regierungen begrüßten die die EU-Initiativen zu Wasser, Energie und Klimawandel und die EU-Strategie "Global Gateway". Diese sind als Alternative zur chinesischen Seidenstraßeninitiative geplant und sollen die Länder enger an Europa anbinden. Scholz versicherte den fünf Regierungen, dass Deutschland diese Initiativen mit staatlichen und EU-Beiträgen unterstützen wolle.
Rohstoffvorkommen für Deutschland interessant
Die fünf zentralasiatischen Staaten haben zusammen knapp 80 Millionen Einwohner und damit nur etwas weniger als Deutschland. Ihre Fläche ist aber elf Mal so groß wie Deutschland und entspricht ungefähr dem Gebiet der gesamten Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten. Lange Zeit stand die Region aus deutscher Sicht im Schatten der beiden Großmächte China und Russland, auf die sich das Interesse der deutschen Wirtschaft konzentrierte.
In den zentralasiatischen Staaten sind die Rohstoffvorkommen für Deutschland besonders interessant. So versorgt Kasachstan als wirtschaftsstärkstes Land der Region jetzt schon die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mit Öl und gleicht die Kappung der russischen Lieferungen aus. Kasachstan verfügt aber auch über Uran, Eisenerz, Zink, Kupfer oder Gold und gilt als potenzieller Partner für die Produktion von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Manche der bisher stark unter Russlands Einfluss stehenden Staaten stehen wegen schwerer Verstöße gegen Menschenrechte in der Kritik. Turkmenistan etwa gilt als eine - ähnlich wie Nordkorea - abgeschottete Diktatur. Die "Zusammenarbeit bei der Förderung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten" fand nun ebenso Eingang in die gemeinsame Erklärung wie die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und einer unabhängigen Justiz.
Kritik kommt aus Moskau
In der sechsseitigen gemeinsamen Erklärung kommt Russland nicht vor. Allerdings werden darin die "Souveränität und territoriale Unversehrtheit" aller Staaten und das "Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt" als Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen hervorgehoben - eine Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
In Moskau kommt die Zentralasien-Offensive des Kanzlers nicht gut an. Das russische Außenministerium kritisierte, dass die Sanktionen des Westens gegen Moskau bei dem Gespräch zwischen Scholz und Tokajew zur Sprache kamen. Russland setze darauf, dass es ohne "negative Einmischung" von außen seine effektive wirtschaftliche Zusammenarbeit und seine gutnachbarschaftlichen Beziehungen mit Kasachstan fortsetzen könne.
Scholz sprach von einem besonderen Treffen, das auf den 30-jährigen diplomatischen Beziehungen mit den fünf Ländern aufbaue. "Und wir haben vereinbart, dass wir uns wieder in diesem Format treffen werden", schrieb der Kanzler auf der Internetplattform X.
Am Rande des Gipfels wurde eine Absichtserklärung für ein Migrationsabkommen mit Kirgistan unterzeichnet, das die Anwerbung von Fachkräften und die Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht von Deutschland nach Kirgistan erleichtern soll. Mit Usbekistan gibt es eine solche Absichtserklärung schon.