rbb-Staatsvertrag Nicht staatsfern genug?
Mehr Kontrolle, mehr Transparenz, mehr Regionalität: Die Landesregierungen in Berlin und Potsdam haben den Entwurf für einen neuen rbb-Rundfunkstaatsvertrag vorgelegt. Einige Passagen sind möglicherweise verfassungswidrig.
Hat der rbb noch Glück gehabt? So kann man die Ausführungen der medienpolitischen Sprecherin der Grünen im Brandenburger Landtag, Petra Budke, verstehen. Bei einer Podiumsdiskussion des rbb am vergangenen Mittwoch sagte sie, es sei im Gespräch gewesen, den rbb aufzusplitten, den Berliner Teil dem NDR zuzuordnen und den Brandenburger Teil dem MDR. Im Gespräch sei auch ein eigenes Landesfunkhaus in Brandenburg gewesen. "All das haben wir als Brandenburg gar nicht in diese Diskussion gebracht", so Budke.
Grundsätzlich loben alle Seiten, was nun tatsächlich im neuen Staatsvertragsentwurf steht. Über einige Passagen wird aber heftig gestritten. Im Hauptausschuss des Brandenburger Landtages am 11. Oktober etwa. Dort bezeichnete rbb-Intendantin Ulrike Demmer den vorliegenden Entwurf in Teilen als einen "Eingriff in die dem rbb von der Verfassung garantierte Unabhängigkeit". Er mache so kleinteilige Vorschriften, dass man dem Anspruch von Staatsferne nicht mehr genügen könne. Kritik kommt auch von anderen Stellen, etwa aus dem rbb-Rundfunkrat, den Belegschaftsvertretungen im Sender.
Die Landesregierungen weisen die Kritik zurück. Die Länder Brandenburg und Berlin haben die Rechtsaufsicht über den Sender. Mit dem Verweis auf die Geschehnisse im rbb im vergangenen Jahr wollen sie ihre Kontrollfunktion stärker wahrnehmen. Der Staatsvertrag soll dabei helfen.
Doch es besteht der Verdacht im rbb, die Politik sei dabei über das Ziel hinausgeschossen. Steffen Grimberg, Landesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes in Berlin und Brandenburg, äußerte auf der Podiumsdiskussion Verständnis dafür, dass nach der Affäre um Vorwürfe von Vetternwirtschaft und Verschwendung "das Pendel auf der politischen Seite ausschlägt". Ob die Vorgaben aus dem Vertragsentwurf bereits die Staatsferne gefährden, wolle er nicht bewerten. Einiges sei aber "unpraktikabel und führte erfahrungsgemäß zu mehr Bürokratie".
"Neue Qualität von Eingriff" und höhere Kosten?
Für besondere Aufregung sorgt vor allem ein Punkt: Künftig soll der Rundfunkrat alle fünf Jahre je eine Person wählen, die das jeweilige Landesprogramm von Berlin beziehungsweise Brandenburg leitet. Die Personen sollen auch mitentscheiden, welche Journalistinnen und Journalisten für die Landesangebote arbeiten.
Bisher wird nach Vorschlag im Rundfunkrat üblicherweise über die Besetzung der Intendanz und der Direktorenposten entschieden. Das seien Managementposten, so rbb-Intendantin Ulrike Demmer auf der Podiumsdiskussion. "Mit diesen Programmbeauftragten würden nun zum ersten Mal Programmverantwortliche vom Rundfunkrat gewählt. Das heißt, Menschen, die jeden Tag darüber entscheiden: Senden wir das, senden wir etwas anderes?" Das sei eine neue Qualität von Eingriff. Zudem würden die inzwischen vorhandenen, länderübergreifenden und kosteneffizienten Arbeitsstrukturen im rbb durch die neuen Stellen wieder zunichte gemacht.
Die Novelle sieht außerdem vor, für mehr Präsenz in der Region ein neues Büro in Brandenburg an der Havel einzurichten. Zudem sollen die Regionalprogramme Abendschau und Brandenburg Aktuell täglich statt 30 Minuten mindestens eine Stunde lang sein.
All das lehnt der Sender mit Hinweis auf seine Programm- und Organisationshoheit ab. Zwar sei man sich über die Stärkung des Regionalen einig, man würde aber lieber Geld in den Journalismus investieren statt in kostenintensive Strukturen wie etwa Büromiete. Weil zudem Werbezeit im Radio künftig auf 90 Minuten limitiert werden soll, rechnet der rbb damit, dass sich aus den neuen Vorgaben für 2024 finanzielle Mehraufwendungen von etwa acht Millionen Euro ergeben, sollte der Vertrag so kommen.
Gefahr für den Journalismus?
Das Nachrichtenportal "Business Insider" des Axel Springer Verlags hatte im vergangenen Jahr die "rbb-Affäre" ins Rollen gebracht. Dass der Staatsvertragsentwurf mehr Transparenz und eine stärkere finanzielle Kontrolle vorsieht, begrüßt Chefredakteur Kayhan Özgenç.
Vom Rundfunkrat gewählte Landesleitungen hält er jedoch für eine Gefahr. Im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste sagte er, in diesem Fall missbrauche die Politik den Skandal, um in die Redaktion reinzufunken. "Und das macht mich auch wütend als Journalist", so Özgenç.
Özgenç befürchtet, das Beispiel des rbb könne in der ARD Schule machen, dass auch andere Landesregierungen ihren Einfluss auf ihren jeweiligen Regionalsender ausbauen wollen. Doch selbst, wenn kein Einfluss genommen werde, sei schon der Verdacht gefährlich, ergänzte "Spiegel"-Redakteur Anton Rainer gegenüber Kontraste: "Ich glaube, es ist auch nicht im Interesse der Politik, dass dieser Eindruck entsteht." Allein der Eindruck sei möglicherweise ein Problem.
Fall für das Bundesverfassungsgericht?
Der rbb hat angekündigt, notfalls zu klagen. Zudem hat der Sender ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Das bereits vorliegende Kurzgutachten des Verfassungsrechtlers Joachim Wieland kommt zu dem Ergebnis: Die Forderung nach eigenen Leitungsposten für die Regionalprogramme, die vom Rundfunkrat gewählt würden, widerspreche nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der in der Verfassung verankerten Rundfunkfreiheit, weil der Rundfunkrat auch zu einem erheblichen Teil mit Politikerinnen und Politikern besetzt ist. "Die sollen gerade keinen Einfluss auf das Rundfunkprogramm bekommen", so Wieland gegenüber Kontraste. Der Rundfunkrat solle das Programm kontrollieren, nicht in die Programmgestaltung eingreifen.
Berliner und Brandenburger Medienpolitiker weisen ähnlich lautende Kritik auf der Podiumsdiskussion scharf zurück. Sie finden, der Rundfunkrat sei genau das Gremium, in das so eine Wahl gehöre. Er bilde in seiner Zusammensetzung die Vielfalt der Gesellschaft ab. Es seien derzeit nur sieben von 30 Mitgliedern von den Parlamenten der Länder entsandt. Trete der neue Staatsvertrag in Kraft, seien es sogar nur sieben von 33.
"Von Kontrolle durch Regierung weit entfernt"
Petra Budke, die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Brandenburger Landtag, wurde bei der Podiumsdiskussion deutlich: "Wenn sie mit den Leuten im Land mal reden, dann ist das doch genau das, was eingefordert wird von den Menschen." Mehr Mitspracherecht beim rbb sei genau das Ziel. "Und es geht nicht um Kontrolle durch eine Regierung. Davon sind wir weit entfernt", so Budke. Auch der medienpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Christian Goiny, betonte, es gehe nicht um Zensur oder politische Bevormundung.
Die Regierungen von Berlin und Brandenburg planen, Anfang November den neuen Staatsvertrag zu beschließen. Er wird danach den Länderparlamenten übermittelt. Sie haben das letzte Wort über die Novelle.