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Rassismus-Erfahrungen von Fachkräften "Ich will nicht von einer Schwarzen gepflegt werden"

Stand: 23.03.2025 10:22 Uhr

Das Pflegesystem ist dringend auf sie angewiesen, doch wegen ihrer Religion, Herkunft oder Hautfarbe werden internationale Fachkräfte oft angefeindet. Eine Auszubildende erzählt von ihren Rassismus-Erfahrungen.

Von Laura Cloppenburg, SWR

Jede sechste Pflegefachkraft in Deutschland kommt mittlerweile aus dem Ausland, das zeigt der jüngste Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie kommen meist mit Qualifikation und hoher Motivation, mit dem Ziel, hier Fuß zu fassen.

So wie die 24-jährige Cyndi Kamga. Vor knapp zwei Jahren ist sie über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus Kamerun nach Deutschland eingewandert, um in Filderstadt eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu machen. Immer wieder erlebt sie im Arbeitsalltag Rassismus, berichtet sie.

Auszubildende erfährt subtile und auch direkte Ablehnung

Cyndi Kamga brennt für den Pflegeberuf. Wenn sie morgens das Dienstzimmer ihrer aktuellen Ausbildungsstation betritt, das Pflegezentrum in Filderstadt, kribbele es schon vor Aufregung, erzählt sie. Kein Tag sei wie der andere, sie bekomme viel zurück von ihren Pflegepatienten.

Die meisten sind dankbar, dass sie da ist. Aber nicht alle. Immer wieder führen ihre Herkunft und ihre Hautfarbe zu ablehnenden Reaktionen. Oft subtil, manchmal auch ganz direkt. Einmal verweigerte ein Patient sogar die Pflege, erzählt sie. "Als ich ins Zimmer gekommen bin, hat er gesagt: 'Ich will nicht von einer Schwarzen gepflegt werden'."

Rassismus auch von Kollegin erlebt

Erschüttert habe sie ihren damaligen Praxisleiter zu Rate gezogen. Der meinte, sie müsse das so akzeptieren. Muss sie das? Cyndi Kamga sagt, mit Ablehnung könne sie leben - mit fehlendem Respekt und Verhinderung ihrer Arbeit nicht.

Bei hochbetagten Bewohnern oder Demenzpatienten weiß sie fremdenfeindliche Reaktionen einzuordnen, meint sie. Da spielten oft eine andere geschichtliche Prägung oder die Erkrankung mit hinein.

Schwierig werde es, wenn Rassismus von Kollegen ausgehe. Auch das hat die Auszubildende schon erleben müssen. "Eine Kollegin hat gesagt, sie will auf Station nicht mit mir mitlaufen. Dass ich einfach weg von ihr gehen soll. Das war das Schlimmste", erzählt Kamga.

Das seien extreme Einzelfälle, betont Kamga. Unterschwellig spüre sie Rassismus oder Diskriminierung im Arbeitsalltag aber regelmäßig.

Rund 80 Prozent der Pflegekräfte ohne deutschen Pass

In der Pflegeeinrichtung in Filderstadt macht die Auszubildende überwiegend gute Erfahrungen. Der Träger der Einrichtung, die Keppler-Stiftung, bemühe sich um Toleranz, versichert Vorständin Pia Theresia Franke. Für Akzeptanz von Vielfalt laufen diverse Diversitätsprojekte. Denn klar sei: Ohne die Verstärkung der Belegschaft aus dem Ausland funktioniere das Pflegesystem nicht mehr.

Allein in der Einrichtung in Filderstadt haben 144 der 210 Pflegekräfte keinen deutschen Pass. Natürlich knirsche es da auch mal im Team. Unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen seien aber auch eine Chance, so Franke. "Wenn Pflegekräfte aus dem Ausland neben ihrer Arbeitszeit auch noch Deutsch lernen, dann spricht das wirklich für eine hohe Motivation. Das tut auch unseren Teams gut."

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"Ich schütze einfach mein Herz"

Cyndi Kamga weiß nach zwei Jahren in Deutschland besser damit umzugehen, wenn sie Diskriminierung erlebt. "Ich schütze einfach mein Herz und denke mir: einfach ignorieren", sagt sie. Auch, dass sie schon fast fließend Deutsch spricht, sei ein wichtiger Schlüssel, meint sie. Denn Ablehnung von Patienten habe oft auch mit der Sorge zu tun, dass sie nicht verstanden werden, wenn es um ihre Gesundheit geht.

Erfahrungsaustausch in der Pflegeschule

Halt und Unterstützung bekommt Cyndi Kamga in ihrer Pflegeschule. Rund 90 Prozent der Mitschüler kommen aus dem Ausland. Fast alle hatten schon mit Rassismus im Arbeitsalltag zu tun. Im Unterricht tauschen sie Erfahrungen aus, lernen Grenzen zu setzen und Konflikte zu lösen.

Schulleiterin Ewelina Bies führt die zum Teil auch auf die schwierigen Rahmenbedingungen in der Pflege zurück. "Stress, Personalmangel und Zeitdruck begünstigen das Problem. Ein Azubi aus dem Ausland wird dann als Last empfunden, weil er vielleicht nicht gleich alles versteht." Hier müsse politisch dringend mehr für die ausländischen Fachkräfte getan werden, meint Bies.

Immerhin: Auf die Bewerberzahlen wirke sich die Angst vor Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ihrer Beobachtung nach bislang nicht aus. Und auch Ausbildungsabbrüche gebe es selten. Allerdings schlagen Rassismuserfahrungen auf die Psyche der Auszubildenden, erschweren das Ankommen, das Lernen und die Integration, so Bies.

"Pflege ist meine Leidenschaft"

Mit Angeboten für mentale Gesundheit versucht die Schule gegenzusteuern. Cyndi Kamga gibt das Kraft. Sie will in Deutschland bleiben. "Wenn ich mir jetzt die Frage stelle, warum die Menschen rassistisch sind, werde ich nie eine Antwort bekommen. Was ich weiß, ist, dass Pflege meine Leidenschaft ist."

In knapp zwei Jahren ist sie mit der Ausbildung fertig. Dann möchte sie gerne noch Pflegemanagement studieren - um noch mehr bewegen und vielleicht auch verändern zu können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 17. März 2025 um 22:15 Uhr.