Luftaufnahme Stadion Ulm / Screenshot
Mittendrin

Streit um Rasenheizung in Ulm "Die sinnloseste Investition"

Stand: 15.02.2024 14:24 Uhr

Winterblues beim SSV Ulm: Nach dem Aufstieg in die 3. Liga fordert der DFB einen beheizten Rasen. Den gibt es nicht. Aktuell weichen Spieler und Fans in ein anderes Stadion aus. Trotz Klimabedenken baut die Stadt nun um.

Von Kristin Becker, SWR

Schwarz-weißer Fanschal und viel Geduld: Marc Herrmann ist einer der ersten, die da sind. Der 26-Jährige gehört zum Fanclub "Block F4". Auf einem Parkplatz in der Nähe des Ulmer Donaustadions hilft er anderen, einen Platz in einem der Fanbusse zu finden.

Eigentlich ist ein Heimspiel seines Vereins SSV Ulm 1846 Fußball angesetzt. Aber statt im eigenen Stadion anzufeuern, müssen die Fans ins 70 km entfernte Aalen reisen. Das ist mehr als eine Stunde Fahrt.

"Wenn man ins Stadion geht, hat man seine Routinen", sagt Herrmann. "Man trifft sich mit den Freunden vorher in einer Kneipe und geht dann zusammen rein. Jetzt trifft man sich halt an einem Parkplatz, fährt erst mal mit dem Bus in eine andere Stadt. Es ist halt nicht das Gleiche."

#mittendrin aus Ulm: Stadion ohne Rasenheizung

Kristin Becker, SWR, tagesthemen, 14.02.2024 22:15 Uhr

Viel Schnee bedeutet weniger Einnahmen

Vergangenes Jahr ist Ulm in die 3. Liga aufgestiegen. Im Winter schreibt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in dieser Spielklasse eine Rasenheizung vor oder ein komplett überdachtes Stadion. Beides gibt es in Ulm nicht.

Es gehe darum, "witterungsbedingte Spielausfälle so weit wie möglich zu minimieren", erklärt der DFB auf Nachfrage. Die 3. Liga sei eine "professionelle Spielklasse" und damit "in nicht unerheblichem Umfang von TV-Geldern abhängig, deren Wert sich unter anderem an verlässlichen Spielterminen bemisst." Das heißt: Wenn Spiele ausfallen oder verschoben werden müssen, ist das schlecht auch für die Finanzierung der Clubs.

Während man früher durchaus auf Schnee gespielt hat, stört das heutzutage den Spielbetrieb. Deshalb läuft der SSV Ulm bei seinen Winterheimspielen aktuell in Aalen auf. Weil der örtliche Verein vor einigen Jahren mal in der zweiten Bundesliga war, ist der Rasen dort beheizbar.

Auch wenn es an diesem Spieltag gar nicht nötig ist - 10 Grad, kein Eis in Sicht. Für die Ulmer Fans ist das Pendeln umständlich. "Es ist halt nervig, dass im Prinzip ein ganzer Tag aufgewendet wird für ein Fußballspiel und dass man früh aufstehen muss", sagt einer.

Trotzdem ist die Stimmung ganz gut, immerhin hat man in Aalen bislang nie verloren. Knapp 6.000 Fans sind mitgekommen, um ihr Team gegen Ligarivalen SV Waldhof Mannheim 07 anzufeuern. Wäre das Spiel in Ulm, wären es wohl doppelt so viele, rechnet Markus Thiele vor, der Geschäftsführer des Vereins. Pro "Heimspiel" in der Ferne gehe aktuell "ein mittlerer fünfstelliger Betrag an Zuschauereinnahmen verloren".

Wo bleibt der Klimaschutz?

Wenigstens muss Ulm keine Strafe zahlen, weil die Winterheimspiele in einem Ausweichstadion stattfinden. Das ist eine Ausnahmeregelung für Aufsteiger in die 3. Liga im ersten Jahr. Ab der nächsten Saison müsste Ulm auf die Hälfte seiner Fernseheinnahmen verzichten.

Deswegen soll nun doch eine Rasenheizung her. Weil das Donaustadion der Stadt gehört, ist die nun in der Pflicht. Und davon ist Martin Bendel gar nicht begeistert. Der Finanzbürgermeister von Ulm hat viel zu tun - zum Beispiel dafür zu sorgen, dass Geld bereitgestellt wird, um Kitas, Schulen und Dienstgebäude klimafreundlich und energieeffizient umzurüsten.

Nun aber muss er 1,4 Millionen Euro locker machen, um eine Rasenheizung fürs Stadion zu finanzieren, sei "die sinnloseste Investition" überhaupt, schimpft Bendel. Für ihn sind die DFB-Vorgaben angesichts der Klimakrise "aus der Zeit gefallen". Solange es wichtiger sei, "dass regelmäßig jeden Samstag TV-Gelder über die Theke gehen" und man nicht bereit sei darüber nachzudenken, wie ein Spielbetrieb in der Profi-Liga anders, um die Frosttage herum, organisiert werden könne, "hat der Klimaschutz offensichtlich noch eine zu geringe Bedeutung".

Zweifel auch im Fanbus

Die Vorgaben des DFB findet nicht nur der Bürgermeister fragwürdig, auch einige im Fanbus haben Zweifel: "Regeln sind natürlich dazu da, dass man sie beachtet", sagt Kathrin Hartmann, aber die Rasenheizungsregel mache nicht unbedingt Sinn.

Friedrich Fabris pflichtet bei: "Das gehört insgesamt lockerer gestaltet. Nicht jeder kleine Verein kann aufsteigen und sich eine Bodenheizung leisten."

Im Moment sei der SSV Ulm allerdings der einzige der zwanzig Drittligisten ohne Rasenheizung, betont der DFB. Für alle Klubs einer Liga müssten einheitliche Regeln gelten. Zudem sollten Rasenheizungen in der dritten Liga "möglichst klimafreundlich betrieben werden", bei Neuanlagen sei es sogar Pflicht, ausschließlich erneuerbare Energien zu nutzen.

Am liebsten einfach nur spielen

Um das Ulmer Donaustadion umzurüsten, müssen 30 Kilometer Rohre verlegt und der Rasen muss komplett umgegraben werden. Die Anlage, die die Stadt nun notgedrungen einbaut, wird aber wohl erstmal mit Öl laufen, was der DFB kritisiert.

Das wiederum ärgert Bürgermeister Bendel. Zwar wolle man das Stadion mittelfristig an die Fernwärme anschließen, aber das gehe nicht auf die Schnelle. Außerdem mache es "eine sinnlose Investition auch nicht besser, dass man ihr noch einen grünen Anstrich gibt".

Die beste Energie, findet er, sei die, die man gar nicht verbrauche. "Und deswegen wäre es gut, wenn man einfach auf diesem Rasen, so wie er ist, Fußball spielt."

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 14. Februar 2024 um 22:15 Uhr.