Fahndungserfolg nach 30 Jahren Ex-RAF-Terroristin Klette in Untersuchungshaft
Nach jahrzehntelanger Fahndung hat die Polizei Daniela Klette in Berlin festgenommen. Die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin sitzt nun wegen mehrerer Raubtaten in Untersuchungshaft. Inzwischen gibt es eine weitere Festnahme.
Mehr als 30 Jahre lang wurde sie gesucht, jetzt sitzt die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette wegen sechs Raubtaten zwischen 1999 und 2016 in Untersuchungshaft. Ein Hinweis aus der Bevölkerung im November 2023 habe zu ihrer Festnahme geführt, sagte Friedo de Vries, Präsident des Landeskriminalamts Niedersachsen.
Klette wurde von der Polizei aus Niedersachsen am Montagnachmittag in einer Wohnung im Berliner Stadtteil Kreuzberg festgenommen. Die Wohnung im siebengeschossigen Mietshaus nahe der früheren Grenze zwischen West- und Ost-Berlin wird derzeit von Kriminaltechnikern untersucht.
Zweite Festnahme eines Mannes in Berlin
Die 65-Jährige wurde nach LKA-Angaben inzwischen mit einem Hubschrauber nach Bremen geflogen und von dort aus weiter zum Amtsgericht Verden gebracht. Ein Haftrichter habe Haftbefehle gegen sie erlassen.
Zudem haben die Fahnder eine weitere Person in Berlin festgenommen. Deren Identität werde aber noch überprüft.
Polizisten tragen Kisten und Taschen in das Mehrfamilienhaus in Berlin, in dem Daniela Klette festgenommen wurde.
Magazine und Munition in Wohnung gefunden
Die mutmaßliche Linksterroristin Klette wurde laut Staatsanwaltschaft durch Fingerabdrücke identifiziert. Klette habe in den vergangenen Jahrzehnten eine falsche Identität genutzt. Ein ausländischer Pass mit einem anderen Namen werde derzeit von der Polizei untersucht. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Verden, Clemens Eimterbäumer, sagte, dass die festgenommene 65-Jährige nicht bestreite, Daniela Klette zu sein. "Wir sind uns sicher, dass es sich um Daniela Klette handelt", sagte de Vries vom LKA Niedersachsen.
In der Wohnung, die nicht von Daniela Klette angemietet wurde, fanden die Ermittler nach eigenen Angaben zwei Magazine für eine Pistole und Munition. Eine Waffe sei nicht sichergestellt worden.
Faeser: "Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht in der Festnahme auch ein wichtiges Signal an die Opfer der RAF. "Dieser Fahndungserfolg ist das Verdienst jahrzehntelanger unermüdlicher Ermittlungsarbeit. Der Rechtsstaat hat seine Beharrlichkeit und seinen langen Atem gezeigt. Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen", hieß es in einer Mitteilung des Innenministeriums.
Die Verbrechen der Rote Armee Fraktion stünden "bis heute beispiellos für die Gefahren des Linksextremismus und Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland." Jetzt werde eine weitere strafrechtliche Aufarbeitung dieser Taten möglich. "Diese Aufklärung schulden wir auch den Angehörigen der Opfer der RAF", so die SPD-Politikerin.
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann sprach von einem "großartigen Ermittlungserfolg". Sollte sich der Tatverdacht bestätigen, sei dies auch ein Signal an "Schwerstverbrecher im ganzen Land: Sie können sich auch Jahre nach ihren Taten nicht sicher fühlen, sondern müssen stets mit der konsequenten Verfolgung durch unsere Behörden rechnen", so Wahlmann. Sie erhoffe sich nun auch Fortschritte bei den Ermittlungen gegen weitere RAF-Mitglieder.
Raubüberfälle für Lebensunterhalt
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben seit 2015 gegen Klette sowie gegen die beiden weiteren Ex-RAF-Mitglieder Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.
Die Behörden werfen dem Trio versuchten Mord und insgesamt sechs schwere Raubüberfälle zwischen 1999 und 2016 vor. Konkret geht es den Angaben nach um Taten in Stuhr, Wolfsburg, Hildesheim und Cremlingen in Niedersachsen sowie Bochum und Duisburg in Nordrhein-Westfalen. Sie fanden demnach unter anderem 1999, 2006, 2015 und 2016 statt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Es handele sich vermutlich um Beschaffungskriminalität. Das seit mehr als 30 Jahren flüchtige Trio soll versucht haben, sein Leben im Untergrund mit den Überfällen zu finanzieren.
Auch Generalbundesanwalt ermittelt
Auch beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe läuft seit Anfang der 1990er-Jahre ein Ermittlungsverfahren gegen Klette wegen drei terroristischer Anschläge der RAF. Es geht um Sprengstoffanschläge auf die JVA Weiterstadt 1993 und ein Gebäude der Deutschen Bank in Eschborn 1990, sowie einen Schusswaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bad Godesberg 1991.
Zuletzt erbat die Staatsanwaltschaft Verden am 14. Februar Hinweise zu früheren Terroristen der RAF in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Die Hinweise würden weiterhin ausgewertet, der entscheidende Hinweis stamme jedoch laut Staatsanwaltschaft nicht von einem Zuschauer der Sendung.
Einige Tage nach Ausstrahlung der Sendung gab es einen Fehlalarm, als in einem Regionalzug in Wuppertal ein Mann fälschlich für das ehemalige RAF-Mitglied Ernst-Volker Staub gehalten wurde.
Dritte Generation der RAF
Die RAF kämpfte mehr als 20 Jahre mit Gewalt gegen das angeblich "imperialistische System" der Bundesrepublik. Von 1971 bis 1993 töteten Terroristen 34 Menschen, darunter auch Repräsentanten von Wirtschaft und Politik wie Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Mehr als 200 Menschen wurden durch die terroristische Vereinigung verletzt.
Klette, Staub und Garweg werden der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. Vertreter dieser Generation sollen den damaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den amtierenden Treuhand-Chef, Detlev Karsten Rohwedder, umgebracht haben.
Der Sprengstoffanschlag gegen die Baustelle der JVA Weiterstadt im März 1993 war der letzten RAF-Anschlag. Mehr als 200 Kilogramm Sprengstoff zerstörten drei Unterkunftsgebäude und den Verwaltungstrakt der im Bau befindlichen Anstalt. Menschen wurden nicht verletzt. Der Sachschaden betrug 80 bis 90 Millionen Deutsche Mark. Im April 1998 verkündete die RAF ihre Auflösung.