Expertenbericht Muslimfeindlichkeit in Deutschland weit verbreitet
Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland sind muslimisch. Viele von ihnen berichten von Diskriminierung und Ausgrenzung. Ein Expertenbericht zeigt: Feindlichkeit gegenüber Muslimen ist hierzulande weitverbreitet.
Eine muslimfeindliche Haltung hält sich laut einem Expertenkreis in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung auf einem "beständig hohen Niveau". Jeder Zweite in Deutschland stimme muslimfeindlichen Aussagen zu, hieß es in dem Abschlussbericht des neunköpfigen Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM).
Muslime seien "eine der am meisten unter Druck stehenden Minderheiten im Land". Insgesamt leben rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland, von denen die Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Sie würden teils Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Gewalt erfahren. Für Betroffene seien das keine Einzelereignisse, sondern wiederkehrende und mitunter sehr belastende Erfahrungen.
Muslima mit Kopftuch besonders betroffen
Laut Bericht sind Muslime, die offen ihre religiöse Zugehörigkeit bekennen, ob durch Kleidung oder Mitgliedschaft in Organisationen, am massivsten betroffen. Vor allem kopftuchtragende Frauen berichteten von "besonders drastischen Formen der Anfeindungen". Insgesamt berichteten muslimische Frauen, dass sie als nicht selbstbestimmt angesehen würden. Muslimische Männer erzählen, sie würden als aggressiv und gewalttätig wahrgenommen.
Unter Muslimfeindlichkeit verstehen die Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden "Zuschreibungen pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslimen". Dadurch werde bewusst oder unbewusst eine "Fremdheit" oder sogar Feindlichkeit konstruiert. Als Gründe für feindliche Ansichten nannten die Fachleute etwa ein "unbewusstes Vorverständnis", Fehlinformationen oder auch pauschale Ängste.
Appell an Bundesregierung, Organisationen und Medien
Der Bericht richte sich an alle Menschen und Organisationen im Land, stellen die Verfasser voraus - denn entscheidend sei, dass gerade auch jene, die nicht unmittelbar diskriminiert würden, sich solidarisch verhielten. Explizit aber raten die Fachleute der Bundesregierung, einen Sachverständigenrat und einen Bundesbeauftragten für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit zu ernennen.
Außerdem empfiehlt der Bericht eine Melde- und Dokumentationsstelle sowie mehr Beratung. Zudem sollten die Kultusministerien die Lehrpläne und Schulbücher überarbeiten und die Politische Bildung einen eignen Themenbereich anbieten. Für den Kampf gegen institutionellen Rassismus sollten Berufsgruppen in allen staatlichen Einrichtungen stärker sensibilisiert werden.
Der Bericht sieht auch in vielen Medien eine "einseitig konfliktorientierte Berichterstattung" über den Islam. Im Internet und den sozialen Medien falle das Negativbild noch drastischer aus. Auch christliche Medien nähmen "in sehr unterschiedlicher Intensität an einseitigen Islamdiskursen teil".
Expertenkreis nach Anschlag in Hanau gebildet
Es ist der erste Bericht dieser Art. Der Expertenkreis wurde nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau 2020 vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer berufen. Der nun vorgestellte insgesamt 400 Seiten starke Bericht analysiert anhand selbst in Auftrag gegebener und anderer vorliegender Studien, wie sich Islamfeindlichkeit in Deutschland äußert und welches Ausmaß sie hat.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser versprach eine intensive Beschäftigung mit den Ergebnissen. Muslimisches Leben gehöre selbstverständlich zu Deutschland, alle sollten die gleichen Chancen und Rechte haben. "Umso bitterer sind die Befunde dieses ersten umfassenden Berichts zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland: Viele der 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland erleben Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag - bis hin zu Hass und Gewalt." Es sei sehr wichtig, dies sichtbar zu machen und ein Bewusstsein für noch immer weit verbreitete Ressentiments zu schaffen.