Musikfestivals Mehr Frauen auf der Bühne
Am Wochenende findet wieder das Traditionsfestival "Rock am Ring" statt. Nach Kritik in den vergangenen Jahren ist das Festival nun deutlich weiblicher besetzt. Probleme in der Branche bleiben aber.
Wenn der Nürburgring bebt und die Gitarrenriffs bis tief in die Nacht zu den umliegenden Campingplätzen getragen werden, dann ist klar: Das Traditionsfestival "Rock am Ring" ist am Start. In diesem Jahr heißt das: drei Tage, drei Bühnen, 72 Acts. Und eine Neuerung.
Das Line-Up, die Liste der auftretenden Bands, führt deutlich mehr Musikerinnen. Damit reagiert der Veranstalter DreamHaus auf die Kritik der vergangenen Jahre, wonach die Zwillingsveranstaltungen "Rock am Ring" in der Eifel und "Rock im Park" in Nürnberg zu männerlastig seien.
Höherer Anteil an Musikerinnen
"Der Anteil von Bands mit nicht männlich-gelesenen Personen hat sich zu vergangenem Jahr mehr als verdoppelt und liegt bei knapp 30 Prozent", erklärt Matt Schwarz, der Geschäftsführer von DreamHaus. Die Formulierung "nicht männlich-gelesen" wählt der Veranstalter dabei bewusst, um "präventiv dem Ausschluss von non-binären Personen zuvorzukommen".
Konkret heißt das: Von 72 Acts haben 21 nicht ausschließlich Männer in der Band. Bei dieser Zählweise orientiert sich DreamHaus an der globalen Initiative Keychange, die sich für Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche einsetzt. In diesem Jahr hat Schwarz beim Booking auf mehr Diversität geachtet.
Weiß und männlich
Auf die Frage, wo die Musikbranche in Deutschland beim Thema Geschlechtergerechtigkeit 2023 insgesamt steht, sagt Anna Groß von der MaLisa Stiftung, die sich intensiv mit der Thematik "Gender in Music" beschäftigt hat: "Die Musikbranche ist insgesamt immer noch sehr weiß und männlich geprägt."
In einer langfristig angelegten Untersuchung hatte die Stiftung, die 2016 von der Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth gegründet wurde, die Geschlechtergerechtigkeit in verschiedenen Bereichen der Musikbranche untersucht. In Kooperation mit der GEMA und dem sächsischen Musikerinnennetzwerk Music S Women* erhob man in den Jahren 2010 bis 2019 und nach der Corona-Pause für 2022 umfangreiche Daten.
Das Ergebnis: Sowohl in den Charts, als auch bei den Werkbeteiligungen gemeldeter Songs gab es eine "deutliche Schieflage", was die Geschlechter angeht. Ebenso sah es auf den Festivalbühnen aus. Je größer das Festival, desto männlicher besetzt, lauten die Ergebnisse.
Mit Blick auf die Festivalbranche 2023 insgesamt in Deutschland sagt Anna Groß: "Wir nehmen aus Gesprächen wahr, dass es 2023 der Veranstaltungsbranche weiterhin schwerfällt, weibliche Headliner*innen zu finden, weil die Auswahl an großen Acts noch fehlt. Unser Eindruck ist aber gleichzeitig, dass Bookingteams verstärkt darauf achten, diverser zu buchen."
Den Wandel fördern
Um eine vollkommene Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche zu erreichen, scheint es noch Jahre zu dauern. Viele Strukturen sind männlich geprägt, Entscheiderpositionen bei Veranstaltern, Produzenten, Labels und Managements männlich besetzt. Aber auch hier setzt ein Umdenken ein. "Rock am Ring" etwa achtet auch verstärkt hinter den Kulissen auf Parität.
"Bei DreamHaus sind Führungspositionen wie zum Beispiel die Festivalleitung paritätisch besetzt, denn mir ist wichtig, dass wir ganzheitlich agieren - auf der Bühne und hinter der Bühne", sagt Matt Schwarz.
Um den Strukturwandel weiter zu beschleunigen und mehr Frauen auf Festivalbühnen zu bringen, gibt es viele Hebel, etwa Netzwerke wie die Initiative Keychange. Quoten-Selbstverpflichtungen bei Line-Ups oder bewusst ausgewählte weibliche Vorgruppen bei männlichen Main Acts sind Wege, die in der Branche bereits gegangen werden.
Carolin Kebekus: "Der Witz ist männlich"
Musikerinnen sollten, so ihr Wunsch, die Möglichkeit bekommen, sichtbarer zu sein. Das ist wichtig, vor allem auch mit Blick auf eine Vorreiter- und Vorbildfunktion. Frauen auf der Bühne können Mädchen und Frauen im Publikum beeinflussen.
Die Komikerin Carolin Kebekus, die "Rock am Ring" für das männerdominierte Line-Up in den vergangenen zwei Jahren kritisiert hat, bestätigt, wie wichtig Vorbilder auch für ihren Lebensweg waren: "Als ich aufgewachsen bin und lustige Filme mit meinen Eltern und meiner Oma geschaut habe, da habe ich gelernt: Der Witz ist männlich. Dieter Hallervorden, Otto, Emil, Dieter Krebs - alles Männer. Frauen waren Beiwerk und Stichwortgeberinnen."
Kebekus hatte fast zeitgleich zu "Rock am Ring" ein reines Frauenfestival veranstaltet - um ein Zeichen zu setzen.
Für ihren eigenen Lebensweg sei es wichtig gewesen, später Künstlerinnen wie Anke Engelke oder Gaby Köster auf der Bühne zu sehen. Kebekus ergänzt: "Ich musste verstehen: Ach so, das geht, das ist ein richtiger Beruf. Und genauso muss man eine Schlagzeugerin auf der Bühne sehen, die am Besten noch singt, um zu denken: Das geht, das kann ich auch machen."
Im vergangenen Jahr hatte Kebekus fast zeitgleich zu "Rock am Ring" ein reines Frauenfestival veranstaltet - um ein Zeichen zu setzen. Über das weiblichere Line-Up in diesem Jahr freut sie sich: "Und Rock am Ring ist auch nicht das erste Festival, das nachjustiert. Es gibt viele, die vorher schon eine 30 Prozent-Quote hatten und noch höher. Inzwischen gibt es viele Festivals - da werde ich immer verlinkt - da spielen nur Frauen."