Maren Busch
Mittendrin

Parteilose in Diez Plötzlich Bürgermeisterin

Stand: 07.10.2023 09:40 Uhr

Vor gut einem Jahr entschied sich Maren Busch, als Verbandsbürgermeisterin im rheinland-pfälzischen Diez zu kandidieren. Die Parteilose wurde gewählt - und will einiges anders machen als ihre SPD-Vorgänger.

Am Morgen ist Maren Busch mit ihrem Fahrrad unterwegs. Seit Ende Mai hat sie einen anderen Weg zur Arbeit. Bislang war die 27-Jährige für ein Immobilienunternehmen in Limburg tätig - jetzt für die Bürger der Region Diez als neue Verbandsbürgermeisterin. "Geplant habe ich das nie. Im vergangenen Jahr hatte mich aber eine Freundin gefragt, ob ich nicht zur Wahl antreten wolle. Erst habe ich sie belächelt - und dann habe ich mir gedacht: Wieso eigentlich nicht?" Jetzt hat sie den Job und ist verantwortlich für mehr als 25.000 Menschen.  

Busch kommt in der Gemeindeverwaltung an und läuft die Treppen in ihr Büro hoch. Das Gebäude wird gerade renoviert. Auch die Newcomerin will hier einiges ändern. "Die Leute wünschen sich mehr Bürgernähe. Das haben sie mit meiner Wahl in Verbindung gesetzt", sagt sie.

Sie kann auf die breite Unterstützung der Bürger setzen. Im November vergangenen Jahres erhielt sie 52 Prozent der Stimmen - im ersten Wahlgang. Die Konkurrenz von SPD und CDU schied abgeschlagen schon in der ersten Runde aus.

Busch ist in der Region geboren, hier aufgewachsen, ist im Sportverein und singt im Chor. Sie genießt Vertrauen und ist wohl auch deshalb so deutlich gewählt worden, obwohl sie im politischen Betrieb praktisch keine Erfahrung hatte.     

#mittendrin in Rheinland-Pfalz: Die neue Bürgermeisterin Maren Busch in Diez

Axel John, SWR, tagesthemen, 04.10.2023 23:25 Uhr

"Die Leute wollen pragmatische Lösungen"

In ihrem Büro hat sie eine große Schiebewand mit vielen bunten Zetteln aufgestellt. "Das ist aufgeteilt in Verwaltung, Bürgerbeteiligung und Privates. Das muss ich alles bedenken in der ersten Zeit. Ich arbeite mich noch in die Verwaltung ein. Dafür gibt es leider kein Handbuch", erklärt Busch mit einem Lachen.

Eine frühere Bürgermeisterin hat ihr bei der Einarbeitung in den ersten Tagen geholfen. Ihre Amtsvorgänger waren ältere Herrschaften mit SPD-Parteibuch und viel Verwaltungserfahrung - und jetzt kommt die parteilose Newcomerin.

Gesellschaft und Politik seien im Wandel, so Busch. Das habe vieles verändert und ihre Wahl erst möglich gemacht. "Die Leute auf den Dörfern sind müde von künstlichen Skandalen und Wahlkämpfen. Sie wollen, dass pragmatisch und lösungsorientiert gearbeitet wird."

Im Erdgeschoss ist das Bürgerbüro. Busch will die Verwaltung schnell digitalisieren. Thorsten Nott arbeitet hier als Sachbearbeiter. "Bombe, dass Maren Busch gewählt wurde", sagt er. "Sie ist unabhängig und geht dadurch viele Dinge neu an. Ich kriege ja auch jeden Tag mit, dass die Bürger sich etwas Neues wünschen."

Maren Busch im Bürgermeisterbüro in Diez.

Ihre Amtsvorgänger waren ältere Herrschaften mit SPD-Parteibuch - jetzt ist Maren Busch Bürgermeisterin in Diez.

Im Eiscafé ging es los

Notts Sätze hören auch Melanie Schneider und Ingo Herden, die gerade hereinkommen, um im Bürgeramt Dokumente abzuholen. "Nach 16 Jahren Merkel gibt es bei vielen Leuten eine gewisse Politikmüdigkeit. Wir müssen aus den alteingefahrenen Schienen raus", sagt Schneider. Und Herden ergänzt: "Frau Busch weiß, was los ist. Sie kommt von der Basis und lebt nicht in ihrer Blase."

Im Eiscafé Dolce Italia in Diez ging vor gut einem Jahr alles los. Busch hatte Unterschriftenlisten ausgelegt, um sich als Kandidatin aufstellen zu dürfen. Inhaberin Michaela Marino erinnert sich: "Es stand in der Zeitung, dass hier Unterstützerlisten ausliegen. Die waren schnell voll."

Draußen sitzen mehrere Gäste, die Busch im Wahlkampf unterstützt haben. Sie haben Plakate geklebt und gehört, was den Bürgern gefällt und was nicht. "Maren ist auf Augenhöhe mit Erwachsenen und uns Jugendlichen", erzählt die 16-jährige Leni Lüderitz, die auch geholfen hat, obwohl sie noch nicht wählen darf. "Sie war bei uns in der Schule und hat sich ernsthaft für uns interessiert. Das ist bei Politikern eigentlich nicht so."

Am Tisch sitzt auch Benjamin Albrecht, der früher mal für die SPD im Stadtrat in Diez war. "Die klassischen politischen Milieus brechen auf. Das sehen wir auf der Bundesebene und jetzt fängt es auch auf kommunaler Ebene an." Er glaubt, dass es immer mehr Ortschaften gibt, in denen CDU- oder SPD-Kandidaten nicht mehr automatisch gewählt werden, nur weil sie von einer Volkspartei aufgestellt worden sind. "Maren Busch hat als Person überzeugt und nicht als Parteifunktionärin."

Das Eiscafé Dolce Italia in Diez.

Hier ging für Maren Busch alles los: im Eiscafé Dolce Vita in Diez.

Viele fühlen sich von Parteien übergangen

In Langenscheid, einem kleinen Ort nahe Diez, hatte die Quereinsteigerin bei der Wahl fast 80 Prozent Zustimmung geholt. Ulrike Jäger lebt hier. Sie hat einen kleinen Nähladen und erzählt, dass sich in der Region viele von Parteien übergangen fühlen. Auch Jäger hat Busch gewählt. Die wisse noch, was die Menschen vor Ort bewege, sagt sie.

"Was im Bund passiert, ist nicht unbedingt in Ordnung für die ländlichen Regionen. Das ist so entkoppelt mittlerweile, das funktioniert einfach nicht mehr", resümiert Jäger. Sie zählt auf, was sie bewegt: "Wenn ich an die Mobilität denke, dann sind wir hier ein Entwicklungsland. Wenn ich auf den Busfahrplan schaue - wie soll ich im Nachbarort arbeiten?" Es gebe auch viele, die Angst hätten, dass sie wegen der Energiewende irgendwann Haus und Hof verkaufen müssten, weil das Wohnen zu teuer werde.

Von der Sitzung zum Weinfest

In Diez geht der Arbeitstag für die Verbandsbürgermeisterin mit einer Sitzung zu Ende, die sich bis in den Abend hineinzieht. Direkt im Anschluss radelt Busch noch zu einem kleinen Weinfest im Stadtzentrum. An den Ständen schüttelt sie nicht Hände, sondern wird von den meisten Besuchern gleich umarmt. Das zeigt den großen Vertrauensvorschuss.

Manchmal kann die junge Frau kaum glauben, welche Verantwortung sie jetzt hat. "Mitte September hatten wir hier ein schlimmes Unwetter. Ich war mit einigen Beigeordneten die ganze Nacht unterwegs und da wurde mir so richtig klar: Die Leute erwarten jetzt von mir, dass ich handle."

Und was ist ihr Hauptziel ihrer Arbeit in den kommenden Jahren? "Für die kommenden siebeneinhalb Jahre und vielleicht darüber hinaus, möchte ich diese Spaltung, die wir gerade überall spüren, beiseitelegen und die Probleme konstruktiv angehen." Busch hat Lust auf das Amt - trägt aber jetzt auch die Last der Verantwortung. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 04. Oktober 2023 um 23:25 Uhr.