Lauterbach zur Cannabis-Freigabe "Müssen keinen Cannabis-Tourismus befürchten"
Kinder- und Jugendärzte haben die geplante Cannabis-Freigabe kritisiert. Im tagesthemen-Interview verteidigte Gesundheitsminister Lauterbach das Vorhaben und beruhigte: Ein Modell wie in den Niederlanden wolle man nicht.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat in den tagesthemen die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis verteidigt. "Mit der jetzigen Verbotspolitik haben wir keine Erfolge", sagte der SPD-Politiker. Es sei ein guter Kompromiss, dass der Anbau über eine Mitgliedschaft im Verein organisiert werde.
Zuvor hatte Lauterbach zusammen mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) Pläne der Ampelkoalition für eine Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Demnach soll die Abgabe von Cannabis an bestimmte Voraussetzungen gebunden sein. So sollen Verbraucher einem Verein - einem sogenannten Cannabis-Social-Club - beitreten, auch werde die tägliche und monatliche Abgabe rationiert.
Lauterbach: Schwarzmarkt wird einbrechen
Lauterbach verteidigte diese Form der kontrollierten, nicht gewerbsmäßigen Abgabe. Das Produkt sei sauber und nicht verunreinigt, betonte Lauterbach. Lauterbach hofft, dass der Schwarzmarkt dadurch einbrechen und kollabieren wird. Der Handel auf dem Schwarzmarkt lohne nicht mehr, wenn "es hier ein zum Selbstkostenpreis, quasi wie in einer Genossenschaft angebotenes Produkt gibt".
Kritik der Kinder- und Jugendärzte
Angesprochen auf die Warnung des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Cannabis an unter 25-Jährige abzugeben, da der Konsum dauerhafte Hirnschäden zur Folge haben könnte, sagte der Gesundheitsminister: "Der Rat ist richtig, aber das ist nicht die Situation, in der wir derzeit sind." Die Dealer und Schwarzmarkthändler würden derzeit nicht fragen, ob jemand 16, 17 oder 18 sei. "Die geben ab, wo sie können."
Nach den neuen Regeln sei eine Abgabe unter 18 nicht möglich und man prüfe auch, ob man in der Altersgruppe der unter 21-Jährigen mit "geringeren Konzentrationen" arbeiten werde. Man verfolge mit den Kinder- und Jugendärzten das gleiche Ziel - doch die bisherige Strategie habe nicht gewirkt.
Konsum von Cannabis werde zurückgehen
Lauterbach ist außerdem überzeugt, dass der Konsum von Cannabis insgesamt zurückgehen wird. Durch den Wegfall des Schwarzmarktes würden keine Abhängigkeiten bei den jugendlichen Konsumenten mehr erzeugt. Außerdem solle es Präventionsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche geben.
Die neuen Regeln sehen außerdem eine Legalisierung des Eigenanbaus vor - allerdings flankiert von einer Dokumentationspflicht. Auch hier sieht Lauterbach eine Verbesserung des Status quo, der keine oder nur sehr wenige Kontrollen vorsieht. Er räumt aber auch ein: "Es wird immer Missbrauch geben."
Coffeeshops in Amsterdam: "Wir wollen keine neue Gelegenheit zum gemeinsamen Kiffen bieten", sagt Gesundheitsminister Lauterbach zum niederländischen Modell.
Niederlande kein Vorbild für Deutschland
Nach den Vorstellungen der Regierung soll eine kommerzielle Verbreitung von Cannabis zunächst in einem Modellprojekt in verschiedenen Modellregionen geprüft werden. Dazu gebe es nach der parlamentarischen Sommerpause einen Entwurf. Die Auswertung des Modell werde etwa fünf Jahre lang dauern.
Zur Sorge, dass viele Menschen nach Deutschland reisen werden, die hier Cannabis konsumieren wollen, sagte der Gesundheitsminister: "Wir wollen keine neue Gelegenheit zum gemeinsamen Kiffen bieten." Das Modell in den Niederlanden sei dabei kein Vorbild für Deutschland, sondern eher abschreckend. Wegen der geringen Menge, die nur für den Eigenkonsum reiche, werde es keinen Cannabis-Tourismus geben. "Wir müssen einen solchen Tourismus nicht befürchten", sagte er.