Vorstoß des Kinderärztepräsidenten Notdienst-Gebühr bei unnötigen Fällen?
Die Notaufnahmen stoßen an ihre Belastungsgrenzen - auch wegen unnötiger Behandlungen. Kinderärztepräsident Fischbach schlägt daher vor, Eltern zur Kasse zu bitten, die mit nicht dringenden Fällen vorstellig werden.
Angesichts knapper Ressourcen in der Notfallversorgung fordert der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, in bestimmten Fällen eine Eigenbeteiligung für Eltern.
"Die Notfallversorgung muss auf Notfälle konzentriert werden und nicht für die Pickel am Po der Kinder, für die die Eltern unter der Woche keine Zeit haben und mit denen man dann am Wochenende beim Notdienst aufschlägt", sagte Fischbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Für solche Fälle hielte ich eine Eigenbeteiligung der Versicherten für absolut sinnvoll."
Es sei schade, dass sich die Politik aus Angst vor Gegenwind nicht wirklich an das Thema herantraue, betonte der Kinderarzt. "Die knappen Notfall-Ressourcen werden immer und immer wieder von nicht dringend handlungsbedürftigen Fällen in Anspruch genommen, und damit muss Schluss sein. Bei echten Notfällen können die Kosten erstattet werden, das ließe sich mit wenig Aufwand umsetzen."
Forderung nach besserer Patientensteuerung
Die Pläne der Regierungskommission für eine Reform der Notfallversorgung gehen Fischbach nicht weit genug. "Bisher klingt es zu sehr nach: Kommt alle zu uns, die ihr mühselig und beladen seid, wir werden euch helfen", sagte er.
Zwar seien die von der Kommission vorgeschlagenen Notfallzentren für Kinder "wünschenswert", doch fehle es an Kinder- und Jugendärzten für eine flächendeckende Einrichtung. "Fatal wäre es auch, wenn nur Fachärzte und nicht auch Ärzte mit hinreichender Weiterbildung die Notfallversorgung übernehmen dürften. Dann brechen uns noch mehr Arbeitskräfte weg - in Praxen sowie in Kliniken", warnte der BVKJ-Präsident.
Nicht zuletzt brauche es klarere Regeln für die Patientensteuerung, "damit die nicht dringenden Fälle auch wirklich an die Praxen verwiesen werden, anstatt sie in die Notfallzentren zu lassen".
Krankenhausgesellschaft gegen Gebühr
Auch der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, findet, eine funktionierende Patientenberatung und Steuerung sei notwendig, um echte Notfälle von Bagatellerkrankungen zu unterscheiden. Er gab aber auch zu bedenken, dass auch lange Wartezeiten bei den niedergelassenen Ärzten viele Eltern zum Aufsuchen der Notfallstrukturen veranlassen würden.
Eine Gebühr wie von Fischbach vorgeschlagen, lehnte Gaß klar ab: "Wir brauchen nicht immer wieder neue Vorschläge, die finanzielle Hürden vor der Inanspruchnahme einer Notfallversorgung aufbauen."
Zahl der Notfallpatienten gestiegen
Die Bundesregierung will die Notfallversorgung reformieren. Künftig sollen Patienten im Notfall durch neue Leitstellen und Notfallzentren versorgt werden. Hintergrund ist eine starke Zunahme von Patienten, die die Notfalldienste nutzen. Experten beklagen, dass viele Menschen die Notaufnahmen aufsuchten, wenn sie etwa keine Arzttermine bekommen. Die Notaufnahmen seien deshalb massiv überfüllt.
Auf die vorgeschlagene Option einer Strafgebühr kam aus dem Bundesgesundheitsministerium eine ablehnende Reaktion. Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte mit Verweis auf die von der Regierungskommission entwickelten Reformvorschläge, diese würden eine solche Gebühr nicht vorsehen.
Die Gesamtzahl der behandelten Notfallpatienten - durch den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sowie den Notaufnahmen der Krankenhäuser - ist laut Bundesregierung von 24,9 Millionen im Jahr 2009 auf 27,8 Millionen Menschen im Jahr 2019 gestiegen. Das ist ein Plus von zwölf Prozent.
Auch Kassenärzte für Notaufnahmegebühr
Kassenärztechef Andreas Gassen hatte sich bereits im April dafür ausgesprochen, dass Patientinnen und Patienten eine Gebühr entrichten sollten, wenn sie direkt in die Notaufnahme gehen, ohne vorher die Leitstelle anzurufen und ohne dass es nötig ist.
"Wer noch selbst in eine Notaufnahme gehen kann, ist oft kein echter medizinischer Notfall", sagte Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das koste die Solidargemeinschaft unterm Strich mehr Geld und binde unnötig medizinische Ressourcen. Gassens Vorstoß stieß sowohl bei Patientenschützern als auch in der Politik auf Kritik.