Impfstoffe gegen Corona Die Mittel der Wahl
Fünf Impfstoffe sind inzwischen in der EU zugelassen. Mit dem Vakzin des Herstellers Novavax ist erstmals auch ein proteinbasiertes Präparat unter ihnen. Was spricht für welchen Impfstoff?
Die Hoffnung kam in der Weihnachtszeit: Vor einem Jahr wurde in Deutschland die erste Impfspritze gegen das Corona-Virus verabreicht. In Halberstadt im Harz bekam damals Edith Kwoizalla, die 101 Jahre alte Bewohnerin eines Pflegeheimes, am zweiten Weihnachtsfeiertag die erste Dosis.
Inzwischen sind mehr als 61 Millionen Deutsche geimpft. Noch immer nicht genug - ein harter Kern lehnt die Impfung gegen Corona weiter vehement ab. Mit dem proteinbasierten Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) den fünften Impfstoff gegen Corona zugelassen.
Ein Gamechanger? "Es wäre meine große Hoffnung, dass sich gerade die Ungeimpften über 60 jetzt mit dem proteinbasierten Impfstoff besser anfreunden können", sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk.
Alle setzen auf das Spike-Protein
Lange waren die mRNA-Impfstoffe der Hersteller BioNTech/Pfizer und Moderna die Hoffnungsträger. Sie bekamen in der EU als Erste grünes Licht. Für die Technologie war es ein Durchbruch, geforscht wird an den mRNA-Impfstoffen jedoch schon seit mehr als 20 Jahren. Bei ihnen, wie bei den anderen zugelassenen Impfstofftypen, steht ein bestimmtes Oberflächen-Molekül des Coronavirus im Fokus, das sogenannte Spike-Protein.
Das Spike-Protein sitzt auf der Außenhülle des Virus, ist selbst aber nicht infektiös. Im Labor wird die mRNA, also der genetische "Bauplan" dieses Proteins, künstlich hergestellt. Damit kann der Körper das Spike-Protein selbstständig erzeugen, das dann vom Immunsystem erkannt wird. Es aktiviert Abwehrzellen und bildet Antikörper. Kommt es später zu einer Infektion, erkennt der Körper das Spike-Protein wieder und bekämpft es.
Auch die Vektorimpfstoffe der Hersteller AstraZeneca und Johnson & Johnson setzen auf den genetischen Bauplan des Spike-Proteins. Sie basieren jedoch auf entschärften und für den Menschen ungefährlichen Erkältungsviren, die als Transporter für das Gen mit dem Bauplan des Spike-Proteins fungieren. Auch bei dieser Vorgehensweise baut der Körper die Proteine selbst nach.
Erbgutveränderungen ausgeschlossen
Der AstraZeneca-Impfstoff wird in Deutschland inzwischen allerdings nicht mehr verimpft. Die Zulassungsstudien hatten schon zu Beginn einen geringeren Impfschutz gegenüber den mRNA-Präparaten nachgewiesen. Zudem kam es im Zusammenhang mit der Impfung zu sehr seltenen Sinusvenenthrombosen bei jungen Menschen. Zwischenzeitlich ging die Nachfrage stark zurück. Auch die Impfung mit dem Johnson-&-Johnson-Impfstoff ist mittlerweile umstritten. Eine Ansteckung mit dem Virus verhindert die einmalige Impfung laut Robert Koch-Institut nur zu 65 Prozent.
Den mRNA- und vektorbasierten Impfstoffen haftet die Sorge mancher Menschen an, dass sie die Erbinformation verändern könnten. Laut Immunologin Falk ist das jedoch ausgeschlossen. "Die mRNA kann gar nicht in den Zellkern eindringen. Bei den Vektorimpfstoffen besteht zwar theoretisch die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, geht aber gegen null."
Ein neuer Impfstofftyp
Mit dem Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax hat jetzt ein weiterer Impfstofftyp die Zulassung der EMA erhalten. Proteinbasierte Vakzine enthalten keine genetische Information des Proteins, sondern im Fall des Corona-Impfstoffes das Spike-Protein an sich - als synthetische Nachbildung.
Der Körper muss das Protein also nicht selbstständig nachbauen, ein Schritt wird gewissermaßen übersprungen. Dadurch fällt allerdings auch die Impfreaktion weniger stark aus. Der Impfstoff enthält deshalb ein sogenanntes Adjuvans - eine Art Katalysator, der nichts mit dem Wirkstoff zu tun hat, dessen Wirkung aber verstärkt und das Spike-Protein in die Zellen einschleust. Novavax setzt dabei auf den Wirkverstärker Matrix-M, ein relativ neuer Wirkstoff, der aus der Rinde chilenischer Seifenrindenbäume gewonnen wird. Durch die lange Erfahrung mit Wirkverstärkern bei proteinbasierten Impfstoffen sei das Vorgehen aber sehr sicher, auch wenn die Substanz an sich neu ist, so Immunologin Falk.
Die Wirksamkeit von Novavax gegen die frühen Virusvarianten lag in klinischen Studien des Herstellers bei rund 90 Prozent. Neue Studien zeigen jetzt, dass Novavax auch als Booster-Impfung eingesetzt werden kann. Die EU-Kommission hat 100 Millionen Impfdosen bestellt. Ab Januar sollen in Deutschland vier Millionen Dosen zur Verfügung stehen, genaue Lieferdaten gibt es laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht.
Kein klassischer "Totimpfstoff"
Manche Menschen hatten Novavax lange erwartet, er wurde als erster zugelassener "Totimpfstoff" gehandelt. Um einen Totimpfstoff im klassischen Sinne handelt es sich bei Novavax jedoch nicht. Dafür müsste der Impfstoff das komplette Virus enthalten, das zuvor in Viruszellkulturen hochgezüchtet und anschließend abgetötet und inaktiviert wird. Novavax enthält hingegen nur das in Insektenkulturen künstlich hergestellte Spike-Protein des Virus. Ein klassischer Impfstoff wird derzeit auch von der EMA geprüft: der Impfstoff des französischen Herstellers Valneva.
Da proteinbasierte Impfstoffe wie Novavax aber schon sehr lange eingesetzt werden, könnte der Impfstoff doch manch Unentschlossenen die Skepsis nehmen, für die es wissenschaftlich keine Begründung gibt. Es gebe zwar schon viele Impfstoffe, die auf dieser Technologie beruhen, "wenn man jetzt aber betrachtet, wie viele Milliarden Menschen weltweit mit den mRNA- und vektorbasierten Impfstoffen geimpft wurden und wie gut das dokumentiert wurde, sind die mRNA- und vektorbasierten Impfstoffe in Sachen Sicherheit mindestens gleichgezogen", so Immunologin Falk.
Wie die Impfungen gegen Omikron wirken
Trotz doppelter Impfung, sogar trotz Booster stecken sich aktuell Menschen mit der Omikron-Variante an. Das heiße aber nicht, dass die bislang zugelassenen Impfstoffe nicht wirken. "Es werden generell drei Abwehrlinien bei einer Impfung aktiviert: Antikörper im Mund-Rachen-Raum, Antikörper im Blut und die T-Zellen in den Lymphknoten. Gegen Omikron funktioniert nur die erste Abwehrlinie nicht gut. Die Antikörper im Mund-Rachen-Raum reichen nicht aus, um eine Ansteckung zu vermeiden", sagt Immunologin Falk.
Gegen schwere Verläufe schütze eine Impfung dennoch sehr gut. Deshalb müsse jetzt alles dafür getan werden, dass so schnell wie möglich geboostert wird - und sich mehr Menschen doch noch für eine Erstimpfung entscheiden. Währenddessen arbeiten Impfstoffhersteller an einer an Omikron angepassten Impfstoffvariante. Darauf zu warten, habe aktuell aber keinen Sinn, sagt die Expertin: Mit den bisherigen Impfstoffen sei eine sehr gute Immunisierung weiterhin möglich.