Holocaust-Überlebender "Die AfD ist brandgefährlich"
Ivar Buterfas-Frankenthal ist einer der letzten verbliebenen Holocaust-Überlebenden. Nach 30 Jahren Aufklärungsarbeit zieht er sich nun weitgehend zurück. Doch vor den Gefahren des Rechtsextremismus will er weiterhin warnen.
Wer Ivar Buterfas-Frankenthal gegenübersitzt, hat nicht das Gefühl, mit einem 91-jährigen zu sprechen. Sein Blick ist wach und durchdringend, die Stimme voller Energie. Fast jede Antwort wird mit Gesten unterstrichen.
"Wenn ich könnte, würde ich das Zehnfache an Veranstaltungen machen", sagt er. Über den Horror der NS-Zeit aufzuklären, ist seine Lebensaufgabe geworden. In mehr als 1.500 Vorträgen hat er seine Geschichte erzählt. Doch weil die Kräfte nachlassen, sind nun nur noch ein paar wenige Auftritte geplant.
Viele Jahre auf der Flucht vor den Nazis
Ivar Buterfas-Frankenthal wird damals von den Nationalsozialisten als "Halbjude" eingestuft. Sein jüdischer Vater wird früh deportiert. 1938 kommt Buterfas-Frankenthal mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in ein sogenanntes Judenhaus. Die Jahre danach verbringen sie auf der Flucht und in Verstecken, in ständiger Angst, gefunden und deportiert zu werden.
Nach dem Krieg habe seine Mutter ihm geraten, er solle nach Schweden oder in die USA auswandern. Doch Buterfas-Frankenthal blieb. "Weil ich gedacht habe: Es muss auch ein anderes Deutschland geben. Es muss auch Anständige geben."
Morddrohungen und Auftritte unter Polizeischutz
Er wird ein Mahner gegen das Vergessen und bekommt dafür unter anderem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Weltfriedenpreis und die europäische Menschenrechtsmedaille.
Doch er muss auch einiges aushalten: Immer wieder gibt es Morddrohungen gegen ihn. Sein Haus bei Hamburg ist mit Kameras, Scheinwerfern und Panzerglas gesichert. Seine Vorträge finden inzwischen größtenteils unter Polizeischutz statt.
All das hat ihn aber nie aufgehalten. Angetrieben wird er bis heute durch die Reaktionen vieler junger Menschen, vor denen er spricht. Er ist immer wieder begeistert, wie interessiert sie seien. "Die sehen in mir einen Großvater. Aber einen, der ihnen die Wahrheit sagt, die ihr leiblicher Großvater zu Hause nicht erzählt." Deutschland habe zu lange die Vergangenheit verdrängt. Das aufzuarbeiten, sei immer Teil seiner Arbeit gewesen.
Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen von sowjetischen Truppen befreit worden.
Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" aus. Seit 2006 wird er weltweit an zahlreichen Orten begangen.
Warnung vor der AfD
Dass nun beim Treffen radikaler Rechter in Potsdam wieder Deutsche über Deportationspläne fantasieren, empfindet er als mehr als schockierend. "Da läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken." Es erinnere ihn vieles an die Situation von damals.
Die AfD bezeichnet Buterfas-Frankenthal als brandgefährlich. Sie seien Feinde der Demokratie. "Die haben in unserem friedlichen Land nichts zu suchen." Am liebsten würde er weitermachen, bis die AfD aus dem Bundestag verschwunden sei.
Was ihm aber Mut macht, sind die zahlreichen Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in den vergangenen zwei Wochen. Das löse ein unfassbares Glücksgefühl in ihm aus. "Deutschland steht auf! Die Deutschen lassen sich nichts mehr gefallen." Seine große Hoffnung sei, dass die Menschen endlich begriffen hätten, wie gefährlich der Rechtsextremismus sei.
Mit dem Oldtimer durch Deutschland
Wenn es nun ruhiger wird, freut sich Ivar Buterfas-Frankenthal auf noch mehr Zeit mit seiner Frau Dagmar. Seit 68 Jahren sind die beiden verheiratet. Im Buch "Von ganz, ganz unten" erzählen sie ihre gemeinsame Geschichte.
Ein Traum, den er sich erfüllen möchte, wenn die Kräfte es zulassen, sind Reisen mit dem Oldtimer in verschiedene deutsche Städte. Buterfas-Frankenthal will, so sein Plan, die Schönheit eines Landes genießen, das er durch seine Aufklärungsarbeit in den vergangenen 30 Jahren versucht hat mitzuprägen.