Kommunen im Harz Drei Bundesländer, eine Region
Gemeinsam geht es besser, dachten sich 18 Bürgermeister aus dem Harz vor zehn Jahren. Sie gründeten die Initiative "EinHarz" - gegen alle Verwaltungsgrenzen. Was ist daraus geworden?
Es gibt keinen freien Platz in dem kleinen Tagungssaal im Hotel Walpurgishof in Hahnenklee. Das Interesse ist groß. Mehr als doppelt so viele Teilnehmer wie damals zog es an den Gründungsort der Initiative "EinHarz", um Bilanz zu ziehen.
Initiator vor zehn Jahren war Oliver Junk, der damalige Oberbürgermeister von Goslar. Im Jahr 2011 hatte der Christdemokrat sein Amt angetreten. Er habe schnell gelernt, dass der Harz immer noch geteilt war, erinnert sich der 48-Jährige. Projekte endeten spätestens an der Landesgrenze. Alle Kommunalpolitiker hätten immer nur zur ihren Landesregierungen geschaut.
Er hat es selbst erlebt: Für ihn in Niedersachen sei es in den Landesgremien auch um Fischerei- und Hafenthemen gegangen - oder eben auch mal um Schafe auf dem Deich.
"Die Strukturen zum Beispiel im Städte- und Gemeindebund bedeuten eben, dass ich mit dem Bürgermeister von Wilhelmshaven am Tisch sitze, anstatt mit den Bürgermeistern von Wernigerode und Nordhausen", erläutert Junk. Das hätten bei dem Treffen im Jahr 2014 auch seine Harzer Amtskolleginnen und -kollegen verstanden, und deshalb würden sie sich immer noch regelmäßig treffen.
Oliver Junk, damals Oberbürgermeister von Goslar, hat 2014 das Projekt "EinHarz" angeschoben.
Der Harz als Ganzes gedacht
Die Mitglieder der "EinHarz"-Initiative hatten sich auf die Fahne geschrieben, grenzüberschreitend die Region zu fördern. Sie wollten den Standort Harz als leistungsfähiges, zusammengehöriges und dynamisches Ganzes präsentieren. Und Infrastrukturprojekte möglichst ohne administrative Grenzen umsetzen.
Damit sollte die Zusammenarbeit im Harz gefördert und eine hohe wirtschaftliche Attraktivität und Lebensqualität erreicht werden. Provokantes aber schlagzeilenträchtiges Ziel damals war der länderübergreifende "Ein-Harz-Landkreis".
Nicht alles erreicht und doch zufrieden
Soweit ist es nicht gekommen, doch Oliver Junk, der heute Kommunalrecht an der Hochschule Harz lehrt, ist trotzdem zufrieden. Fast achtzig Partner sind in der Initiative vereint, darunter Harzer Landkreise, Städte und Gemeinden, auch Unternehmen, Verbände und die drei Harzer Hochschulen in Clausthal-Zellerfeld, Nordhausen und Wernigerode.
"Das entscheidend Positive für mich ist das Netzwerk", sagt Junk. Die Kommunalpolitiker aus den einzelnen Harzteilen würden sich durch die regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Planungen nun gut kennen.
Das bestätigt auch Denis Loeffke, Bürgermeister von Ilsenburg in Sachsen-Anhalt. Vorher habe der CDU-Politiker kaum einen seiner Amtskollegen aus dem niedersächsischen oder thüringischen Harz gekannt. Jetzt sei er gut vernetzt, kenne auch Amtskollegen im thüringischen Teil des Harzes. Das empfinde er als sehr positiv.
Die Initiative, die seit Mitte 2019 als GmbH firmiert, hat versucht, zahlreiche Ideen und Projekte umzusetzen. Doch das ist nur bedingt gelungen. Zu den positiven Ergebnissen der Initiative gehört zum Beispiel, dass das zuerst nur im sachsen-anhaltischen Landkreis Harz geltende kostenlose Urlauber-Ticket Hatix heute im nahezu gesamten Harz gilt.
Auch das 2021 gestartete Projekt "eCarSharing Harz" läuft erfolgreich. An inzwischen 19 Standorten vor allem im Westharz, aber auch in Wernigerode, Halberstadt und Aschersleben können Tag und Nacht Elektroautos gemietet werden.
An inzwischen 19 Standorten im Harz können Tag und Nacht Elektroautos des "eCarSharing Harz" gemietet werden.
Viele Ideen zünden nicht bei Ländern
Doch viele Ideen scheitern. Zumeist liege es daran, dass der Harz in drei Bundesländern liege, resümiert Loeffke. So hatte die Initiative vor Jahren die Idee eines Harzrings entwickelt: Die vorhandenen, den Harz tangierenden vierspurigen Straßen sollen zu einem Ring verbunden werden. "Das ist echt mühsam, das habe ich unterschätzt", sagt Loeffke heute.
Gescheitert ist ebenso eine geplante Imagekampagne für den Harz - gedacht "nicht für Touristen, sondern für die Leute hier und zur Fachkräftegewinnung", erklärt Oliver Junk. "Tolle Firmen bieten tolle Jobs in toller Umgebung. Das wollten wir transportieren."
Von den Ländern habe es kein Geld gegeben. Für eine auf ein einzelnes Bundesland bezogene Kampagne hätte es bestimmt geklappt, vermutet der "EinHarz"-Intitiator.
Auch ein Plan für eine bessere Anbindung des Harzes an das Fernliniennetz der Deutschen Bahn verpuffte einfach. "EinHarz"-Geschäftsführer Frank Uhlenhaut wirkt etwas resigniert, wenn er sagt: "Es ist unglaublich schwierig, an Fördermittel zu kommen. Bei drei Ländern und fünf Landkreisen schert immer einer aus."
Ein ernüchterndes Fazit kommt auch aus Ilsenburg. "Es ist alles viel zäher, als ich es erwartet hatte", so Bürgermeister Loeffke. Er glaubt, dass es noch viel Zeit brauche, um voranzukommen.
Demografie als Chance?
Und die Zukunft? Da ist Oliver Junk Chancen optimistischer - trotz oder wegen der demografischen Entwicklung. Die Einwohnerzahlen sänken weiter und die Kassen der Kommunen würden klammer. Auch das Personalproblem werde sich verschärfen.
Gleichzeitig aber sollen die Standards gehalten werden. Da sei mehr denn je Kooperation zwischen Kommunen gefragt. "EinHarz" sei eine Plattform dafür. "Die Grundlage einer guten Zusammenarbeit ist Vertrauen. Und dieses Vertrauen haben wir uns in den vergangenen Jahren hier erarbeitet", resümiert Junk.
HARZLocal - neue Projekte im Blick
Ohnehin wird weiter fleißig an Projekten gearbeitet. Das jüngste Vorhaben der "EinHarz"-Initiative soll die Innenstädte attraktiver machen. Dabei helfen soll eine Digitalisierungsoffensive für Einzelhändler und Gewerbetreibende: Eine Plattform namens "HARZlocal" soll es auch kleineren Unternehmern ermöglichen, im Handumdrehen digitale Angebote zu platzieren und zielgenau Kunden zu erreichen. Zwölf Kommunen aus allen Teilen des Harzes schickten kürzlich Vertreter zur ersten Informationsveranstaltung.