Bericht zum Hanau-Anschlag Die Aufklärung geht nicht weit genug
Der Hanau-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags sollte auch aufklären, ob Behörden vor und nach dem Anschlag Fehler gemacht haben. Doch entscheidende Fragen blieben offen.
Einige im Hanau-Untersuchungsausschuss haben sich viel Mühe gemacht, der erste Ausschussvorsitzende von der SPD zum Beispiel. Dennoch muss man am Ende sagen: Die Aufklärung ging nicht weit genug. Ein Beispiel: der Notausgang am Tatort Arena-Bar in Hanau-Kesselstadt. In der Arena-Bar erschoss der rassistische Mörder zwei junge Männer, Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. Alle Barbesucher waren bei der Tat in den hinteren Teil der Bar geflüchtet und nicht zum Notausgang.
Mittlerweile ist klar, warum. Der Notausgang war in der Regel verschlossen, und so auch in der Tatnacht. Das bestätigten Barbesucher, die am frühen Abend versucht haben, durch die Tür nach draußen zu gehen, Polizistinnen und Polizisten, die den Tatort untersucht haben, und das legen Videoaufnahmen aus der Bar nahe. Der Untersuchungsausschuss hat hier wichtige Aufklärungsarbeit geleistet.
Weiterhin schwere Vorwürfe gegen die Polizei
Doch das reicht nicht, denn es gibt einen schwerwiegenden Verdacht. Nicht nur gegen den Barbetreiber, der die Tür offenbar abgeschlossen hat, sondern auch gegen die Polizei Hanau. Angehörige der Opfer sagen, die Polizei habe den Barbetreiber angewiesen, die Tür abzuschließen. Der Grund: Bei den zahlreichen Razzien in der Bar seien früher Gäste durch den Notausgang entkommen. Das habe die Polizei verhindern wollen. Besonders brisant: Ein Zeuge hat schriftlich bestätigt, er habe selbst mitbekommen, wie ein Polizist den Barbetreiber angewiesen hat, die Notausgangstür immer verschlossen zu halten.
Die Polizei ordnet an, einen Notausgang abzuschließen, Menschen können einem rechten Mörder deshalb nicht entkommen - einiges spricht dafür, dass es so war. Doch dieser mögliche Skandal taucht im Ausschussbericht nur am Rande auf. Und auch die hessische Justiz legt die Hände in den Schoß. Die Ermittlungen zum Notausgang wurden alle eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft sagt: Es komme gar nicht darauf an, was die Polizei zum Notausgang angeordnet habe. Denn es sei überhaupt nicht sicher, ob die Barbesucher vor dem Täter zum Notausgang geflüchtet wären, wenn der offen gewesen wäre. Vielleicht hätten sie das Risiko des Fluchtwegs gefürchtet. Vielleicht sei der verschlossene Notausgang gar nicht ausschlaggebend gewesen.
Dabei hatte eine Sachverständige im Untersuchungsausschuss doch eindeutig gesagt: Wenn Menschen wissen, dass ein Notausgang zu ist, dann laufen sie deshalb da nicht hin. Der verschlossene Notausgang war also ein wesentlicher Grund, dass die Barbesucher in der Falle saßen.
Generalbundesanwalt braucht mehr Kompetenzen
Schweres Versagen der Polizei, unter Umständen fahrlässige Tötung steht im Raum und kein hessisches Gericht klärt diese Vorwürfe auf. Und im Ausschussbericht betont auch nur das Sondervotum der Linken die Vorwürfe gegen die Polizei. Den Opfern von rechtem Terror wurde immer wieder versprochen, Behördenversagen aufzuklären. Wie Hanau zeigt geschieht das jedoch immer noch zu selten. Auch weil oft die Distanz fehlt, wenn eine staatliche Behörde das Versagen einer anderen aufklären soll.
Was ist zu tun? Wenn der Staat gegen sich selbst ermittelt, müssen dringend neue Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden. In anderen Staaten gibt es für solche Fälle unabhängige Sonderermittler.
Noch besser: Die Politik gibt dem Generalbundesanwalt diese Aufgabe. Der wäre nicht in den Justizapparat eines Bundeslandes verstrickt und könnte ganz unabhängig ermitteln. Zumindest diese Konsequenz muss die Politik ziehen. Denn das Attentat von Hanau war zwar die Tat eines rechten Mörders, aber sehr wahrscheinlich hat staatliches Versagen ihm die Tat leichter gemacht.