Großeinsatz der Polizei Geiselnahme am Hamburger Flughafen beendet
Die Geiselnahme am Hamburger Flughafen ist zu Ende. Der bewaffnete Mann, der am Samstagabend mit einem Auto und seinem vierjährigen Kind auf das Vorfeld des Airports gerast war, sei festgenommen worden, erklärte die Polizei.
Die Geiselnahme am Hamburger Flughafen ist beendet. Der 35-jährige Tatverdächtige habe zusammen mit seiner vierjährigen Tochter das Auto verlassen, teilte die Polizei mit. Der Mann habe sich widerstandslos festnehmen lassen, das Kind scheine unverletzt zu sein. Der Tatverdächtige sei in Obhut der Polizei, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün.
Die Geiselnahme, die den Flughafen Hamburg komplett lahmlegte, hatte am Samstag in Stade begonnen. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei geriet der 35 Jahre alte Mann dort aufgrund von Sorgerechtsstreitigkeiten mit seiner 39 Jahre alten Ex-Frau in eine psychische Ausnahmesituation. Vorausgegangen sei ein Streit, in dessen Verlauf der türkische Staatsbürger die Mutter des Kindes zur Seite gestoßen habe und dann mit der Vierjährigen im Auto in Richtung Hamburg geflüchtet sei. Die Mutter des Kindes erstattete danach eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Kindesentziehung bei der Polizei Stade.
Durchbruch am Flughafen mit "brachialer Gewalt"
Von Stade aus war der 35-Jährige zum Hamburger Airport gefahren. Am Flughafen durchbrach er gegen 20 Uhr mit seinem Auto, in dem auch seine Tochter saß, eine Absperrung am Tor zum Vorfeld des Airports. Der Airport erklärte, der Mann habe sich "mit einem Akt brachialer Gewalt Zutritt in einen mehrfach gesicherten Bereich verschafft". Das Auto sei mit hoher Geschwindigkeit durch eine Sicherheitssperre gelenkt worden. "Der Fahrer hat dabei keine Rücksicht darauf genommen, ob er sich selbst, seine Insassin oder das Personal an der Sicherheitsschleuse verletzen oder gefährden könnte." Die Terminals und Flugzeuge wurden daraufhin evakuiert, das Gelände weiträumig abgesperrt und der Flugbetrieb eingestellt.
Der Tatverdächtige schoss laut Polizei auf dem Gelände in die Luft und warf Brandsätze aus dem Wagen. Mehr als 18 Stunden lang stand sein Auto danach neben einer Maschine der Turkish Airlines. Über Stunden versuchte die Polizei, durch Verhandlungen die Geiselnahme unblutig zu beenden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte der Mann laut einem Polizeisprecher verlangt, mit seiner Tochter in die Türkei zu fliegen. Später sei dies aber nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen gewesen.
Mann fiel bereits 2022 auf
Bereits im März 2022 war in Stade gegen den Mann laut Polizei wegen des Verdachts der Entziehung Minderjähriger ermittelt worden. "Damals war er unberechtigt mit seiner Tochter in die Türkei gereist. Das Kind konnte im weiteren Verlauf jedoch von der Mutter wieder nach Deutschland geholt werden", teilte die Polizei mit. Der Mann wurde damals zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bereits während der Geiselnahme am Hamburger Flughafen durchsuchte die Polizei nach eigenen Angaben in Buxtehude die Wohnung des Tatverdächtigen. "Wir haben Beweismittel sichergestellt", sagte ein Sprecher der Polizeiinspektion Stade. Darüber hatte zunächst die "Hamburger Morgenpost" berichtet.
"Einer der schwierigsten Einsätze der jüngeren Geschichte"
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher dankte der Polizei auf X, früher Twitter, für "ihren Einsatz und das besonnene Vorgehen". Er wünschte der Mutter, dem Kind und ihrer Familie "viel Kraft, die schrecklichen Erlebnisse zu bewältigen." Landesinnensenator Andy Grote erklärte, es sei dem "hochprofessionellen und umsichtigen Umgang" der Polizei zu verdanken, dass die Geiselnahme ohne Verletzte beendet werden konnte. Er sprach auf X von einem der "längsten und schwierigsten Einsätze der jüngeren Geschichte".
Flugbetrieb wieder angelaufen
Der Flugbetrieb ist am Abend wieder angelaufen. "Der Flughafen hat wieder geöffnet", sagte ein Flughafensprecher der Nachrichtenagentur dpa. Die erste Maschine landete am späten Nachmittag. Im Laufe des Abend sind weitere Starts und Landungen geplant. Auf Bildern ist zu sehen, dass sich in den Terminals lange Schlangen von Passagieren bilden. Es sei weiter mit Ausfällen, Verspätungen und Störungen im Ablauf zu rechnen, sagte der Flughafensprecher. Infolge der Geiselnahme war der Flughafen für mehr als 20 Stunden geschlossen. Für Sonntag waren ursprünglich 286 Flüge mit 34.500 Passagieren geplant - 139 Abflüge und 147 Ankünfte. 213 Flüge mussten demnach gestrichen werden.
Polizeigewerkschaft fordert besseren Schutz
Angesichts der Geiselnahme entbrannt eine Debatte über die Sicherheitsstandards an Flughäfen in Deutschland. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, forderte mit Nachdruck einen besseren Schutz von Flughäfen. "Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt", sagte Teggatz.
Die Sicherheitskräfte waren den Flughafenangaben zufolge in Minutenschnelle vor Ort und der Flugbetrieb sei eingestellt worden. Selbstverständlich entsprächen die Sicherheitsmaßnahmen am Hamburg Airport den gesetzlichen Vorgaben – teilweise überträfen sie diese sogar. Die Alarmkette und -maßnahmen hätten unverzüglich gegriffen.
Solche Vorfälle zeigen nach Ansicht der Flughafen Hamburg GmbH, dass die Sicherheitskonzepte mit allen Beteiligten laufend neu bewertet werden müssen. Das gelte für die gesamte kritische Infrastruktur. Sicherheitskonzepte seien nicht statisch, sondern müssten immer wieder angepasst werden. "Wir arbeiten den Vorfall selbstverständlich mit den zuständigen Behörden und Sicherheitskräften auf", teilte Hamburg Airport mit.