Trotz Medizinermangel in Deutschland Viele ukrainische Ärzte warten auf Zulassung
Sie wollen arbeiten, dürfen es aber nicht: Mehr als 1.400 aus der Ukraine geflohene Ärzte warten auf die Bearbeitung ihrer Approbationsanträge durch die deutschen Behörden. Und das, obwohl sie hier dringend gebraucht werden.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 haben einem Medienbericht zufolge mindestens 1.674 geflüchtete ukrainische Ärztinnen und Ärzte einen Antrag auf Approbation gestellt, um in Deutschland praktizieren zu dürfen. Das berichtet die Welt am Sonntag nach einer Abfrage der zuständigen Ämter aller Bundesländer.
Demnach wurden bislang lediglich 187 Anträge bewilligt, 1.402 befinden sich noch in Bearbeitung. Die Zahlen basieren auf Rückmeldungen aus 14 Bundesländern. Bremen und Hessen konnten den Angaben zufolge nur unvollständige Daten liefern.
Die Wartezeiten seien nicht nur für Ukrainer so lang, heißt es im Bericht. Zwischen der Antragstellung durch Mediziner aus Ländern außerhalb der Europäischen Union und der Bewilligung ihrer Approbation liegen demnach typischerweise zwischen 15 Monaten und drei Jahren.
Kritik von Ärzten und Krankenhäusern
"Diese Bilanz ist verheerend", kritisierte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, in der Welt am Sonntag. Das Ausmaß der Bürokratie lähme mittlerweile auch dringende Prozesse wie die Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten.
Benötigt werde jetzt "eine echte Entbürokratisierungsoffensive", bevor alles zum Stillstand komme, sagte Gaß. Fachkräfte im Bürgergeldbezug zu belassen, statt sie dort einzusetzen, wo sie dringend gebraucht werden, könne man sich schlicht nicht mehr leisten.
Susanne Johna, Vorsitzende der Medizinervereinigung Marburger Bund, erklärte, Ärzte aus Drittstaaten entschieden sich immer häufiger für andere europäische Länder. Was ausländische Ärzte hier erlebten, sei "einfach nur frustrierend", so Johna.
Politiker sehen unterschiedliche Verantwortliche
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht ein generelles Problem. Die Tatsache, dass in Deutschland nicht einmal 30 Prozent der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einer Arbeit nachgingen, zeige, dass die deutschen Regeln falsch seien, so der CDU-Politiker.
Die aktuelle Einzelfallprüfung bei ukrainischen Ärzten sei aufwendig und nicht notwendig, sagte Kretschmer. "Besser wäre es, die entsprechenden Studiengänge und Universitäten zu zertifizieren, dann könnten Absolventen schneller eine Arbeit in Deutschland aufnehmen."
"Anerkennungsverfahren sind zu umständlich"
Andreas Philippi, SPD-Gesundheitsminister in Niedersachsen, sieht seinen Parteikollegen Karl Lauterbach in der Verantwortung. "Wir appellieren an den Bundesgesundheitsminister, die Bundesärzteordnung und Approbationsordnung so zu ändern, dass Anerkennungsverfahren digital, standardisiert und somit deutlich schneller erfolgen", sagte er. "Wir können es uns einfach nicht leisten, Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland bürokratische Steine in den Weg zu legen."
Für Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen liegt das Problem bei den Ländern: Die hohe Zahl der noch nicht beschiedenen Anträge zeige, "dass die aktuellen Anerkennungsverfahren dysfunktional, viel zu umständlich und sehr bürokratisch durch die Bundesländer organisiert sind". Dabei entspreche die medizinische Ausbildung in europäischen Nachbarstaaten wie der Ukraine durchaus den Standards in EU-Nachbarländern.