Georg Gänswein

Ex-Privatsekretär von Benedikt XVI. Demütig zurück ins Erzbistum Freiburg?

Stand: 02.06.2023 18:01 Uhr

Das Verhältnis zwischen Franziskus und Erzbischof Gänswein ist seit Langem angeschlagen. Jetzt schickt der Papst den Ex-Privatsekretär seines Vorgängers laut Medienberichten zurück ins Erzbistum Freiburg. Eine weitere Demütigung?

Von Christian Wölfel

Zurück ins Erzbistum Freiburg - in die Heimat, als Privatmann. Das ist einem Bericht der Zeitung "Welt" zufolge die Zukunft von Erzbischof Georg Gänswein. Bis zum 1. Juli müsse der ehemalige Privatsekretär des Silvester vergangenen Jahres verstorbenen ehemaligen Papstes Benedikt XVI. den Vatikan verlassen.

Das habe Papst Franziskus dem deutschen Kurienerzbischof am 19. Mai in einer Privataudienz mitgeteilt, berichtet die Zeitung und beruft sich dabei auf "mehrere hochrangige Kirchenquellen".

Versetzung noch von keiner Seite bestätigt

Gänswein selbst wollte den Bericht auf Anfrage mehrerer Medien nicht kommentieren. Vom Erzbistum Freiburg heißt es, dass dort bisher keine Informationen vorlägen. Entsprechend könne man die Personalentscheidung weder bestätigen noch dementieren. Die vatikanische Pressestelle hatte lediglich am 19. Mai die Privataudienz im täglichen Bulletin aufgelistet - wie immer ohne Angaben zu den Gesprächsinhalten.

Doch genau dort müsste, wenn der Bericht stimmt, die Personalie irgendwann auftauchen. Schließlich war Gänswein nicht nur Privatsekretär von Benedikt XVI., sondern auch Präfekt des Päpstlichen Hauses. Als solcher müsste er dann offiziell entlassen werden, sagt Stefan von Kempis von Radio Vatikan im Gespräch mit tagesschau.de.

Keine Demut ohne Demütigung?

Die Ernennung als Präfekt erfolgte noch durch den deutschen Papst. Franziskus hat ihn in diesem Amt bis heute offiziell belassen. Inoffiziell aber ist Gänswein schon seit 2020 nicht mehr an der Seite des Pontifex. Der hatte ihn damals vom täglichen Erscheinen im Apostolischen Palast entbunden. Die Begründung damals: So habe er mehr Zeit, sich um den emeritierten Papst zu kümmern.

"Schockiert und sprachlos" sei er gewesen, so beschreibt Gänswein später seine Gefühle, nachdem Franziskus ihm seine Entscheidung mitgeteilt habe. Er spricht in seinem kurz nach dem Tod von Benedikt XVI. erschienenen Buch "Nichts als die Wahrheit" davon, gedemütigt worden zu sein. Dies sei aber typisch für die Spiritualität von Franziskus, so von Kempis. Der Papst habe immer wieder davon gesprochen, dass es keine Demut ohne Demütigung gebe.

Papst Franziskus spricht bei seiner wöchentlichen Generalaudienz in der Vatikanischen Audienzhalle mit Kurienerzbischof Georg Gänswein

Erzbischof Georg Gänswein fühlt sich von Papst Franziskus (r.) gedemütigt.

Gänsweins Verhältnis zu Franziskus ist belastet

Dass Gänswein in dem Buch kurz nach Benedikts Tod so offen über das Verhältnis der beiden Päpste und auch die abweichenden Positionen von Vorgänger und Nachfolger schreibt, habe das Verhältnis des deutschen Kurienerzbischofs zum argentinischen Pontifex weiter belastet, so heißt es in Rom. Auch wenn es auch dazu nie eine offizielle Stellungnahme gab.

Umso wilder sind die Spekulationen, die es seit dem Tod des deutschen Papstes über die neue Aufgabe für Gänswein gibt. So wähnten manche ihn schon in Costa Rica, als Botschafter des Vatikans. Andere sahen ihn auf einem der derzeit vakanten Bischofsstühle in Deutschland, nämlich in Bamberg, Osnabrück oder Paderborn.

Auch eine akademische Laufbahn wäre für Gänswein eine Option, sagt von Kempis. Schließlich hatte er einen Lehrauftrag als Kirchenrechtler an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz, die zum Opus Dei gehört.

Andere Privatsekretäre wurden befördert

Auf jeden Fall ist Gänswein mit 66 Jahren für katholische Verhältnisse zu jung für den Ruhestand. Bei Erzbischöfen liegt die Altersgrenze bei 75 Jahren. "Er wird noch etwas Ordentliches arbeiten wollen", sagt der "Radio-Vatikan"-Journalist. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Erzbischof Gänswein irgendwo beschäftigungslos rumsitzt, dafür ist er nicht der Typ."

Irgendwo, das ist zunächst nun einmal das Erzbistum Freiburg, aus dem er stammt und in dem er Priester ist. Gänswein wurde in Riedern am Wald geboren und ist immer wieder zu Besuch in seiner Heimat.

Zumindest folgt er in diesem Schritt Stanislaw Dziwisz, dem Privatsekretär von Johannes Paul II. Zwei Monate nach dessen Tod verließ Dziwisz den Vatikan ebenfalls Richtung Heimat. Doch er wurde von Benedikt XVI. befördert, zum Erzbischof von Krakau. Das Beispiel früherer Privatsekretäre taugt nicht per se als Vorbild: "Es gibt überhaupt sehr wenige Präzedenzfälle", sagt von Kempis.

Ist für Gänswein die "Phase des Überlegens" zu Ende?

So wurde Loris Capovilla, Assistent von Johannes XXIII., zunächst 1967 zum Erzbischof von Chieti ernannt, vier Jahre später wurde er "Päpstlicher Delegat" für den großen italienischen Marienwallfahrtsort Loreto. Pasquale Macchi war 24 Jahre lang persönlicher Sekretär von Giovanni Battista Montini, dem späteren Papst Paul VI. Der Sekretär ging nach dem Tod des Papstes in seine Heimatpfarrei Varese zurück. Später übernahm er die Stelle Capovillas in Loreto und wurde zum Erzbischof ernannt.

Für Gänswein ist Vergleichbares nicht in Sicht. Er selbst hatte immer wieder betont, dass seine Zukunft in der Hand des Papstes liegt. Noch zwei Tage vor der Privataudienz am 19. Mai sprach der Erzbischof in Wiesbaden von einer "Phase des Überlegens". Die scheint Franziskus nun beendet zu haben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 02. Juni 2023 um 15:00 Uhr.