Zehn Jahre Papst Franziskus Der ausgebremste Reformer
Seit zehn Jahren ist Papst Franziskus Oberhaupt der katholischen Kirche. Der volksnah und bescheiden auftretende Argentinier weckte viele Hoffnungen auf Reformen. Doch im Laufe der Jahre ist Ernüchterung eingekehrt.
Nein, an einen Rücktritt denkt Papst Franziskus nicht. Trotz angeschlagener Gesundheit. Mit seinem typisch trockenen Humor antwortete er jüngst in einem Interview: "Mir geht's gut. Es ist alles normal für mein Alter. Auch wenn ich morgen sterben könnte."
Gerade in den vergangenen Monaten waren immer wieder Rücktrittsgerüchte aufgetaucht. Der 86-Jährige leidet an Knieschmerzen, und eine Darmerkrankung, wegen der er im vergangenen Sommer operiert werden musste, ist zurückgekehrt.
Doch wer den Papst aus der Nähe beobachtet, erlebt einen Mann, der immer auf dem Sprung zu sein scheint - obwohl er oft an den Rollstuhl gebunden ist. Bei seiner jüngsten Reise in den Sudan und in den Kongo waren ihm die Anstrengungen kaum anzumerken, im Gegenteil.
Franziskus bringt etwas Neues in Gang
Der umtriebige Südamerikaner hat noch viel vor mit seiner Kirche. Gerade hat er sie auf einen weltweiten synodalen Prozess geschickt. Dabei können alle Gläubigen sagen, was sie umtreibt und was sie ändern möchten. Bei der Weltsynode Ende 2024 soll dieser Prozess abgeschlossen werden.
Es ist ein hehres Projekt, Details sind unklar. Doch sicher ist: Papst Franziskus bringt damit etwas völlig Neues in Gang, dessen Ergebnis zwar noch völlig offen ist, aber das der Kirche wahrscheinlich ein anderes Gesicht geben wird.
Groß waren die Hoffnungen, als der Neue am Abend des 13. März 2013 auf der Loggia des Petersdoms die Gläubigen mit "Fratelli e sorelle, buona sera!" begrüßte. Wie nahe wirkte er da, auf Du und Du mit dem Nächsten.
"Der Karneval ist vorbei"
Bescheiden und einfach gab sich Jorge Mario Bergoglio als Papst von Beginn an, die prachtvollen Gewänder und roten Schuhe wollte er nicht anziehen: "Der Karneval ist vorbei", sagte er. Stattdessen fuhr er als erstes zu den Flüchtlingen auf der Insel Lampedusa und kritisierte die grassierende Gleichgültigkeit.
"Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, nur an uns selbst zu denken, macht uns unempfindlich gegen die Schreie der anderen. Sie lässt uns in Seifenblasen leben, die schön sind, aber nichts. Die eine Illusion des Nichtigen, des Flüchtigen sind, die zur Gleichgültigkeit gegenüber den anderen führen."
Der Mann, der sich als erster Papst Franziskus nennt - nach dem Bettelmönch Franz von Assisi - hat die Benachteiligten, die Vergessenen im Blick. Da Franziskus von der südlichen Hemisphäre kommt, so meint der langjährige deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, bringt er nun auch die Probleme der südlichen Hemisphäre auf die Tagesordnung der Universalkirche. Mit ihm sei die Kirche tatsächlich eine Weltkirche geworden, nicht mehr nur eine europäische Kirche.
Segnung Homosexueller und Priesterweihe von Frauen
Neue Töne schlägt der Papst auch gegenüber Homosexuellen an. "Wenn ein Mensch schwul ist und guten Willens den Herrn sucht, wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte?", meinte er bereits 2013. Doch im Laufe der Jahre änderte er nicht die offizielle Lehrmeinung, die Segnung von homosexuellen Paaren verbietet der Vatikan weiterhin.
Auch die Priesterweihe von Frauen lehnt der Argentinier ab, gerade hier sind die Enttäuschungen groß. Gleichzeitig hat Franziskus die Frauen an der Kurie einflussreicher gemacht. Für die Bischofssynode etwa holte er die französische Schwester Nathalie Becquart als Untersekretärin. Als erste Frau überhaupt in der Geschichte der katholischen Kirche hat sie in der Bischofssynode ein Stimmrecht.
An der Kurie hat Franziskus einiges auf den Kopf gestellt, oft zum Unmut der Beteiligten. "Eine Kirche, die sich nur um sich selbst dreht, ist krank", hatte er zu seinen Kardinalskollegen vor seiner Wahl gesagt. Der Papst baute die Struktur um, öffnete die Leitungsebene für Laien und Frauen und verordnete mehr Transparenz bei den Finanzgeschäften des Vatikans. 2022 wurde die Kurienreform abgeschlossen.
Keine Bewegung beim Zölibat
An anderen Stellen bewegt sich der Papst nicht, etwa beim Zölibat - obwohl sich die Amazonas-Synode 2019 wegen eines eklatanten Priestermangels in der Region mehrheitlich für die Weihe von bewährten, verheirateten Männern ausgesprochen hatte. Franziskus lässt sich auch nicht gerne reinreden. Die Causa Woelki liegt seit Monaten auf seinem Tisch. Der Erzbischof von Köln hatte seinen Rücktritt eingereicht. Er wolle sich nicht drängen lassen, lässt der Jesuit Franziskus wissen.
Auch gegenüber dem Synodalen Weg, dem Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland, trifft er nicht immer den richtigen Ton. Wenn er sagt, dass es dort schon eine "sehr gute evangelische Kirche gibt - wir brauchen nicht zwei davon", zeugt das von wenig Einfühlungsvermögen. Obwohl er sonst oft Empathie zeigt.
Spagat zwischen Reformern und Konservativen
Dem Papst weht der innerkirchliche Gegenwind oft scharf entgegen. Den hat auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, wahrgenommen. Seinen Worten nach habe es der Papst schwer in seiner eigenen Kurie. Es gebe gewiss viele, die ihn verstehen und unterstützen. Aber es gebe auch viele Abwartende. "Und er hat auch Gegner in seinen Reihen, in den Reihen der eigenen Kurie."
Der Kampf zwischen Reformern und Bewahrern ist nach dem Tod von Benedikt XVI. erneut sichtbar geworden. Innerkirchliche Kritiker wie der verstorbene einflussreiche Kardinal George Pell bezeichnen das Pontifikat von Franziskus als Desaster, und auch andere hohe Geistliche hat er sich mit seiner Hinwendung zu einer menschlicheren Kirche zu Gegnern gemacht.
"Er darf die Kirche nicht spalten"
Dabei, so meint der Jesuitenpater Hans Zollner, verstehe sich Franziskus im wahrsten Sinne des Wortes als Pontifex - als Brückenbauer. "Er möchte die Liberalen und die Konservativen, die Linken und die Rechten zusammenhalten. Er möchte eine Brücke sein und er möchte weder die einen noch die anderen vor den Kopf stoßen, sodass die dann ins Exil gehen oder sich ganz von der Kirche verabschieden. Und ich glaube, dass ihm das ein großes Anliegen ist."
Als das Oberhaupt von knapp 1,4 Milliarden Katholiken in der Welt müsse er die Einheit wahren, betont Kardinal Walter Kasper. "Ein Papst ist nicht so allmächtig, wie die Leute sich das vorstellen. Er muss auf die Situation der Kirche achten und der gerecht werden. Er darf die Kirche ja nicht spalten."
Kampf gegen Missbrauch
Als Franziskus die Kirche 2013 übernahm, steckte sie bereits in einer tiefen Krise. Angesichts des weltweiten Missbrauchs von Minderjährigen durch Kirchenleute hatte sie ihre Glaubwürdigkeit verloren. Vor allem die Vertuschung vieler Skandale führte zur Empörung. Franziskus verschärfte das Strafrecht der Kirche und baute die Prävention aus, im Gespräch mit Betroffenen sucht er immer wieder deren Nähe.
Gerade diese Zuwendung dem Anderen gegenüber ist eine seiner großen Stärken. Bei seinen zahlreichen Reisen von Brasilien über Kuba und Irland hin zum Irak oder Kanada ist das zu spüren, in der persönlichen Begegnung blüht Franziskus regelrecht auf.
"Ja, er ist ein Reformer. Das ist ganz eindeutig. Aber eben nicht in dem Sinne, wie man es in Deutschland manchmal will", sagt Kardinal Kasper. Sicher ist: In seinen zehn Jahren hat der argentinische Papst einiges auf den Kopf gestellt und ins Rollen gebracht. Vielleicht nicht unbedingt als Reformer, aber sicher als Türöffner.