Papst appelliert an EU Mit Solidarität gegen Populisten
Die Europäer sollten Solidarität in den Fokus rücken, sie sei wirksamstes Heilmittel gegen Populisten: Diesen Appell richtete Papst Franziskus bei einer Audienz an die EU-Staats- und Regierungschefs. Die EU brauche eine neue Vision, sonst könne sie auch scheitern.
Papst Franziskus hat die Europäer dazu aufgerufen, dem europäischen Projekt mehr Schwung zu verleihen. "Das erste Element europäischer Lebenskraft ist die Solidarität", sagte er bei einer Audienz für die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder ohne Großbritannien im Vatikan. Die Politiker feiern dort an diesem Wochenende den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die den Grundstein für die europäische Einigung legten.
Solidarität sei das wirksamste Heilmittel gegen die modernen Formen des Populismus, dürfe aber nicht nur aus Worten bestehen, ergänzte Franziskus: "Die Solidarität ist nicht nur ein guter Vorsatz. Sie ist gekennzeichnet durch konkrete Taten und Handlungen". Populistische Strömungen seien dagegen "Blüten des Egoismus".
Europa mehr als die Summe von Regeln
Die Gründungsideale der Europäischen Union dürften nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Erfordernisse reduziert werden, sagte der Papst weiter. Europa sei mehr als die Summe einzuhaltender Regeln, "nicht ein Handbuch von zu befolgenden Protokollen und Verfahrensweisen".
Sollte die EU keine neuen Visionen entwickeln, könne sie auch scheitern. "Die Angst, die man häufig wahrnimmt, findet nämlich ihren tieferen Grund im Verlust der Ideale."
Kanzlerin Merkel, Rumäniens Präsident Klaus Iohannis (rechts neben ihr) und weitere EU-Regierungschefs hören den Worten von Papst Franziskus zu.
Geistige Offenheit als Europas Reichtum
Franziskus wandte sich zudem gegen eine Abschottung. Dies betreffe die Aufnahme von Staaten als auch Hilfe für Länder, die von Armut, Krankheiten und Kriegen betroffen seien. Man dürfe die Flüchtlingskrise nicht nur als Verwaltungsaufgabe sehen. Es gehe auch um die Frage der kulturellen Identität. Der Reichtum Europas sei immer seine geistige Offenheit gewesen.
"Europa hat ein ideelles und geistiges Erbe, das einzigartig ist auf der Welt. Dieses ist es wert, mit Leidenschaft und neuer Frische wieder aufgegriffen zu werden. Es stellt das beste Heilmittel gegen das Vakuum an Werten unserer Zeit dar, jenen fruchtbaren Boden für Extremismen aller Art."
Die 27 Staats- und Regierungschefs wollen am Samstag mit einer Erklärung von Rom auch die Grundlage für die Entwicklung der Union in den kommenden zehn Jahren nach dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens legen. Die britische Premierministerin Theresa May nimmt an dem Treffen nicht teil. In der Erklärung wird unter anderem ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten beschrieben, in dem nicht alle Mitgliedstaaten sofort Integrationsschritte mitgehen müssen.