Frauenhäuser Überbelegt und unterfinanziert
In Deutschland erlebt alle vier Minuten eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Jeden dritten Tag tötet ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Schutz können Frauenhäuser bieten. Doch es fehlt an Plätzen.
"Gewalt ist nie privat" steht auf der Internetseite des Frauenhauses in Koblenz. Verbunden mit der Aufforderung, sich bei Bedarf telefonisch zu melden. Eine Adresse findet man hingegen nicht - zum Schutz der Bewohnerinnen und ihrer Kinder. Betrieben wird die Einrichtung seit 25 Jahren vom Sozialdienst katholischer Frauen, SkF.
Das Frauenhaus bietet Platz für sieben Frauen und ihre Kinder, sie leben in der Einrichtung wie in einer WG zusammen, werden aber psychologisch betreut. Darüber hinaus helfen die Mitarbeiterinnen den Frauen, ein eigenständiges Leben aufzubauen, suchen mit ihnen Jobs und Wohnungen. SkF-Geschäftsführerin Stefanie Coopmeiners erzählt, mehr als 2.000 Frauen und Kindern habe man bislang Schutz bieten können. Nicht selten wurden und werden Schutzbedürftige von der Polizei ins Frauenhaus gebracht - um zu verhindern, dass sie weiter misshandelt oder gar getötet werden.
Frauen und Kinder müssen abgewiesen werden
Gewalt in engen sozialen Beziehungen gibt es nach Angaben des Vereins Frauenhauskoordinierung in allen Gesellschaftsschichten. Auf einen Platz im Frauenhaus angewiesen seien aber vor allem Frauen, die staatliche Hilfe beziehen, finanziell von ihrem Partner abhängig sind oder von diesem kontrolliert werden.
Sie könnten sich beispielsweise meist keine Ferienwohnung als vorübergehende Bleibe leisten. Stefanie Coopmeiners vom SkF sagt, wie überall in Deutschland sei auch in Koblenz die Nachfrage nach Plätzen wesentlich größer als das Angebot. Vielen Mitarbeitenden mache das zu schaffen. Es sei schwer auszuhalten, wenn man einer von Gewalt bedrohten Frau und ihren Kindern keinen Unterschlupf bieten könne.
Mehr als 14.000 Plätze fehlen
Aktuell gibt es in Deutschland etwa 6.800 Frauenhausplätze. Laut der Istanbul-Konvention müssten es rund 21.000 sein. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist seit 2018 in Deutschland geltendes Recht. Der Staat ist somit verpflichtet, Frauen und Kindern mehr Schutzräume anzubieten. Dass Deutschland diesbezüglich Nachholbedarf hat, wurde unlängst bei einer Anhörung im UN-Menschenrechtsrat in Genf thematisiert.
Auch die Bundesregierung sagt, es müsse dringend etwas getan werden. Im Koalitionsvertrag hat sie sich verpflichtet, einen "bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche und verbindliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherzustellen" und das Hilfesystem "bedarfsgerecht" auszubauen. Über diesen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen verhandeln Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände seit geraumer Zeit. Bislang ohne Ergebnis. Die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser mahnt deshalb zur Eile. Das noch kurze Zeitfenster in dieser Legislatur müsse genutzt werden, um einen wirksamen und bundesweit einheitlichen Gewaltschutz für Frauen und Kinder auf den Weg zu bringen.
Flickenteppich bei der Finanzierung
Das sieht auch Elisabeth Oberthür vom Verein Frauenhauskoordinierung so. Sie sagt, schon viel zu lange entscheide vor allem der Wohnort darüber, ob und zu welchen Bedingungen jemand einen Platz im Frauenhaus bekomme. Einzig in Schleswig-Holstein sei die Finanzierung über ein Landesgesetz abgesichert.
In Baden-Württemberg oder dem Saarland hingegen erfolgt die Finanzierung nach Angaben von Oberthür über individuelle Leistungsansprüche der Frauen. Frauen, die nicht sozialleistungsberechtigt sind, müssen dort für ihren Aufenthalt im Frauenhaus selbst zahlen.
In Berlin beispielsweise seien die Zuschüsse für Frauenhäuser wiederum freiwillige Leistungen. Und in einer ganzen Reihe von Ländern wie Rheinland-Pfalz gebe es eine Mischfinanzierung. So bekommt das Frauenhaus in Koblenz Geld vom Land, der Stadt und einem Förderverein. Außerdem müssen die Frauen für sich und ihre Kinder 21 Euro pro Tag und Person bezahlen.
Elisabeth Oberthür sagt, weil es bislang keine bundesweit verbindliche Finanzierung gebe, müssten Frauenhäuser viel zu viel Zeit und Kreativität aufwenden, um immer wieder aufs Neue Gelder zu beantragen. Vielerorts fehle schlichtweg die Planungssicherheit. Es sind keine guten Voraussetzungen dafür, dass Frauenhäuser ausgebaut werden.
Bund fördert Ausbau von Frauenhäusern
Parallel zu den Finanzierungsverhandlungen mit Ländern und Kommunen hat der Bund 2020 ein Investitionsförderprogramm gestartet. Es heißt "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" und soll unter anderem den Aus- und Neubau von Frauenhäusern ermöglichen. Nach Angaben des Bundesfrauenministeriums wurden im Rahmen des Programms bislang rund 78,9 Millionen Euro bewilligt.
Der Verein Frauenhauskoordinierung sieht darin prinzipiell einen großen Schritt in die richtige Richtung. Sprecherin Elisabeth Oberthür sagt, vor allem Frauenhäuser kleiner Träger beklagten jedoch, dass die zweistufige Beantragung zu aufwändig und kompliziert sei.
Bürokratie behindert Ausbau
Das hat auch das Frauenhaus Koblenz erfahren müssen. Die Einrichtung, beziehungsweise ihr Trägerverein SkF, haben vom Bund zwar rund eine Million Euro bewilligt bekommen, um damit unter anderem acht zusätzliche Plätze für Frauen und Kinder einzurichten. Weil die Bewilligung alles in allem fast drei Jahre lang gedauert hat, ist es nach Angaben des Trägers aber fraglich, ob das Projekt überhaupt umgesetzt werden kann. Denn da das Förderprogramm 2024 endet, muss das Geld bis spätestens dann investiert werden. Die ersten 150.000 Euro müssen sogar noch dieses Jahr ausgegeben werden. Nach Ansicht von Stefanie Coopmeiners ist das auch wegen des Handwerkermangels nahezu unmöglich.
Dass die Bewilligung so lange gedauert hat, erklärt das Bundesfrauenministerium unter anderem damit, dass bei vielen Anträgen Beratungs- und Nachbesserungsbedarf bestehe. Der SkF hält dagegen, dass man etwa neun Monate lang bei der zuständigen Bewilligungsstelle keinen Ansprechpartner gehabt habe. Zudem sei das Personal ohnehin ständig ausgetauscht worden.
Hoffen auf Frauenministerin Paus
Stefanie Coopmeiners hat deshalb Bundesfrauenministerin Lisa Paus angeschrieben. Mit der Bitte, dass ihr Verein das bewilligte Geld komplett im kommenden Jahr ausgeben darf. Sollte das nicht möglich sein, wird das Koblenzer Frauenhaus gar nicht erweitert. Denn wenn die 150.000 Euro Fördergeld für dieses Jahr verfallen, fehlt dem Träger schlichtweg das Geld für den Ausbau. Die Folge: Der Verein würde dann die komplette Fördersumme nicht abrufen.
Coopmeiners nennt das eine völlig absurde Situation, die bei ihr und ihren Mitarbeitenden zu viel Frust führt. Sie sagt, die Hauptleidtragenden wären aber letztendlich wieder einmal Frauen und Kinder, die von Gewalt bedroht sind. Das Bundesfrauenministerium will nach eigenen Angaben alles dafür tun, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgezahlt werden. Dazu muss der Träger des Frauenhauses Koblenz aber erst mal einen Änderungsantrag stellen. In der Hoffnung, dass dieser dieses Mal schneller bearbeitet wird.