Bilanz der Förderung Hat das Digitale Schule gemacht?
Tafel und Kreide statt Tablet und Smartboard. Die Corona-Pandemie hat die Defizite an vielen Schulen offengelegt. Dabei hatte der Bund bereits 2019 Milliarden Euro bereitgestellt. Höchste Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen.
Geld ist eigentlich genügend da. Bereits 2019 hat die Bundesregierung den milliardenschweren "DigitalPakt Schule" auf den Weg gebracht, der inzwischen durch verschiedene Corona-Hilfen ergänzt wurde. Manche Schulen haben davon profitiert.
Ein Beispiel ist die Lukas-Schule in München. Als der zweite Lockdown kam, ging es an der evangelischen Privatschule sehr schnell: Die digitale Infrastruktur wurde ausgebaut, und alle Schüler, die ein Tablet brauchten, wurden ausgestattet, so dass kurzfristig auf Online-Unterricht umgestellt werden konnte - von der Grundschule bis zum Gymnasium.
All das auch dank staatlicher Hilfen, betont Geschäftsführer Martin Wagner. Es gebe Förderung sowohl für die IT-Infrastruktur als auch für die Tablets für Lehrende sowie Schülerinnen und Schüler. Allerdings: Die Verfahren zur Beschaffung seien ziemlich kompliziert, oft müsse man auch den Weg einer EU-Ausschreibung gehen. "Das ist sehr langwierig und kompliziert - aber da muss man durch", sagt Wagner. Unterm Strich ist er aber zufrieden. Die Lukas-Schule sei einen großen Schritt in Sachen Digitalisierung vorangekommen - eine Art positiver Effekt von Corona.
Branchenverband kritisiert Bürokratie
Achim Berg ist da kritischer. Er ist der Präsident des Verbands Bitkom, der die digitale Wirtschaft vertritt. Dass es die staatlichen Förderprogramme gebe, sei gut - darauf habe sein Verband immer gedrängt. Doch im konkreten Fall einer Schule habe er miterlebt, wie kompliziert das Antragsverfahren sei. Mehr als 70 Seiten habe man ausfüllen müssen.
Sein Fazit fällt daher nicht so rosig aus: "Wenn Sie mich fragen, ob die Schulen in Sachen Digitalisierung ready sind, ob sie gar für einen weiteren Lockdown gerüstet sind, dann habe ich - auch, wenn es sicher positive Ausnahmen gibt - starke Zweifel."
Was Berg andeutet: Um an die staatlichen Gelder zu kommen, mussten Schulen zumindest in der Anfangsphase erst einmal ein ausführliches "Pädagogisch-Technisches Einsatzkonzept" formulieren. Vereinfacht gesagt: Man musste konkret beschreiben, in welcher Form die digitalen Hilfsmittel zum Einsatz kommen sollen.
"Es hängt von den Lehrkräften ab"
Doch wie soll man das machen, wenn man noch viel zu wenig Erfahrungen mit dem Digitalen hat, fragt Margit Stumpp, Bildungs- und Digitalpolitikerin der Grünen im Bundestag. Sie schlägt vor, die Reihenfolge zu ändern: Erst sollte die digitale Infrastruktur vorhanden sein - von Internet-Anschlüssen über WLAN bis zu Geräten - dann könnten die Schulen die für die Förderung notwendigen Medienprogramme entwickeln.
Hauptproblem für die zu geringe Digitalisierung sei, dass es bislang vom Zufall abhänge, ob eine Schule hier Fortschritte mache oder nicht, so die Grünen-Politikerin. "Es hängt ganz einfach davon ob, ob es engagierte Lehrkräfte vor Ort gibt, die sich mit der Technik auseinandersetzen."
Stumpp schlägt daher vor, Profis zu beauftragen, die an den Schulen für die Betreuung der IT-Infrastruktur und die Fragen der Nutzerinnen und Nutzer zuständig sind. Dafür müsse die Politik aber weitere Gelder zur Verfügung stellen.
Womit das Problem der Folgekosten der Digitalisierung angesprochen ist: Offenbar scheuen sich viele Schulaufwandsträger, Geld aus dem "DigitalPakt" zu beantragen, weil sie fürchten, auf den laufenden Kosten für die IT sitzen zu bleiben. Auch das dürfte einer der Gründe dafür sein, dass bislang nur ein Bruchteil der staatlichen Fördergelder ausgezahlt wurde. Knapp 500 Millionen Euro waren es Ende 2020, von den mehr als sechs Milliarden Euro, die zugesagt wurden.
Je früher, desto besser
Der Bildungsforscher und Pädagoge Wassilios Fthenakis warnt aber davor, bei der Digitalisierung des Bildungssystems allein ans Geld zu denken: "Ein Bildungssystem, das die Transformation in die digitale Ära vollziehen möchte, muss mehr tun als nur eine Infrastruktur bereitzustellen", betont der griechisch-deutsche Wissenschaftler.
Gefragt, mit welcher Note er die Digitalisierung der Schulen bewerten würde, kommt er gerade mal auf eine "Vier minus". Nach wie vor gebe es kaum pädagogische Konzepte für den Einsatz digitaler Geräte an den Schulen. Wichtig seien auch Weiterbildungen für Lehrende. Hier gebe es auch nach Corona viel Nachholbedarf, so Fthenakis. Fast alle Kinder würden heute in ihren Familien mit der Internet-Kultur aufwachsen. Daher gelte: Je früher die Medienpädagogik beginne, desto besser.