Digitalpakt Schule "Einmal fünf Milliarden wird nicht reichen"
Vor einem Jahr haben sich Bund und Länder auf den Digitalpakt Schule geeinigt. Für fünf Milliarden Euro sollten die Schulen für die Digitalisierung fit gemacht werden. Doch es gibt bereits Forderungen nach mehr Geld.
Am Abend des 20. Februar 2019 stand endlich der Kompromiss. Nach mehr als zwei Jahren zäher Verhandlungen war klar: Die Einigung von Bund und Ländern auf den Digitalpakt steht, die Grundgesetz-Änderung kann kommen. Fünf Milliarden Euro sollten so vom Bund an die Schulen fließen und die Digitalisierung vorantreiben.
Als die sichtlich zufriedene Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor die Presse trat, sagte sie: "Jetzt können wir dafür sorgen, dass digitale Bildung in den Schulen ankommt". Auf Länderseite drückte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Haltung zum Kompromiss etwas reservierter aus, es sei ihm "noch nie so schwer gefallen, einem Kompromiss zuzustimmen, wie diesem."
Länder pochten auf Bildungshoheit
Die Länderchefs befürchteten, das föderale System könnte weiter ausgehöhlt werden, der Bund künftig die Schulpolitik in den Bundesländern bestimmen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte darauf gepocht: "Bildungspolitik ist Urkompetenz der Länder". Also vereinbarten beide Seiten, dass das Geld vor allem dazu genutzt wird, die Infrastruktur an den Schulen zu verbessern - durch die Anschaffung von digitalen Tafeln und WLAN zum Beispiel. Die Aus- und Fortbildung sollte in Länderhand bleiben, die Schulen pädagogische Konzepte entwickeln.
Bundesbildungsministerin Karliczek war dieser sogenannte Dreiklang wichtig, das betont sie auch heute noch. Im Bayerischen Rundfunk spricht sie von einem Erfolg, 'auch wenn man es vielleicht an den Schulen noch nicht sieht."
Bisher nur 40 Millionen abgerufen
Denn an den Schulen ist tatsächlich noch kaum etwas zu sehen. Ein Jahr später haben die Länder gerade einmal 40 Millionen Euro bewilligt. Das ergab eine Abfrage des BR bei den zuständigen Länder-Ministerien. Der Digitalpakt - also gescheitert? Für Karliczek war das "erwartbar". Man wolle sicherstellen, dass "digitale Bildung unter pädagogischen Gesichtspunkten" in die Schulen komme, und das dauere eben ein bisschen.
Tatsächlich haben die Bundesländer die Vorgaben aus Berlin mit sehr unterschiedlichem Eifer umgesetzt: Nachdem der Pakt am 17. Mai vergangenen Jahres in Kraft trat, setzte beispielsweise Sachsen die Förderrichtlinie noch im selben Monat um, bereits im Juni konnten Schulen ihre Anträge einreichen. Inzwischen wurden dort bereits 12,1 Millionen Euro freigegeben, verteilt auf 20 Projekte. Zum Vergleich: In Bayern stehen die Antragsformulare seit Mitte Dezember bereit. Einen einzigen hat das Kultusministerium bisher bewilligt.
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sieht sich trotzdem auf einem guten Weg: Man habe sich gut zusammengerüttelt. Es brauche immer seine Zeit. 51 weitere Anträge warten in Bayern darauf, genehmigt zu werden. Ihr Gesamtumfang: gut sieben Millionen Euro. Zum Vergleich: Dem Freistaat stehen insgesamt 778 Millionen Euro aus dem Topf zur Verfügung.
Bayern hat Diskussionsbedarf
Auch in Berlin gibt man sich zufrieden, Karliczek sieht keinen Grund zur Eile. Die ersten - offiziellen - Zahlen werden erst für Mitte März erwartet. Sie scheint trotzdem Reformbedarf zu erkennen. Die Ministerin wolle mit den Ländern diskutieren, ob "noch intensivere Beratung stattfinden kann" und so der Prozess eventuell beschleunigt wird.
Die Bayerische Staatsregierung hat ebenfalls Diskussionsbedarf. Allerdings an anderer Stelle: "Da werden wir sicherlich nochmal in Verhandlungen mit dem Bund treten müssen", sagt Piazolo, "weil das schon so ein beliebtes Spiel ist. Der Bund stellt was ins Schaufenster und dann? Die Länder und die Kommunen dürfen das dann auch noch bezahlen". Da müsse es schon zu einer guten Zusammenarbeit kommen. "Einmal fünf Milliarden insgesamt deutschlandweit wird nicht reichen."
Was ist in fünf Jahren?
Von Seiten der Lehrenden sind ähnliche Forderungen zu hören. Michael Schwägerl vom Bayerischen Philologenverband weist darauf hin, dass für die Wartung der Geräte keine Mittel zur Verfügung stünden. Das bliebe den Kommunen und letztlich den Lehrern überlassen: "Es reicht ja nicht, Hardware anzuschaffen und Software und dann die Schulen damit allein zu lassen. Nach zwei, drei, vier, fünf Jahren wird Ersatzbedarf notwendig."
Schwägerl fordert für jede Schule einen IT-Fachmann. Mehrere hundert Geräte, dazu brauche es Experten. Die Lehrkräfte seien dafür nicht ausgebildet, sie bräuchten die Zeit, Konzepte ausarbeiten zu können, um diese Geräte auch pädagogisch sinnvoll einsetzen zu können.
Bis 2024 müssen die fünf Milliarden Euro des Digitalpakts ausgegeben werden. In Bayern müssen dazu die Anträge bis Ende 2021 eingereicht werden. Was danach kommt, steht noch nicht fest. Kultusminister Piazolo: "In der Digitalisierung ist nicht alles festgezurrt, sondern es ist vieles im Fluss." Jetzt sei er erst einmal froh, in Bayern fast eine Milliarde ausgeben zu können.