Die Zentrale der Deutschen Krebshilfe in Bonn

Deutsche Krebshilfe Warum Krebs oft noch ein Tabuthema ist

Stand: 25.09.2024 11:37 Uhr

Die Diagnose Krebs ist mit vielen Fragen verbunden. Wie umgehen mit Nebenwirkungen? Wie der Familie davon erzählen? Wie dem Arbeitgeber? Die Deutsche Krebshilfe unterstützt Patienten seit 50 Jahren.

Zwölf Jahre ist es her, dass Sabine Rohde-Meyer aus Bergisch-Gladbach die Diagnose Brustkrebs bekommt. Damals ist sie 50 Jahre alt und wird von der Vollzeit arbeitenden Controllerin zur Vollzeit-Patientin. Sie macht eine Chemotherapie, wird bestrahlt und fällt, als die Behandlung abgeschlossen ist, in ein, wie sie sagt, "tiefes Loch".

Rohde-Meyer muss Hormonpräparate einnehmen, die mit starken Nebenwirkungen einhergehen, hat Angst, dass der Krebs wiederkommt. Damals sucht sie Unterstützung, Verständnis, Austausch und findet all das beim Verein Frauenselbsthilfe Krebs, der unter anderem von der Deutschen Krebshilfe finanziell unterstützt wird. Inzwischen leitet sie die Ortsgruppe in Bergisch-Gladbach.

"Jedes Mal, wenn ich meine Geschichte neu erzählen kann, entlastet mich das ein wenig mehr. Dieser Kontakt zu anderen, die ebenfalls betroffen sind, ist unglaublich hilfreich", sagt Rohde-Meyer. Man spüre, dass man nicht alleine ist. Denn noch immer sei die Krankheit auch tabuisiert. Sie beschreibt eine Begegnung mit ihrer Postbotin, der sie ohne Haare die Tür öffnete. Die habe erstaunt geguckt und gesagt: "Sie auch?"

Krebs aus der Tabu-Zone holen

Als Mildred Scheel, Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, die Deutsche Krebshilfe 1974 gründete, war Krebs eine Erkrankung, über die man nicht sprach. Ärzte verschwiegen Betroffenen oft die Diagnose, die Erkrankten wurden stigmatisiert. Die Röntgenärztin Scheel wollte das ändern.

In einem Interview erklärte die damalige First Lady: "Ich habe zu viele Menschen, die krebskrank waren, sterben sehen. Und ich habe zu viele Menschen in meiner Praxis erlebt, die zu spät zum Arzt kamen."

Aufklären, in Forschung investieren, das waren Ziele der neu gegründeten Stiftung. Ein Härtefonds für Betroffene wurde eingerichtet, Infobroschüren herausgegeben, Selbsthilfeorganisationen unterstützt. Die Krebshilfe förderte die Entstehung der ersten deutschen Tumorzentren in Essen, Köln, München und Hamburg. Die Patienten sollten dort interdisziplinär behandelt werden.

Zweithäufigste Todesursache in Deutschland

Mittlerweile gibt es in Deutschland 14 dieser Krebs-Spitzenzentren, an 26 Standorten. Rund 250.000 Patienten werden dort jedes Jahr behandelt. "Durch die Initiierung dieser Zentren in Deutschland haben wir eine riesige Veränderung beobachten können. Dieser Impuls der Deutschen Krebshilfe hat die gesamte Versorgungslandschaft transformiert", sagt Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité Berlin.

Auch der heutige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, blickt zufrieden auf die 50-jährige Arbeit der Stiftung zurück. Bis heute nimmt sie keine öffentlichen Gelder oder Mittel der Pharmaindustrie an, sondern finanziert sich aus Spenden und Nachlässen.

"Die Deutsche Krebshilfe ist der größte private Drittmittelgeber für die Krebsbekämpfung, einschließlich der Krebsforschung, in Deutschland", sagt Nettekoven. Gleichzeitig seien die Herausforderungen nach wie vor groß. "Noch immer ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. 500.000 Menschen erkranken jedes Jahr neu daran."

Wichtige Rolle von Selbsthilfeorganisationen

Die frühere Krebspatientin Sabine Rohde-Meyer, die heute im Landesverband Nordrhein-Westfalen der Frauenselbsthilfe Krebs aktiv ist, beobachtet, dass Diagnosen früher erfolgen. Ihr Tumor sei, als er entdeckt wurde, fünf Zentimeter groß gewiesen. Heute kämen Frauen mit Tumoren in die Selbsthilfegruppe, die gerade mal wenige Millimeter groß seien.

Die Probleme aber seien immer dieselben. "Wie umgehen mit Nebenwirkungen, wenn ich zum Beispiel nicht mal mehr Wasser bei mir behalten kann? Wie dem Arbeitgeber davon erzählen? Wie meinen Kindern?" Um innerhalb der Selbsthilfegruppe bestmöglich informieren zu können, besucht Rohde-Meyer regelmäßig Fortbildungen. "Wir lernen ja auf den Landes- und Bundeskongressen Vieles über die Erkrankung und das ist nur möglich, wenn finanzielle Mittel da sind. Und da danken wir der Krebshilfe schon sehr, dass wir da unterstützt werden."

Die Gründerin der Krebshilfe, Mildred Scheel, starb 1985 selbst an Darmkrebs. Sie entschied sich damals, nicht öffentlich über ihre Erkrankung zu sprechen, um anderen nicht die Hoffnung zu nehmen.

Sabine Rohde-Meyer hat das Gegenteil getan. Sie hat sich entschieden, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Sie ist inzwischen krebsfrei, ihr Engagement für Betroffene aber ist geblieben.