Barmer-Pflegereport Fast jeder zweite Corona-Tote lebte im Heim
Fast jeder zweite Corona-Tote in Deutschland hat laut einem Bericht zuvor in einer Pflegeeinrichtung gewohnt. Das zeigen Daten der Barmer-Krankenkasse. Auch das Pflegepersonal hat demnach unter der Pandemie gelitten - mit dramatischen Folgen.
Die Corona-Pandemie hat alte, pflegebedürftige Menschen besonders getroffen: Fast jeder zweite Mensch, der an Covid-19 gestorben ist, lebte in einem Pflegeheim. Das zeigt eine Auswertung der Barmer-Krankenkasse. Für die Jahre 2020 und 2021 liegt demnach der gesamte Anteil der mit Covid-19 Gestorbenen bei 45 Prozent. Damit war dem Bericht zufolge der Anteil der an Covid-19 Erkrankten in der ersten und zweiten Welle bei Heimbewohnerinnen und -bewohnern sieben bis acht Mal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.
Die hohe Zahl an Corona-Todesfällen hätten zu einer Übersterblichkeit in Pflegeeinrichtungen geführt, heißt es in dem Bericht. "Im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2019 zeigt sich unter den Heimbewohnenden eine Übersterblichkeit von mehr als 150.000 Personen."
Akzeptanz der Corona-Regeln spielte eine Rolle
Der Report zeigt große regionale Unterschiede. Während im Dezember 2021 - auf dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle - in Bremen mit 0,57 Prozent und Schleswig-Holstein mit 1,27 Prozent nur ein sehr geringer Teil der Heimbewohner erkrankt gewesen sei, habe dieser Anteil in Thüringen (9,73 Prozent) und Sachsen (10,3 Prozent) deutlich höher gelegen. "Länder mit einer geringeren Akzeptanz der Corona-Maßnahmen hatten auch höhere Covid-Anteile in der Bevölkerung", schreiben die Autoren.
Mangelnde Versorgung und Einsamkeit
Die Kontaktbeschränkungen für Besucherinnen und Besucher sowie medizinisches Personal hatten laut Bericht schwerwiegende Folgen für die zu pflegenden Menschen. Diese hätten "nicht nur zu einer eingeschränkten medizinischen Versorgung geführt, sondern insbesondere negative Effekte auf die psychische Gesundheit der Heimbewohnenden gehabt, nicht zuletzt durch Einsamkeitserleben", heißt es in dem Bericht.
Zwar hätten die Corona-Impfungen inzwischen dazu geführt, dass die Zahl der Corona-Toten in Pflegeheimen abgenommen habe. Doch noch immer seien Heimbewohnerinnen und -bewohner stark gefährdet. "Vorbereitungen auf neue Varianten des Virus und weitere Wellen sind daher angezeigt. Um die negativen indirekten Effekte zu verhindern, sollte dabei aber soweit wie möglich auf Maßnahmen zur Kontaktreduktion verzichtet werden", so die Autoren.
Erschöpfung und Schlafmangel beim Pflegepersonal
Laut der Studie hat die Pandemie auch beim Pflegepersonal tiefe Spuren hinterlassen. "Die Kontaktsperren im Pflegeheim, die notwendigen Hygienemaßnahmen, einschließlich der Verpflichtung für das Personal, Masken zu tragen, sowie der pandemiebedingte Personalausfall haben die Arbeit der Pflegekräfte sehr erschwert." Auch emotionale Unterstützung, die sonst von Angehörigen geleistet wird, musste vom Personal übernommen werden.
Mit Folgen: Fast 70 Prozent der Befragten sagten laut Bericht, dass sie oft körperlich erschöpft sind, vor der Pandemie waren es 43 Prozent. Die Zahl der Pflegekräfte, die nicht mehr durchschlafen kann, ist von 29 Prozent auf 43 Prozent gestiegen. Zudem haben 43 Prozent darüber nachgedacht, ihren Beruf aufzugeben. Vor der Pandemie seien es knapp 20 Prozent gewesen.
Die Arbeitsunfähigkeitsquoten für Pflegekräfte im Pflegeheim hätten in den ersten beiden Wellen etwa fünfmal so hoch wie bei den Beschäftigten in sonstigen Wirtschaftszweigen gelegen, so der Bericht.
Patientenschützer kritisieren Wegfall der Maskenpflicht
Angesichts der nach wie vor bestehenden Risiken für ältere Menschen kritisiert die Deutsche Stiftung Patientenschutz den Wegfall der Maskenpflicht für Pflegepersonal. Es sei absurd, "dass Besucher in Pflegeheimen und Kliniken eine Maske tragen müssen, das Personal aber nicht", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seit Beginn der Pandemie hätten auch medizinisch-pflegerische Mitarbeiter das Virus in die Einrichtungen getragen, argumentierte Brysch und sprach sich für verpflichtende tägliche Tests für das Pflegepersonal aus.
Er kritisierte: "Bund, Länder und Experten haben in der Pandemie versäumt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist und bleibt die Sicherheit von alten, pflegebedürftigen und kranken Menschen."