Einigung auf Reformänderung Mehr Geld für Pflegekräfte
Mehr Geld für Pflegekräfte, höhere Beiträge für Kinderlose: Die Bundesregierung hat sich Berichten zufolge auf eine Änderung der Pflegereform geeinigt. Einrichtungen sollen nur eine Zulassung bekommen, wenn sie nach Tarif bezahlen.
Die Bundesregierung hat sich offenbar auf eine Pflegereform verständigt. Das berichten übereinstimmend mehrere Medien. Ziel der Reform sei es, dass Pflegekräfte künftig besser bezahlt werden. Ab September 2022 solle die Zulassung von Altenheimen und Pflegediensten von einer Entlohnung nach Tarif abhängig gemacht werden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe sich mit Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) abgestimmt, hieß es laut der Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen.
Parlament soll Reform noch im Juni beschließen
Finanziert werden soll das Vorhaben durch eine Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Kinderlose um 0,1 Punkte auf 3,4 Prozent des Bruttolohns und einen Zuschuss des Bundes von jährlich einer Milliarde Euro. Spahn hatte zuletzt einen Zuschuss von 2,6 Milliarden Euro gefordert. Die Einigung, über die zuerst die "Bild am Sonntag" berichtet hatte, soll nach derzeitigem Stand am kommenden Mittwoch vom Kabinett gebilligt werden. Da es sich formell um Änderungen an einem dem Bundestag bereits vorliegenden Gesetzentwurf handelt, kann das Parlament die Pflegereform noch im Juni vor der Sommerpause beschließen.
Nur die Hälfte der Pflegekräfte bekommt derzeit Tariflohn
Der bisherige Gesetzentwurf sieht auch eine Begrenzung des Eigenanteils für Heimbewohner an den Pflegekosten vor, damit eine bessere Bezahlung von Pflegekräften nicht zu ihren Lasten geht. Neu ist nun, dass Pflegeeinrichtungen ab Herbst 2022 entweder tarifgebunden sein müssen oder zumindest Löhne in Höhe eines Pflege-Tarifvertrages zahlen. Das soll auch für bestehende Pflegeeinrichtungen gelten. Nicht tarifgebundene Pflegeeinrichtungen erhalten einen Anreiz, Tarifverträge anzuwenden, die über dem regional üblichen Niveau liegen, indem die Pflegekassen den durchschnittlichen Tariflohn der Region plus zehn Prozent erstatten.
Nach Berechnungen des Arbeitsministeriums wird nur etwa die Hälfte der rund 1,2 Millionen Pflegekräfte derzeit nach Tarif bezahlt. Alle anderen verdienen gut zwei Euro weniger pro Stunde. Die Lohnsteigerungen durch die Reform könnten bis zu 300 Euro pro Monat betragen.
Opposition: Pläne "halbherzig" und "Schnellschuss"
Von der Opposition kam Kritik an den Plänen der schwarz-roten Koalition. Die FDP zweifelt die finanzielle Solidität der Pläne an und kritisiert insbesondere die geplante Erhöhung des Pflegeversicherungs-Beitrags für Kinderlose. Die Grünen bemängeln die anvisierte Entlastung der Pflegebedürftigen beim Eigenanteil als unzureichend und fordern eine flächendeckende gesetzliche Verankerung von Tariflöhnen in der Pflege.
Die pflege- und altenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, kritisierte den Entwurf als "halbherzig". Grundsätzlich sei zwar zu begrüßen, dass es ab 2022 einen jährlichen Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben solle, sagte Schulz-Asche. Dieser werde aber "nicht reichen, um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen". Es sei "versäumt worden, die Tariflöhne gesetzlich flächendeckend zu verankern", kritisierte sie. Dass der Entwurf eine Evaluation der Tariflage erst am Ende der nächsten Legislaturperiode vorsehe, sei "eine Unverschämtheit für die Fachkräfte".
Die FDP-Pflegeexpertin Nicole Westig kritisierte die Pläne als "Schnellschuss". "Besonders kurzsichtig ist der Plan, Kinderlose mit noch höheren Beiträgen zu belasten, denn das wird nicht lange tragen", sagte sie. "Wer höhere Pflegelöhne verspricht, muss für eine solide Refinanzierung sorgen", forderte Westig. "Ein solides Refinanzierungskonzept hat Bundesgesundheitsminister Spahn aber nicht vorgelegt - der Griff in den allgemeinen Bundeshaushalt zeigt dies deutlich." Ohne eine "nachhaltige und generationengerechte Finanzierung" der Pflege blieben alle derartigen Vorstöße "schlicht Flickwerk".
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagte, die Pflegereform enthalte zwar Verbesserungen, bleibe aber hinter dem Notwendigen zurück. "Für die Beschäftigten, deren Arbeitgeber schlechte Tarifverträge mit ihnen hörigen Pseudogewerkschaften abschließen, ändert sich wenig bis nichts", kritisierte sie. "Sinnvoll wäre ein allgemeinverbindlicher Flächentarifvertrag in der Pflege." Zudem forderte Hennig-Wellsow einen Gehaltsbonus von 500 Euro im Monat für Pflegebeschäftigte und eine "Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen". Die geplante Deckelung des Eigenanteils reiche nicht aus, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen würden trotz Reform "weiter enorm belastet".