Zustand der Bundeswehr Die mühsame Zeitenwende
Wie viel Zeitenwende ist bei der Bundeswehr angekommen? Hat sich die Ausstattung der Truppe dank der 100 Milliarden Euro verbessert? Ein Blick nach Hessen zeigt: So schnell geht das nicht.
Die Neuausstattung der Bundeswehr ist ein langsamer und mühsamer Prozess. Das ist ein Jahr nach der Ankündigung des 100-Milliarden-Euro-Paketes sehr klar geworden. Wie geht dieser Prozess voran? Das kann man beispielhaft in Hessen betrachten.
In Hessen liegen drei wichtige Standorte der Bundeswehr: Frankenberg, Stadtallendorf und Fritzlar. Die Soldaten dort haben nicht nur Aufgaben für die Verteidigung Deutschlands, sie sind auch in die Verteidigungspläne für die NATO eingebunden. Wie gut fühlen sich die Soldaten dafür vorbereitet und ausgerüstet?
5000 Soldaten in Hessen stationiert
Etwa 5000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind in Hessen stationiert. Das klingt erstmal nach viel, ist aber im Vergleich mit der Zeit des Mauerfalls wenig - damals waren es etwa zehn Mal so viele. Aber die Zahl allein sagt wenig über die Bedeutung dieser Einheiten für die Verteidigung Deutschlands und der NATO-Partnerstaaten aus. Sie sind wichtig.
Die Kampfhubschrauber vom Typ "Tiger" in Fritzlar sollen Luftunterstützung für militärische Einheiten bieten, die am Boden kämpfen. Die Division Schnelle Kräfte in Stadtallendorf ist eine schnell bewegliche Infanterietruppe, zu der unter anderem Fallschirmjäger, Spezialkräfte, aber auch Transport- und Kampfhubschrauber gehören. Und beim Bataillon für Elektronische Kampfführung in Frankenberg sind die Soldaten darauf spezialisiert, feindliche Kommunikation zu stören, zu erfassen und daraus wichtige Informationen für die eigenen Truppen zu gewinnen.
Landes- und Bündnisverteidigung
Die Bundeswehreinheiten in Fritzlar, Stadtallendorf und Frankenberg haben eines gemeinsam: Sie alle sind fest gebucht in der NATO-Verteidigungsplanung. Das bedeutet, wenn es ernst werden sollte, dann müssen sie innerhalb weniger Tage einsatz- und reisebereit sein - beispielsweise in Richtung Ostflanke der NATO.
Diesen Auftrag bekamen sie schon vor der "Zeitenwende", die Bundeskanzler Olaf Scholz drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ausgerufen hatte. Einfach deshalb, weil die NATO schon einige Jahre zuvor neue Pläne gemacht hatte.
Priorität für NATO-Speerspitze
Bei den Stichworten "Zeitenwende" oder "100-Milliarden-Euro-Programm" sind die Soldatinnen und Soldaten meist wortkarg, auch Oberstleutnant Daniel Renkl, Kommandeur des Bataillons für Elektronische Kampfführung in Frankenberg. Auf die Frage, ob seine Einheit von den 100 Milliarden Euro profitieren wird, antwortet er: "Dazu kann ich Ihnen leider nichts zu sagen." Das solle man bitte im Verteidigungsministerium in Berlin nachfragen.
Wenn es um den aktuellen Stand der Ausrüstung und die Vorbereitung der Soldaten geht, sagt Oberstleutnant Renkl: "Die Ausrüstung, die wir zurzeit haben, ist hinreichend für den aktuellen Auftrag." Das klingt nicht gerade euphorisch. Aber Renkl und die Soldaten, mit denen in Frankenberg unter Aufsicht eines Presseoffiziers ein Gespräch möglich ist, wirken tatsächlich ganz zufrieden.
Das liegt zum einen daran, dass Teile seiner Truppe - wie auch andere Einheiten, die Teil der NATO-Speerspitze sind - mit Priorität ausgestattet wurden. Zum anderen wollen sie vielleicht nicht den eigenen Verteidigungsminister öffentlich zu mehr Aktion, Tempo und Qualität in Sachen Ausstattung drängen.
Bessere IT und Funkgeräte gewünscht
Oberstleutnant Renkl fügt auf Nachfrage zum Stand der Ausrüstung hinzu: Sicherlich wolle auch er für seine Soldaten nur das Beste - und Luft nach oben sei immer. Dann lässt er wenigstens kurz erkennen, wo der Schuh doch drückt: "Leistungsfähigere IT, bessere Funkgeräte - das sind die Standard-Sachen, die die Bundeswehr gerne hätte. Und ich natürlich auch in meinem Bataillon."
Sein Stabsunteroffizier David - die Soldaten wollen nur ihren Vornamen nennen - sagt: "Unabhängig vom 100-Milliarden-Paket hat sich die Ausrüstung meines Erachtens schon deutlich verbessert im Vergleich zu vor acht Jahren, als ich nach Afghanistan gehen musste." Kommandeur Renkl und viele Soldatinnen und Soldaten in Frankenberg haben bereits mehrere Auslandseinsätze hinter sich, teils in Afghanistan, teils in Mali.
Entscheidungen stehen aus
Diese Erfahrungen haben die Soldaten beim Kampfhubschrauber-Regiment 36 im nordhessischen Fritzlar auch hinter sich. Und auch sie sind seit einigen Jahren wieder auf Landes- und Bündnisverteidigung fokussiert. Der Kommandeur, Oberst Sönke Schmuck, weiß sehr genau, was er sich in Sachen Ausrüstung wünscht. Auch seine Einheit gehört zur NATO-Speerspitze.
Ihre Aufgabe können sie mit Kampfhubschraubern vom Typ "Tiger" noch erfüllen, sagt der Oberst. Ein "Schwarm" von Hubschraubern, vier einsatzbereite, flugtaugliche "Tiger" sowie zwei Maschinen, die als Quelle für Ersatzteile genutzt werden, sind dafür nötig. Das haben sie.
Aber was wäre, wenn die NATO künftig mehr als den bisher vorgesehenen "Tiger"-Schwarm anfordern würde? Schmuck sagt klar: "Also zurzeit - nein. Das ist jetzt unsere Grenze, die wir haben."
Die "Tiger"-Hubschrauber sind in die Jahre gekommen. Über eine Modernisierung oder die eventuelle Anschaffung neuer Maschinen ist viel diskutiert, bisher aber nichts entschieden worden. Oberst Schmuck meint dazu: "Ich wünsche mir natürlich eine Entscheidung zum 'Tiger', mit einer deutlichen Verbesserung des Gefechtswertes, die möglichst schnell kommt. Und, ja, ich wünsche mir kleinere Verbesserungen im Bereich der Bewaffnung."
"Irrsinniges Wartungsprogramm"
Das ist aber nicht alles. Die größten Herausforderungen beim Kampfhubschrauber-Regiment 36 in Fritzlar benennt Schmuck so: "Die Verfügbarkeit die Hubschrauber für das tägliche Training und die Flugstunden für die Besatzung - das ist unsere größte Einschränkung." Woran das liegt? An dem "irrsinnigen Instandsetzungs- und Wartungsprogramm, das dieser Hubschrauber durchlaufen muss", sagt Oberst Schmuck.
Sein Fazit: "Wir können wahrscheinlich ohne große Investitionen noch bis 2030 fliegen. Aber Deutschland braucht Kampfhubschrauber, das ist eindeutig, das haben wir in jeder Übung gesehen. Und dementsprechend muss es jetzt neue Pläne geben."
Die Kommandeure in Fritzlar und Frankenberg haben die dickeren Brocken im Kopf - Hubschrauber, IT, Funk. Aber in einem Punkt bei der Beschaffung und Ausrüstung sind sie mit Oberfeldwebel Felix von der Division Schnelle Kräfte in Stadtallendorf einer Meinung: Es macht nichts, wenn es schnell geht.
Felix rattert seine Wünsche geradezu herunter: "Schnellere Beschaffung von Ausrüstung. Von Ausrüstung, die zeitgemäß ist. Ein Wunsch wäre, dass Kameraden sich nicht Sachen privat beschaffen müssen oder es tun, weil diese Ausrüstung nicht ausreichend vorhanden ist oder nicht in Gänze so vorhanden ist, dass jeder damit ausgestattet werden kann. Das wäre mit Sicherheit ein sehr großer Wunsch."