Debatte um Arbeitnehmerfreizügigkeit CSU-Vorstoß sorgt für Ärger
"Wer betrügt, der fliegt", heißt es in der Beschlussvorlage für die CSU-Klausur zur Freizügigkeit in der EU - auch wenn sich die Partei in ihren Äußerungen zum Thema zuletzt um Sachlichkeit bemüht. In der GroKo sorgt das für schlechte Stimmung.
Im ARD-Morgenmagazin bemühte sich Hans-Peter Uhl, der Innenexperte der CSU im Bundestag, erkennbar um Sachlichkeit: Nein, es gehe nicht darum, Bulgaren und Rumänen unter Generalverdacht zu stellen, ganz und gar nicht: "Selbstverständlich nicht, das wäre töricht", sagt Uhl. "Menschen, die eine Berufsausbildung haben, zum Beispiel Ingenieure oder Facharbeiter, sind bei uns herzlich willkommen, und wir hoffen, dass viele kommen." Aber Menschen, die mit Sicherheit keinerlei Chancen hätten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu bekommen, sollten auch nicht nach Deutschland kommen und von Sozialhilfe leben.
In der Beschlussvorlage für die CSU-Klausur, die am 7. Januar traditionell in Wildbad Kreuth stattfindet, klingt es hingegen umso markiger. "Wer betrügt, der fliegt", heißt es da. Darin setzt sich die CSU dafür ein, dass es in den ersten drei Monaten keinen Anspruch auf Sozialleistungen für EU-Zuwanderer geben soll. Wer mithilfe von gefälschten Dokumenten versuche, sich Sozialleistungen zu erschleichen, der solle nicht nur ausgewiesen, sondern auch an der Wiedereinreise gehindert werden.
Anlass für den CSU-Vorstoß ist die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren zum 1. Januar. Arbeitsmarktexperten hingegen können die Aufregung nicht nachvollziehen. "Im Moment müssen wir überhaupt keine Angst haben", sagt Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarktforschung. "Etwa zehn Prozent der Bulgaren und Rumänen beziehen Leistungen wie Hartz IV. Wir haben eine geringere Arbeitslosenquote als beim Bevölkerungsdurchschnitt, wir haben Probleme in einigen ausgewählten Kommunen, aber auf Bundesebene kann ich eigentlich keine Probleme erkennen."
Im Gegenteil, so der Experte, man müsse die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die beiden jungen EU-Mitglieder positiv sehen. "Wir haben in der ersten Osterweiterungsrunde gesehen, dass die Arbeitslosigkeit bei den Polen und anderen Bevölkerungsgruppen um mehr als fünf Prozentpunkte gesunken ist. Insofern ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Chance für den Arbeitsmarkt."
Schlechte Stimmung in der GroKo
Innerhalb der Großen Koalition sorgte der CSU-Vorstoß für schlechte Stimmung. Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner warf der CSU Stammtischparolen vor und die Migrationsbeauftragte der Bundesregirung Aydan Özoğuz, ebenfalls SPD, warnte vor falschen Pauschalurteilen, die die Stimmung gegen Arme aufheizten. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles von der SPD geht von einer positiven Prognose aus. Es gebe gute Beschäftigungsaussichten für Rumänen und Bulgaren, die nach Deutschland kämen, teilte das Ministerium mit.
Die grüne Opposition im Bundestag sieht das ähnlich. "Ich gehe von einem verstärkten Zuzug aus, aber die sogenannte Armutszuwanderung wird ein Phänomen sein, das vergleichsweise überschaubar ist", sagt der grüne Sozialexperte Markus Kurth. Migrationsexperten gehen davon aus, dass mit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Jahreswechsel zwischen 100.000 und 180.000 Bulgaren und Rumänen nach Deutschland kommen könnten. Bisher leben 370.000 in Deutschland.
"Wir stehen zur Freizügigkeit in der EU. Eine Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme lehnen wir jedoch ab. Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Wir werden falsche Anreize zur Zuwanderung verringern und streben nationale und europäische Lösungen zur Verhinderung von Missbrauch an. In diesem Zusammenhang prüfen wir eine generelle Aussetzung des Bezuges von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthaltes in Deutschland. Darüber hinaus werden wir die Kommunen dabei unterstützen, Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit zu bekämpfen sowie die Verhängung von Wiedereinreisesperren ermöglichen. Wenn beispielsweise Dokumente gefälscht wurden oder Sozialleistungsbetrug nachgewiesen wurde, muss es eine Möglichkeit geben, die betroffenen Personen nicht nur auszuweisen, sondern auch an der Wiedereinreise zu hindern. Hier muss gelten: 'Wer betrügt, der fliegt.' Gleichzeitig sind die Kommunen aber auch selbst gefordert, ihren Verwaltungsvollzug und die Zusammenarbeit mit dem Zoll zu verbessern."