Flüchtlingsdebatte Seehofer offen für Aufnahme von Kindern
Angesichts der katastrophalen Lage der Flüchtlinge auf Lesbos mehren sich Stimmen, zumindest Minderjährige in Deutschland aufzunehmen. Bundesinnenminister Seehofer ist nicht mehr grundsätzlich dagegen.
In die Debatte um die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge ist neue Bewegung gekommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigt sich nun überraschend offen für den Vorschlag von Grünen-Chef Robert Habeck. In der Vorweihnachtszeit hatte Seehofer dies noch als "nicht hilfreichen Vorschlag zu einem durchschaubaren Zeitpunkt" abgelehnt.
Doch nun wirbt Seehofer für eine "Koalition der Willigen" in der EU. Er trifft sich am Abend mit seinen EU-Kollegen in Brüssel, um über die Lage an der türkisch-griechischen Grenze und in den griechischen Lagern zu beraten. Er werde bei dem Treffen dafür werben, in dieser Frage nicht zu warten, bis alle 27 Staaten mitmachten, erklärte der CSU-Politiker. Man könne vereinbaren, in welcher Zeit man etwas tun wolle.
Es geht um 5000 Kinder und Jugendliche
Bei den Kindern und Jugendlichen in den Lagern in Griechenland gehe es um eine Gesamtzahl von 5000 Menschen, sagte Seehofer. Man arbeite bei der Seenotrettung etwa mit Frankreich, Italien und Spanien gut zusammen - diese Formation wolle er in erster Linie zusammenhalten. Vor einem deutschen Alleingang warnte er. Trotz der zeitlichen Dringlichkeit müsse zunächst Ordnung an der Außengrenze gewährleistet sein.
Zuvor hatte der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, mit Bezug auf Forderungen anderer Parteien zur Flüchtlingsaufnahme noch getwittert: "Wenn wir 5000 aufnehmen, machen sich 50.000 zusätzlich auf den Weg. Keine falschen Hoffnungen wecken!"
Familienministerin Franziska Giffey betonte, humanitäres Handeln und klar geregelte Verfahren seien kein Widerspruch. "Im Gegenteil, beides geht nur zusammen und wir brauchen beides", erklärte sie.
Mehrere Bundesländer zur Aufnahme bereit
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther erklärte sich erneut bereit, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. "Seit dem Wochenende hat sich die Lage im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Griechenland dramatisch verschärft", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Schleswig-Holstein hat in der Vergangenheit mehrfach seine Bereitschaft erklärt, Menschen in Not zu helfen und sich an Kontingentlösungen zu beteiligen, die die Bundesregierung mit den europäischen Partnern aushandelt. Wir sollten hier ein Beispiel geben", betonte Günther.
Auch Thüringen und Baden-Württemberg hatten in der Vergangenheit angeboten, Kinder und Jugendliche aufnehmen. Unterstützung für diesen Vorschlag kam von den Kirchen und Sozialverbänden.
Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos - ein ehemaliges Gefängnis - hat eigentlich nur eine Kapazität von 2800 Plätzen, doch aktuell leben dort fast 20.000 Flüchtlinge und Migranten.
Flüchtlingslager sind überfüllt
Die Lage hatte sich verschärft, nachdem die Türkei die Grenzen zur EU für Migranten für offen erklärt hatte. Nach UN-Angaben harren Tausende Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiterziehen. Die Lager in Griechenland sind bereits überfüllt. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen.
Wie CDU-Politiker Günther plädieren auch Vertreter von Grünen, SPD und Linken für eine Aufnahme von Geflüchteten. In der Union befürchten viele, dass die Aufnahme einer bestimmten Zahl von Flüchtlingen weitere Menschen motivieren würde, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte diese Haltung. Es sei bezeichnend, dass sich die Union als Regierungspartei an das Versprechen der Bundesregierung, für Entlastung in Griechenland zu sorgen, nicht mehr erinnern wolle. "Es geht jetzt in einem ersten Schritt konkret um die 40.000 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln, wo bürgerkriegsähnliche Zustände drohen. Von diesen sollten wir jetzt 5000 aufnehmen", forderte Baerbock in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.