Corona-Pandemie Welche Regeln gelten für Verträge?
Veranstaltungen fallen aus, Betriebe müssen schließen. Die Folge: Viele Verträge mit Handwerkern, Lieferanten oder Künstlern können nicht erfüllt werden. Welche Regeln gelten nun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Konzerte, Messen, Kongresse - seit Wochen wird eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt. Daran hängen zahlreiche Folgeverträge: Künstler, die nicht auftreten können, Caterer, deren Dienste nicht mehr gebraucht werden, Handwerker, die keine Messestände aufbauen sollen. Auch Betriebe schaffen es durch den krankheitsbedingten Ausfall von Mitarbeitern womöglich nicht mehr, ihre Leistungen wie vereinbart zu erbringen.
Ein Vertrag kann nicht erfüllt werden - und jetzt?
Denkbar ist einiges - von der Vertragsaufhebung und Rückabwicklung, über eine einvernehmliche Terminverschiebung bis hin zu einer Haftung auf Schadensersatz. Die Interessenvertretungen empfehlen allen Beteiligten, den Dialog zu suchen. Denn die Coronavirus-Pandemie ist für alle eine Sondersituation.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rät betroffenen Unternehmen ganz generell: Reden Sie miteinander, seien Sie entgegenkommend. "Wir durchleben besondere Zeiten, in denen auch alle Vertragspartner die außergewöhnlichen Umstände berücksichtigen sollten."
Was ist, wenn die Behörden Veranstaltungen untersagen?
Mittlerweile dürfen viele Leistungen schlicht nicht mehr erbracht werden, weil die Behörden Veranstaltungen untersagt oder die Schließung von Geschäften und Hotels angeordnet haben. All die Leistungen, die damit in Zusammenhang stehen, sind damit nun "rechtlich unmöglich", keine Seite kann etwas dafür.
Leere Stuhlreihen im Konzertsaal des Kulturpalasts in Dresden.
Konkret heißt das, dass der Veranstalter zum Beispiel den Auftritt eines Künstlers nicht annehmen darf. Die Entgegennahme der Leistung ist ihm damit "rechtlich unmöglich". Das hat zur Folge, dass der Künstler nicht auftritt - und auch kein Geld bekommt. Beide Seiten müssen ihre Leistung also nicht erbringen.
Welche Regeln gelten bei freiwilligen Absagen?
In den ersten Wochen der Corona-Krise wurden viele Veranstaltungen auf freiwilliger Basis abgesagt. Noch immer gibt es zahlreiche Betriebe, die weitermachen dürfen, es wegen des Virus aber vielleicht nicht oder nicht im geplanten Ausmaß können.
Hilfreich ist in diesen Fällen als allererstes ein Blick in den Vertrag. Was wurde individuell oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart? Gibt es ein besonderes Kündigungsrecht? Wurde etwa eine Vereinbarung getroffen für den Fall höherer Gewalt?
Letzteres ist in internationalen Verträgen üblich, in deutschen aber eher nicht, wie Zivilrechtsprofessor Martin Schmidt-Kessel erklärt. Unter "höherer Gewalt" wird in der Regel ein von außen kommendes, unverschuldetes, unabwendbares Ereignis ohne betrieblichen Zusammenhang verstanden.
In den Verträgen kann das durch Beispiele präzisiert sein. In Betracht kommen Kriege, Naturkatastrophen oder eben Epidemien beziehungsweise Pandemien. Die SARS-Epidemie von 2003 wurde von den Gerichten als höhere Gewalt anerkannt.
Was, wenn es keine individuelle Vereinbarung gibt?
Gibt es keine individuelle Vereinbarung im Vertrag, gelten die gesetzlichen Regelungen. Eine Leistung kann demnach verweigert werden, wenn die Durchführung des Vertrags unzumutbar ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Behörden einen Betrieb zwar (noch) nicht untersagt haben, aber die Schließung empfehlen. "Darüber kann man bei heutigem Kenntnisstand über die Verbreitung des Virus für den Regelfall wohl nicht mehr streiten“, sagt Schmidt-Kessel.
Kommt es zu Verzögerungen, weil viele Mitarbeiter krank sind, trifft die Unternehmen wohl auch kein Verschulden. "Bei einem normalen Krankenstand würden Unternehmen für die Verzögerung haften", sagt Schmidt-Kessel. "Jetzt haben sie eine Chance, von der Haftung für Folgeschäden befreit zu werden."
Es sei denn, sie haben sich nicht an Empfehlungen gehalten. Der Zentralverband Handwerk rät, alle empfohlenen Schutzvorkehrungen gegen eine Ausbreitung der Infektion im Betrieb zu ergreifen. Denn andernfalls könne dem Unternehmen vorgeworfen werden, fahrlässig mitverursacht zu haben, dass der Betrieb geschlossen werden musste oder eine Leistung nicht mehr möglich ist.
Können Verträge angepasst werden?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht in Paragraf 313 vor, dass Verträge an veränderte Umstände angepasst werden können. Dort heißt es: Hat sich die Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss "schwerwiegend verändert" und hätten die Vertragspartner den Vertrag in dieser Form nicht geschlossen, wenn sie diese Entwicklung vorausgesehen hätten, so kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden. Voraussetzung ist, dass nicht allen Seiten zugemutet werden kann, an dem Vertrag festzuhalten.
Gerade Anpassungen der Details eines Vertrags werden jetzt in Betracht kommen. So können zum Beispiel neue Lieferzeitpunkte festgehalten werden - oder dass ein geplanter Vortrag statt vor Publikum per Videoschalte gehalten wird. "Beiden Seiten kommt da eine Kooperationspflicht zu", sagt Schmidt-Kessel.
Wie ist die Lage bei neuen Verträgen?
Relevant ist vor allem der Zeitpunkt: Wann wurde der Vertrag unter welcher Risikoabschätzung geschlossen? Das dürfte vor allem für Verträge, die jetzt geschlossen werden, entscheidend sein.
Der DIHK rät, in neuen Verträgen Stornierungsklauseln mit Blick auf das Coronavirus aufzunehmen - also Vereinbarungen darüber zu treffen, wie man damit umgehen will, wenn etwa eine in einigen Monaten geplante Veranstaltung abgesagt werden muss.
Viele Messen werden abgesagt (Archivbild).
Der Zentralverband Handwerk empfiehlt, in Verträgen die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in ganz besonders schwerem Maße verletzt. Außerdem sollten verschuldensunabhängige Vertragsstrafen oder Garantien vermieden werden.
Am Ende kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an. Was genau wurde vereinbart? Was ist - unjuristisch gesprochen - noch möglich? Und wie lässt sich eine für alle Seiten tragbare Lösung finden?