Bundestag beginnt mit Ratifizierung des EU-Vertrags Ein Schritt hin zu einer "Union der Bürger"
Die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages ist sich einig: Der neue EU-Vertrag macht die Union bürgernaher und transparenter. Mit großer Zustimmung leitete das Parlament die Ratifizierung des Papiers ein. Nur die Partei Die Linke lehnt den Vertrag ab.
Der Bundestag hat die Ratifizierung des EU-Reformvertrages eingeleitet. Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief die Abgeordneten dazu auf, ein Signal dafür zu geben, dass auch die anderen EU-Mitgliedstaaten den sogenannten Vertrag von Lissabon in nationales Recht umsetzen. Es sei gelungen, mit dem Reformvertrag die "wesentliche Substanz" der gescheiterten EU-Verfassung zu erhalten
Redner von Union, SPD, FDP und Grünen lobten, dass die EU mit dem Vertrag von Lissabon demokratischer, transparenter, bürgernäher und handlungsfähiger werde, auch wenn manche Ziele, die noch in der gescheiterten EU-Verfassung vorhanden waren, Kompromissen zum Opfer gefallen sind. Lediglich die Linksfraktion lehnte den Vertrag ab.
EU deutlicher wahrnehmen
Der CDU-Außenexperte Andreas Schockenhoff sagte, mit dem Reformvertrag werde die EU "mehr Sichtbarkeit nach Innen und Außen" bekommen. Mit der deutlichen Ausweitung der sogenannten doppelten Mehrheiten bei EU-Entscheidungen würden Blockademöglichkeiten eingeschränkt. Der SPD-Abgeordnete Michael Roth fügte hinzu, mit dem Vertrag werde ein wichtiger Schritt hin zu einer "Union der Bürger" getan.
Der FDP-Abgeordnete Markus Löning bedauerte, dass die EU auf die in der Verfassung vorgesehenen geplanten Symbole verzichtet und dass der Wettbewerb aus dem Zielekanon gestrichen wurde.
Schelte für Sarkozy
Roth und Schockenhoff kritisierten den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy für seine Alleingänge. Er nannte das Verhalten Sarkozys "besorgniserregend". Es könne nicht angehen, dass Sarkozy mit dem Kopf durch die Wand wolle und beispielsweise zur Mittelmeerunion Vorschläge mache, "die eher spalten als versöhnen". Schockenhoff erinnerte daran, "wie wichtig es ist, dass der deutsch-französische Motor rund läuft".
Als einzige Fraktion kritisierte die Die Linke den Reformvertrag. Der Fraktionsvorsitzende Lothar Bisky kritisierte, dass die EU auch nach dem Scheitern der Verfassung einen Vertrag bekomme, in dem "erneut Aufrüstung und eine gescheiterte Wirtschaftspolitik die Grundrichtung bestimmt". Er bemängelte auch, dass bis heute kein lesbarer Vertragstext vorliege. Bisky forderte eine EU-weite Volksabstimmung über den Vertrag.
Der Grünen-Europaexperte Rainder Steenblock entgegnete, in keinem EU-Vertrag bisher seien die zentralen sozialen Ziele so integriert worden wie im jetzigen Reformvertrag. Auch werde die EU-Grundrechtecharta endlich rechtsverbindlich. Falsch sei ferner, dem Reformvertrag einen Beitrag zur Militarisierung zu unterstellen. Vielmehr werde die "Friedenspflicht" für die EU festgehalten und zivilen Lösungsmöglichkeiten von Konflikten der Vorrang gegeben.
Erweiterte Union gibt sich neue Grundlage
Der Vertrag von Lissabon soll die Europäische Union ab 2009 auf eine neue Rechtsgrundlage stellen. Dazu muss er in Deutschland sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt werden. Im Bundestag ist eine Beschlussfassung für den 25. April geplant. Die Länderkammer will auf der Bundesratssitzung am 23. Mai - dem Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes - die neue Grundordnung Europas ratifizieren.
Das neue Vertragswerk erweitert innerhalb der EU den Bereich der Mehrheitsentscheidungen, stärkt das Parlament und führt einen hauptamtlichen Ratspräsidenten ein. Anders als die gescheiterte Verfassung verzichtet der Vertrag auf die EU-Symbole Hymne und Flagge.
Bislang haben Malta, Ungarn, Slowenien, Frankreich und Rumänien den Vertrag von Lissabon angenommen. Irland ist das einzige Land, das ein Referendum abhalten wird - voraussichtlich in der zweiten Juni-Woche. Unklar ist auch, ob Polen und Großbritannien den Vertrag ratifizieren werden.