Vor dem EU-Gipfel Mittelmeerunion sorgt für Unruhe
Sie könnte ein Prestige-Projekt des französischen Präsidenten Sarkozy werden - vielleicht zerreißt der EU-Gipfel den Plan einer Mittelmeerunion aber auch in der Luft. Besonders die nördlichen Mitgliedsstaaten stehen der Idee von Kanzlerin Merkel und Sarkozy skeptisch gegenüber.
Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy vorgeschlagene Gründung einer Mittelmeerunion könnte auf dem heute beginnenden EU-Gipfel auf Widerstand stoßen. Nach Einschätzung Brüsseler Diplomaten sehen insbesondere nördliche Mitgliedsländer, wie Großbritannien und die skandinavischen Staaten, die Pläne kritisch.
Bisher hat sich noch kein EU-Gremium mit dem Thema befasst. Bei einem Abendessen mit allen Staats- und Regierungschefs der EU wollen Merkel und Sarkozy ihre Pläne vorstellen. Für Sarkozy ist die Mittelmeerunion ein Prestige-Projekt, das während der französischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 auf den Weg gebracht werden soll. Nach seinen ursprünglichen Vorstellungen sollten daran nur Anrainer-Staaten des Mittelmeers beteiligt sein. Merkel überzeugte ihn, alle EU-Mitglieder in das Projekt miteinzubeziehen. Sie lockte Sarkozy mit dem Vorschlag, dass man dann Gelder aus dem Gemeinschaftstopf verwenden könnte.
Barcelona-Prozess reloaded
So soll nicht mehr ausgegeben werden, als die Europäer ohnehin für die Mittelmeerregion bereithalten - und zwar im Rahmen des 1995 angestoßenen, so genannten Barcelona-Prozesses. Dieser soll die Beziehungen zu den südlichen Mittelmeeranrainern vertiefen, Demokratie und Frieden fördern und die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Für das Jahr 2010 ist die Gründung einer Freihandelszone mit der EU geplant. Beteiligt sind Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Israel, Libanon, Syrien, Jordanien, die Türkei und die palästinensischen Autonomiegebiete.
16 Milliarden Euro standen bis 2007 für den Barcelona-Prozess zur Verfügung. Bis ins Jahr 2013 sind noch einmal soviel vorgesehen. Bereits im Januar räumte Merkel ein, der Prozess sei zu bürokratisch und es machten zu wenige Länder mit. Deswegen soll die Mittelmeerunion ihn nun einfach ablösen und ihm damit "neuen Schwung verleihen", wie es in einem von der Bundeskanzlerin und Sarkozy entworfenen Papier heißt.
"Das sauberste Meer der Welt"
Doch wofür genau die neue Union zusätzlich gut sein soll, steht noch nicht fest. Nach Angaben eines französischen Diplomaten prüft die Regierung des Landes mögliche Projekte im Bereich der Energieversorgung und des Umweltschutzes. So wünscht sich Sarkozy das Mittelmeer als "das sauberste Meer der Welt".
Präzisere Vorstellungen gibt es dagegen bereits zum möglichen Aufbau der Mittelmeerunion. Den Vorsitz soll für jeweils zwei Jahre eine Doppelspitze aus einem EU-Land und einem Nicht-EU-Land übernehmen, so schreiben es Merkel und Sarkozy in ihrem Papier. Alle zwei Jahre ist ein Gipfeltreffen vorgesehen.
Die Kritik entzündet sich am Detail
An der Vorsitzfrage könnte sich die Kritik der Gegner einer Mittelmeerunion festmachen. Denn zunächst sollen die Anrainer-Staaten dabei bevorzugt werden. Erst nach neun Wahlperioden - also nach 18 Jahren - könnten auch die anderen den Vorsitz übernehmen, so das Papier. Beim Barcelona-Prozess sind dagegen alle EU-Mitglieder gleichberechtigt - eine Grundvoraussetzung dafür, dass soviel Geld genehmigt wurde.
Zudem ist das Geld des Barcelona-Prozesses auch für östliche Länder wie die Ukraine oder Georgien vorgesehen. Für sie könnten im Fall der Gründung der von Frankreich und Deutschland vorgeschlagenen Mittelmeerunion entweder gar keine oder lediglich zusätzliche Gelder bereitgestellt werden. Auch dies könnte auf Widerstand unter den 25 weiteren Mitgliedstaaten stoßen. Doch Sarkozy und Merkel brauchen die Zustimmung aller, damit der "Barcelona-Prozess" in die Mittelmeerunion umgewidmet werden kann.