EU-Datenschutz-Verordnung Die Reifeprüfung beginnt
Die Übergangsphase ist vorbei, jetzt kommen die neuen EU-Datenschutz-Regeln voll zur Anwendung. Sie geben Verbrauchern neue Rechte. Und doch herrscht eine große Verunsicherung.
Die Macher und Befürworter werden nicht müde, die Vorteile der Datenschutzverordnung zu betonen: ein EU-Gesetz, das Verbrauchern bessere Kontrolle über ihre persönlichen Informationen geben soll. Verstöße sollen konsequenter geahndet werden, mögliche hohe Geldbußen sollen abschreckend wirken. Vom Meilenstein mit weltweiter Strahlkraft ist die Rede, sogar von einer Blaupause in Sachen Datenschutz. Doch die Verordnung hat ihre Reifeprüfung noch vor sich.
Handwerklich schlecht gemacht?
DSGVO - zurzeit sorgen diese fünf Buchstaben für viel Verunsicherung. Reibungslos und unkompliziert ist die Umstellung auf das neue Gesetzeswerk sicher nicht - trotz zweijähriger Übergangsfrist. Kritiker bemängeln schwammige Formulierungen, Unklarheiten und ausladende bürokratische Pflichten.
Je näher der Zeitpunkt rückte, an dem die neuen Spielregeln voll zur Anwendung kommen, desto bewusster wurde vielen, dass sie eben noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei vielen Behörden und Betrieben: "Das haben wir lange verdrängt." Umso hektischer sind jetzt die Aktivitäten auf der Zielgeraden und umso begehrter sind die Fachleute, die ihr Geld mit entsprechender Beratung verdienen.
Ausreichend vorbereitet?
Haben Regierung und Wirtschaftsverbände wirklich genug getan, um vor allem kleinen Unternehmen frühzeitig zu helfen, sich auf dieses komplexe Gesetzeswerk vorzubereiten? Denn gerade sie können sich teure Anwaltskanzleien nicht leisten. Hätte man Vereine und Blog-Betreiber besser informieren und unterstützen können?
Die Verunsicherung ist real und hat Konsequenzen. Dass der lokale TV-Sender WRAL in Raleigh, North Carolina, seine Internetseiten für User aus der EU erstmal blockt, werden die meisten verschmerzen. Wenn aber eine kleine Internet-Zeitung im Münsterland offline geht, ist das sicher nicht im Sinne des Erfinders. Auch wenn es nicht unbedingt Hexenwerk ist, eine Webseite an die Verordnung anzupassen, es ist Arbeit. Und die ehrenamtlichen Macher haben Angst, am Ende doch Fehler zu machen. Sie wollen das Risiko einer Strafe oder Abmahnung nicht eingehen.
Unsicherheiten nicht ungewöhnlich
ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam sagt: "So aufreibend das für viele Menschen gerade ist - bei einem so großen Gesetzesprojekt ist es nichts Ungewöhnliches, dass es zum Start Unklarheiten und Unsicherheiten gibt. Es folgt dann immer eine Art zweite Phase, in der Gerichte und Behörden das Gesetz auslegen und konkretisieren." Er verweist auf das neue Kaufrecht für Verbraucher, das 2002 eingeführt wurde und mittlerweile Normalität sei.
"Natürlich ist die DSGVO nicht perfekt", gibt selbst der grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht zu. Er ist einer, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass die Datenschutzgrundverordnung so ist, wie sie ist. Albrecht ist aber überzeugt, dass Europa den globalen Standard beim Datenschutz setzt.
25. Mai 2018. Der Stichtag ist gekommen. Die Flut mit Info-Mails wird stoppen. Gut möglich, dass die aktuelle Angst vor Geldbußen oder Abmahnungen im großen Stil unbegründet ist. Es bleiben offene Fragen: Was wird aus den großen Erwartungen einerseits und Horrorszenarien andererseits? Wie werden Gerichte den Gesetzestext auslegen? Werden wir Verbraucher unsere neuen Rechte überhaupt nutzen? Auf Antworten werden wir eine Weile warten müssen. Immerhin: Die Zeit der Reifeprüfung für die Datenschutz-Verordnung beginnt.