Sondersitzung des Bundesrats "Schwere Mängel" bei Entlastungspaket
Aus dem Bundesrat kommt massive Kritik am geplanten Entlastungspaket der Regierung. Rentner und Studierende gingen leer aus, sagte Hessens Regierungschef Bouffier. Auch der Sozialverband VdK bemängelt Ungerechtigkeiten.
40 Milliarden Euro zusätzliche Schulden plant Finanzminister Christian Lindner über einen Ergänzungshaushalt ein. Mit diesem Geld soll vor allem ein Entlastungspaket finanziert werden, das die Folgen des Ukraine-Krieges für Bürger und Unternehmen abmildern soll. Bevor der Etat morgen im Bundestag debattiert wird, befasste sich heute der Bundesrat in einer Sondersitzung mit dem Ergänzungshaushalt. Und aus der Länderkammer kam deutliche Kritik an dem Vorhaben.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hält die Pläne der Regierung für nicht zustimmungsfähig. Das Paket gehe stark zu Lasten der Länder, zudem erreichten die Hilfen zum Teil jene nicht, die sie am meisten nötig hätten. So würden die etwa Rentnerinnen, Rentner und Studierende nicht von der Energiekostenpauschale in Höhe von 300 Euro profitieren, weil sie über die Lohnsteuer abgerechnet werde. Zudem wecke das ab Juni geplante Neun-Euro-Ticket hohe Erwartungen, die nach Ablauf der dreimonatigen Gültigkeit nicht eingelöst werden könnten.
Zwar seien Entlastungen angesichts der Preisexplosion bei der Energie und den Steigerungen bei den Lebensmittelkosten richtig. "Das Ganze hat so starke Mängel, dass ich - jedenfalls Stand heute - nicht empfehlen kann, diesem Bundeshaushalt zuzustimmen", sagte Bouffier.
"Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen"
Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) kritisierte, dass Länder und Kommunen bei der Finanzierung "über Gebühr zur Kasse gebeten" würden. Das Entlastungspaket stamme vom Bund, die Länder seien gar nicht beteiligt gewesen. "Dann ist es auch konsequent, wenn der Bund die damit verbundenen finanziellen Lasten trägt. Wer die Musik bestellt, sollte sie auch bezahlen."
VdK: Geld wird nicht sozial gerecht verteilt
Auch der Sozialverband VdK erneuerte seine Kritik an den Plänen. Das Geld werde nicht sozial gerecht verteilt, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele mit Blick auf die Energiepreispauschale. Vielmehr sei "ein chaotischer Flickenteppich entstanden". Während Erwerbstätige 300 Euro erhalten, erhielten etwa Bezieher von Rente, Krankengeld, Übergangsgeld oder Elterngeld keine Energiepreispauschale. Viele von ihnen müssten sich überlegen, ob sie die Heizkosten oder den Strom bezahlen, ob sie sich Lebensmittel oder Medikamente leisten können, so der VdK. "Es kann nicht sein, dass Rentnerinnen und Rentner, deren Armutsrisiko seit Jahren rasant steigt und das mittlerweile weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt, null Euro erhalten", kritisierte Bentele.
Auch Menschen im Sozialleistungsbezug würden unterschiedlich behandelt: Während ein Ehepaar, das von Hartz IV lebt, insgesamt 400 Euro bekomme, könne ein Ehepaar in der Grundsicherung im Alter nur 200 Euro erhalten. Diese Ungerechtigkeiten müssten endlich beseitigt werden.
Jusos: Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel streichen
Die Jusos forderten ein neues Entlastungspaket, von dem neben Senioren auch junge Menschen profitieren sollen. "Zur Entlastung brauchen wir eine dauerhafte Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und einen Energiekostenzuschuss, der tatsächlich auch bei allen Menschen ankommt", sagte die Chefin des Jugendverbands der SPD der Nachrichtenagentur dpa.
Neuverschuldung wächst auf 138,9 Milliarden Euro
Mit dem Entlastungspaket wächst die für das laufende Jahr veranschlagte Neuverschuldung von 99,7 Milliarden Euro auf dann 138,9 Milliarden Euro. Zu dem Paket gehören die befristete Absenkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe, die Energiepreispauschale von 300 Euro für alle Steuerpflichtigen, einmalig 200 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen, der Kinderbonus von 100 Euro sowie Erstattungen an die Länder in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für das in den Monaten Juni bis August geplante Neun-Euro-Monatsticket für öffentliche Verkehrsmittel.
Insgesamt knapp 14 Milliarden Euro sind im Ergänzungshaushalt für noch nicht genau bezifferbare Risiken enthalten. Dabei geht es etwa um Auswirkungen des kriegsbedingt erwarteten geringeren Wirtschaftswachstums. Im Ergänzungshaushalt enthalten sind mit Blick auf den Ukraine-Krieg die Aufstockung der sogenannten Ertüchtigungshilfe für Partnerstaaten um 1,8 Milliarden Euro auf zwei Milliarden Euro, die vor allem der Ukraine weitere Waffenkäufe ermöglichen soll. Zwei Milliarden Euro sollen die Länder und Kommunen für die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine erhalten. Noch einmal eine Milliarde Euro wird zur Sicherung von Energiereserven bereitgestellt.
Außerdem enthalten sind zusätzliche Aufwendungen in Verbindung mit der Corona-Pandemie. Letzteres betrifft etwa Kosten für Impfungen und Tests sowie zur weiteren finanziellen Entlastung der Krankenhäuser. Die Pandemie-bedingten Kosten sind auch Hauptursache für die bereits im ursprünglichen Haushaltsentwurf eingeplante hohe Verschuldung, für die eine Ausnahmeregel von der Schuldenbremse genutzt wird.
Paket ist nicht zustimmungspflichtig
Bei all der Kritik - vor allem aus dem Bundesrat: Die Länderkammer hat keine Möglichkeit, das Vorhaben zu stoppen. Nach der Beschlussfassung des Bundestages kann sie den Etat abschließend billigen. Weil das Haushaltsgesetz aber nicht zustimmungspflichtig ist, kann der Bundesrat das Vorhaben aber praktisch nicht aufhalten.