Bericht der Bundesgesellschaft Gorleben wird wohl kein Endlager
Nach jahrelanger Suche werden mögliche Regionen für neue Atommüll-Endlager vorgestellt. Gorleben ist offenbar aus dem Rennen. Der Streit ums Endlager ist vorhersehbar - das zeigt sich schon an einem Vorstoß Bayerns.
Eine weiße Landkarte. Ohne Vorfestlegungen. Das war das Ziel, als vor drei Jahren die Suche nach einem atomaren Endlager noch einmal vollkommen neu begann. Zu viele Zweifel waren aufgetaucht, dass der Salzstock Gorleben, der jahrzehntelang als künftiges Endlager erkundet wurde, ein geeigneter Ort für ein Endlager sei. Zu erbittert waren die Proteste.
Gerade im niedersächsischen Wendland, wo Gorleben liegt, werden deshalb am Montag viele Menschen gebannt auf die Bildschirme schauen, wenn die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren "Zwischenbericht Teilgebiete" vorstellt - mit einer Pressekonferenz, die live im Internet übertragen wird. An vielen Stellen wird sich die Landkarte dann eindunkeln, denn zahlreiche Standorte werden wegen mangelnder Eignung herausfallen.
Dass Gorleben als Endlager weiterhin im Rennen bleibt, ist offenbar ausgeschlossen. Die BGE habe den Standort nicht auf die Liste möglicher Standorte gesetzt, hieß es laut übereinstimmenden Medienberichten. Kurz zuvor hatte die BGE in einer Telefonschalte Fraktionen, Landesregierungen und Bundesregierung über ihre Entscheidung informiert.
Lagerdauer: Eine Million Jahre
Gesucht wird ein Lager in einer tiefen geologischen Gebirgsformation, mindestens 300 Meter unter der Erdoberfläche. Voraussetzung sind stabile Gesteinsschichten, entweder aus Kristallingestein (zum Beispiel Granit), Steinsalz oder Tongestein. In diesem Endlager sollen dann rund 1900 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen untergebracht werden - denn so viel Atommüll wird angefallen sein, wenn das letzte Atomkraftwerk im Jahr 2022 vom Netz geht. Sicherheit soll bei der Suche oberste Priorität haben - und zwar für die unvorstellbare Lagerdauer von einer Million Jahren.
Es dürfte eine Zahl im hohen zweistelligen Bereich an Regionen und Standorten sein, die die BGE zur weiteren Prüfung vorschlagen wird. Breite Landstriche, sogar Städte könnten darunter sein, denn im ersten Schritt der Prüfung werden lediglich geologische Faktoren betrachtet. Erst später werden dann andere Kriterien berücksichtigt, wie Besiedelung, Naturschutzgebiete oder Kulturdenkmäler.
Noch keine Festlegung
Es handle sich bei dem Zwischenbericht aber noch nicht um eine verbindliche Festlegung, betont eine Sprecherin des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), der Aufsichtsbehörde für das Suchverfahren. Welche Gebiete konkret untersucht würden, stehe erst mit der späteren Entscheidung des Bundestages fest, nach Abschluss weiterer Untersuchungen und der Beteiligung der Öffentlichkeit.
Die Fehler, die bei Gorleben gemacht wurden, sollen sich diesmal nicht wiederholen. Niedersachsens damaliger CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht hatte 1977 das Dorf im Wendland zum Standort für ein "Nukleares Entsorgungszentrum" ernannt. Es war eine politische Entscheidung, von fachlichen, wissenschaftlichen Kriterien ließ er sich dabei eher nicht leiten. Eine Bürgerbeteiligung gab es auch nicht. Mit den heftigen Protesten hatte er nicht gerechnet. Mittlerweile gilt Gorleben als "politisch verbrannt".
Das Versprechen größtmöglicher Transparenz
Dem soll diesmal vorgebeugt werden mit dem Versprechen größtmöglicher Transparenz, Wissenschaftlichkeit und Bürgerbeteiligung. In einem ersten Schritt hat die BGE mehr als eine Million Datensätze darüber ausgewertet, wie es in den einzelnen Regionen unter der Erde aussieht. Die Daten kamen von den Bundesländern. Gebiete, in denen der Untergrund durch Bergwerke beschädigt wurde, in denen Vulkane aktiv waren oder die Gefahr von Erdbeben besteht, fallen beispielsweise heraus.
Doch dieser Prozess der weißen Landkarte scheint nicht von allen Bundesländern gleichermaßen akzeptiert zu sein. Noch bevor die Zwischenergebnisse verkündet werden, stellte Bayern das Verfahren grundsätzlich infrage. Es gebe mit Gorleben bereits einen gut erkundeten Standort für ein sicheres und fast schlüsselfertiges Lager, sagte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber dem "Spiegel". Und auch im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern heißt es: "Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist."
Gegenüber tagesschau.de begründet Glauber seine Haltung mit dem Schutz der Bevölkerung. "Wir wollen am Ende das Endlager mit der bestmöglichen Sicherheit, bei dem die Geologie entscheidet, nicht die Ideologie. Bei allen Entscheidungen muss die Wissenschaft im Mittelpunkt stehen", sagt er. "Die Suche nach einer absolut sicheren geologischen Barriere hat Vorrang vor einem technisch verbesserten Schutz." Das in Bayern vorhandene Granit erfüllt nach Auffassung der Koalition die Sicherheitsanforderungen nicht optimal. Doch Glauber versichert, dass Bayern sich dennoch der Verantwortung im Verfahren stellen werde.
Politologe: "Bayern politisiert die Endlagersuche"
Der Politikwissenschaftler Achim Brunnengräber, der zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland forscht, sieht Bayerns Haltung kritisch. "Damit tut Bayern genau das, was im jetzigen Findungsprozess eigentlich vermieden werden sollte: Es politisiert die Endlagersuche", sagt er. "Das ist kein gutes Signal. Wenn Bayern jetzt sagt, wir wollen uns rausnehmen, dann werden das andere auch sagen."
Denn von einer Vorstellung müsse man sich verabschieden: "Ein absolut sicheres Endlager wird es nicht geben, ein Risiko wird immer bestehen bleiben", sagt Brunnengräber im Gespräch mit tagesschau.de. Bei allen Standorten werde es Vor- und Nachteile geben. "Am Ende geht es darum, wissenschaftlich zu erkunden, wo die meisten Vorteile und die geringsten Nachteile vorliegen."
Einfach so ausscheren könnte Bayern aber ohnehin nicht. Die Neuauflage des Standortauswahlgesetzes hatten damals CDU, CSU, SPD und Grünen gemeinsam ausgehandelt und beschlossen. Nach der Vorstellung des Zwischenberichts wird es nun Fachkonferenzen und Beratungstermine unter Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Weitere Kriterien und Anforderungen für die infrage kommenden Standorte werden abgewogen und ihre Anzahl so Stück für Stück reduziert. Schließlich werden überirdische und unterirdische Erkundungen stattfinden. Bis 2031 soll die Suche abgeschlossen sein. Am Ende müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen.