Zu wenig Ladestationen Viel Frust beim Stromtanken
Bundesweit fehlt es an Ladesäulen und Standards für Elektroautos. Das spüren diejenigen, die schon auf E-Mobilität umgestellt haben. Ein Spitzentreffen von Politik und Industrie soll Fortschritte bringen.
Eigentlich hat Aaron Woelffer zu viel zu tun, um während der Arbeit ständig aus dem Fenster zu schauen. Aber seitdem er die Dienstwagen seines Berliner IT-Unternehmens Cecon gegen E-Autos ausgetauscht hat, macht er das mehrmals am Tag.
"Wir haben unmittelbar vor der Firma diese eine Ladesäule mit zwei Ladeplätzen, und wir schauen, wann wir da laden können", sagt Woelffer. Für ihn und seine 30 Mitarbeiter gehört es nun zum Alltag, nebenbei zur besetzten Ladesäule hinauszuschauen. Und zwar so lange, bis ein Kollege feststellt: "Mensch der Wagen ist gerade weggefahren, jetzt bin ich dran!" Es ist die einzige Ladesäule in einem Umkreis von 500 Metern. Und sie ist oft besetzt.
Das Problem: Die IT-Experten arbeiten auch viel im Außendienst, sie warten die Computer und Telefonanlagen von Geschäftskunden. Dabei fahren sie mit ihren fünf E-Autos durch ganz Berlin. Teilweise haben die Wagen als Vollstromer aber etwa 100 Kilometer Reichweite - ohne regelmäßiges Aufladen würden sie auf der Strecke bleiben.
Woelffer fährt dieses Mal mit einem Hybrid-Auto, will aber möglichst viele seiner Wege mit Strom fahren. Ihm bleibt deshalb nichts anderes übrig, als auch an anderen, weiter entfernten Säulen zu laden. Er startet seinen Hybrid, schaut auf dem Smartphone nach, wo es die nächste Möglichkeit gibt, Strom zu tanken - und reiht sich lautlos in den Verkehr ein.
Wildwuchs beim Stromtanken
Einige Ladesäulen, die er ansteuert, kann er nur per App freischalten, für andere wiederum braucht er Kundenkarten. Hinzu kommen unterschiedliche Tarifsysteme und Preise. An manchen Ladeplätzen funktioniert auch gar nichts.
Jeder von Wolffers Mitarbeiter hat fünf Apps installiert und drei verschiedene Kundenkarten, damit das Aufladen möglichst überall funktioniert. Der Unternehmer kritisiert diesen Wildwuchs. "Das kann man harmonisieren“, findet er, "so wie ich an die verschiedensten Tankstellen heranfahren kann, und dann gibt es da Diesel oder Benzin, egal von welchem Konzern."
Bundesregierung arbeitet am "Masterplan Ladeinfrastruktur"
Mehr Ladesäulen, einfachere Bedienung, einheitliche Standards - das wollen Bundesregierung und Autoindustrie heute voranbringen. Beim Spitzentreffen am Nachmittag geht es um den "Masterplan Ladeinfrastruktur" von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Mit dabei ist auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der nach seinem Sturz vor knapp einer Woche wieder gesund ist.
Ziel des Masterplans: Zehn Millionen E-Autos auf den Straßen bis zum Jahr 2030. Dafür wären gut eine Million öffentliche Ladepunkte notwendig, heißt es aus der Autobranche. Es geht um Milliardeninvestitionen - und darum, überhaupt erst einmal den Überblick zu bekommen. Denn wie viele Ladesäulen es derzeit genau in Deutschland gibt, ist unklar. Die Bundesnetzagentur verzeichnet in ihrem Online-Atlas "Going Electric" rund 18.000 Standorte. Doch es kann kaum kontrolliert werden, ob jeder Anbieter seinen Ladepunkt bei der Behörde meldet.
Für die Nutzer ist die Situation ohnehin unübersichtlich: Auf dem Markt tummeln sich verschiedenste Konzerne, Start-Ups, private Ladepunkte, Kundenparkplätze mit E-Auto-Anschluss - und verschiedenste Abrechnungsmodelle.
Kunden sind verärgert und verwirrt
Woelffer ist längst nicht der einzige, der da den Durchblick verliert. Viele Kunden bleiben verärgert bis verwirrt zurück und entladen ihren Frust online: "Ich habe mich ordnungsgemäß registriert, zehn Euro überwiesen und dann nie einen Schlüssel erhalten", schreibt ein Nutzer als Google-Bewertung über eine Ladesäule in Berlin-Neukölln, die der Anbieter Plugsurfing betreibt.
"Der Strompreis an den meisten Ladesäulen ist Wucher!!!", ergänzt ein anderer E-Auto-Fahrer. Andere online verzeichnete Säulen stehen auf Privatgelände, hinter verschlossenen Toren: "Vielleicht kann ja der Betreiber noch die Öffnungszeiten hinterlegen?", schreibt ein interessierter Kunde in seiner Google-Bewertung.
Woelffer will auf solche Angebote allein nicht mehr angewiesen sein. In der Tiefgarage unter seiner Firma arbeitet er bereits an einer eigenen Lösung: Er will mehrere Ladesäulen einbauen lassen, seine E-Dienstwagenflotte noch vergrößern und dann alle seine Autos dort laden. Viele verschiedene Unternehmen hat er deshalb schon kontaktiert, seit einem Jahr kümmert er sich um das Vorhaben.
So viel weiß er schon: Der Umbau der Garage wird kompliziert und voraussichtlich nicht ganz billig. Aber Stromtanken wäre für ihn dann kein Problem mehr.