ARD-DeutschlandTrend SPD-Abstand zur Union wächst weiter
Der Abstand zwischen Union und SPD wird immer größer. Im ARD-DeutschlandTrend liegen sie 17 Prozentpunkte auseinander - so weit wie in der Endphase der Ära Schröder. Aber auch Kanzlerin Merkel hat Sorgen: Die FDP schwächelt noch immer.
Viel schlechter könnte die politische Sommerpause für die Sozialdemokraten eigentlich nicht mehr beginnen: Der Abstand zur Union ist so groß wie seit Jahren nicht mehr, und nur eine kleine Minderheit der Wähler kann sich überhaupt noch vorstellen, dass Peer Steinbrück Kanzler wird. Die entscheidende Antwort dieses ARD-DeutschlandTrends lautet wohl: 81 Prozent der Deutschen rechnen damit, dass Angela Merkel auch nach der nächsten Bundestagswahl Kanzlerin bleibt, ganze 13 Prozent erwarten, dass Peer Steinbrück ins Kanzleramt einzieht. Und selbst unter sozialdemokratischen Anhängern ist der Optimismus kaum größer: Hier setzen 27 Prozent auf Steinbrück, aber 66 Prozent rechnen mit einer weiteren Kanzlerschaft Merkels.
17 Punkte zwischen Union und SPD
Für die Mobilisierung ist diese Stimmung eine Katastrophe und so fällt die SPD auch in der Sonntagsfrage wieder zurück auf den schlechtesten Wert der letzten dreieinhalb Jahre, auf 25 Prozent (- 1 im Vergleich zur Vorwoche). Die Union legt einen Punkt zu und hat nun 42 Prozent. Damit beträgt der Abstand zwischen den beiden Volksparteien 17 Punkte und ist so groß wie zuletzt in jenem Sommer 2005 als Gerhard Schröder mangels Unterstützung in den eigenen Reihen den Bundestag auflösen ließ.
Die Grünen stehen bei 14 Prozent (+ 1), die Partei Die Linke kommt auf 7 und die FDP auf 4 Prozent. Die Piraten verharren bei 3 Prozent und die Alternative für Deutschland wird von Infratest dimap nur noch unter Sonstige geführt. Das Institut hatte von Montag bis Mittwoch dieser Woche 1505 Wahlberechtigte telefonisch befragt.
Merkel beliebt - Schwarz-Gelb nicht
Zur politischen Stimmungslage gehört allerdings auch ein kleines Paradoxon: Angela Merkel ist für die meisten Deutschen als nächste Kanzlerin gesetzt, sie ist und bleibt die populärste Politikerin, selbst viele SPD-Wähler sähen sie am liebsten als Kanzlerin - das ist die eine Seite. Trotzdem ist das amtierende Regierungsbündnis wegen der weiterhin schwindsüchtigen FDP im Moment ohne Mehrheit. Die ist allerdings zumindest mittlerweile in greifbarer Nähe: Würde die FDP die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, ist Schwarz-Gelb wie jetzt durchaus wieder denkbar.
Die Wunschoption der Deutschen sieht allerdings anders aus: 42 Prozent erklären die Große Koalition als ihre Lieblingsperspektive. Und selbst bei den SPD-Anhängern gibt es genauso viele Fans für dieses Bündnis. 42 Prozent der möglichen SPD-Wähler wollen damit eine Regierung, an der ihre Partei zwar beteiligt ist, die sie aber nach menschlichem Ermessen nicht führen wird.
Vermutlich liegt das daran, dass die Bundeskanzlerin selbst bei SPD-Wählern hoch respektable Zustimmungswerte erzielt. Insgesamt führt sie mit 67 Prozent (- 3) die Tabelle der Spitzenpolitiker in diesem Monat an, bei den SPD-Wählern kommt sie immerhin auf 58 Prozent. Auf Rang zwei steht Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 59 Prozent (- 8) vor der populärsten Sozialdemokratin Hannelore Kraft mit 49 Prozent (- 6).
Westerwelle auf Rang Drei
Beachtlich ist, dass Außenminister Guido Westerwelle sich mit ebenfalls 49 Prozent (+ 1) nun auch auf den dritten Rang vorgearbeitet hat. Seit er sich aus den alltäglichen parteipolitischen Auseinandersetzungen heraushält und sich im Wesentlichen zu außenpolitischen Fragen äußert, ist seine Popularität Schritt für Schritt gewachsen. Das Mittelfeld bilden SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (45 Prozent, - 8), Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (43 Prozent, - 10), Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin (42 Prozent, - 4), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (39 Prozent, + 1) und SPD-Chef Sigmar Gabriel (38 Prozent, - 4).
Weiter unten folgen dann gleich auf mit 37 Prozent Innenminister Hans-Peter Friedrich und Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Den vorletzten Rang teilen sich Linksfraktionschef Gregor Gysi und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit je 32 Prozent. Und Schlusslicht ist FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle mit 28 Prozent. SPD und FDP teilen also das Schicksal, einen Frontmann bestimmt zu haben, der bei den Wählern nicht ankommt.
US-Spionage belastet das transatlantische Verhältnis
Die immer neuen Enthüllungen zu den Spionageaktivitäten der US-Dienste in Deutschland hinterlassen vor allem Spuren im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Seit Jahren fragen wir im ARD-DeutschlandTrend immer wieder danach, welche Länder die Befragten als "vertrauenswürdige Partner" sehen. Nannten zu Beginn der Amtszeit von Präsident Barack Obama bis zu 78 Prozent die "USA als Land, dem man vertrauen könne", so fällt der Wert diese Woche auf ganze 49 Prozent. 47 Prozent beantworten die Frage negativ.
Zum Vergleich: Frankreich als beliebtester Partner kommt auf 77 Prozent. Fast 80 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Angela Merkel gegenüber den USA und Großbritannien deutlicher protestiert. Allerdings fürchten auch zwei Drittel der Befragten, dass die Bundesrepublik gar nicht die Macht habe, "uns vor dem Ausspähen durch amerikanische Geheimdienste angemessen zu schützen". Die Entscheidung der Bundesregierung, dem Ex-Spion Edward Snowden, der gegenwärtig in Moskau festhängt, keinen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen, trifft mehrheitlich auf Zustimmung. 58 Prozent lehnen die Überlegungen eines politischen Asyls ab. Nur 35 Prozent befürworten das.
Politisch heißer August steht bevor
Mit der parlamentarischen Sommerpause beginnt nun auch im Wahlkampf eine etwas ruhigere Zeit, bevor dann im August Parteien und Kandidaten zum Endspurt antreten. Die Wahlprogramme und ihre politischen Schwerpunkte sind verkündet, Kandidatenteams oder Schattenkabinette benannt.
Angesichts der eingangs beschriebenen Lage wird vor allem die SPD die ruhigeren Tage nutzen müssen, um über eine Wiederbelebung ihres Wahlkampfs nachzudenken. Ihr größtes Problem ist vermutlich nicht einmal der eigenen Kandidat, sondern die Stärke der Gegenkandidatin. Aber jenseits dessen erwarten Wählerinnen und Wähler von der SPD viel stärker als von der Union inhaltliche Akzente. Die Ankündigung höherer Steuern oder beitragsfreier Kita-Plätze hat bisher keine Zugkraft entwickelt. Im Willy-Brandt-Haus ist ganz offensichtlich Fantasie gefragt.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 70:30)
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1005 Befragte
Sonntagsfrage: 1503 Befragte
Zusatzfragen zu Datenspionage: 1505 Befragte
"Wechselstimmung" und "Regierungswechsel": jeweils rund 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 03. Juli 2013
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Fehlertoleranz bei 500 Befragten: 1,9* bis 4,4** Prozentpunkte
*bei einem Anteilswert von 5 Prozent **bei einem Anteilswert von 50 Prozent