Trump-Wahl und Ampel-Bruch Warum Wähler extreme Angebote suchen
Es war der Zufall des Kalenders, dass die erneute Wahl von Trump und das Auseinanderbrechen der Ampel auf denselben Tag fielen. Bei genauer Betrachtung werden dennoch Parallelen zwischen Deutschland und den USA deutlich.
Joe Biden und Olaf Scholz haben beide die Amtsgeschäfte 2021 aufgenommen, im zweiten Jahr der Pandemie. Und ihre Regierungen werden Anfang 2025 abtreten. Die Arbeit beider Regierungen hatte damals damit begonnen, sehr viel Geld auszugeben, um die Folgen der Pandemie zu mildern, um die Ukraine im russischen Angriffskrieg zu unterstützen und in Deutschland auch, um die Energieversorgung sicherzustellen. Das hat die Inflation angeheizt.
2022 waren es mit 8,0 Prozent in den USA und mit 6,9 Prozent in der Bundesrepublik langjährige Höchstwerte. Die Preissteigerungen sind in beiden Ländern im Alltag spürbar und bestimmen das politische Denken der Wählerschaft.
In einer Ipsos-Befragung kurz vor der Wahl nahmen in den USA 57 Prozent der Befragten das Thema Inflation als sehr wichtig wahr, das Thema Einwanderung lag mit 36 Prozent deutlich dahinter.
Sorge um Lebensstandard
Auch in Deutschland ist ein Stimmungswandel spürbar. Im Frühjahr anlässlich der Europawahl erklärten in der regelmäßigen Befragung von Infratest dimap 50 Prozent, ihnen mache es große Sorgen, dass sie ihren "Lebensstandard künftig nicht mehr halten" können. 50 Prozent, das ist die breite Mitte. Das sind Menschen mit durchschnittlichem Einkommen, von dem man gut leben und sich auch den einen oder anderen kleinen Luxus leisten konnte.
Diese Gruppe spürt nun, wie die Inflation von diesem Luxus mehr und mehr weggefressen hat und lebt in der Sorge, dass das Geld irgendwann auch für das Nötigste nicht mehr reichen könne. Am stärksten treibt diese Sorge übrigens die Wählerschaft der AfD um. Hier stimmen sogar 78 Prozent diesem Statement zu, unter der Wählerschaft des Bündnis Sahra Wagenknecht waren es 63 Prozent.
Aber die Pandemie hat nicht nur wirtschaftliche Spätfolgen. Die Regierungen haben mit drastischen Entscheidungen Druck und Zwang im Alltag der Menschen ausgeübt und sind damit nicht immer auf Verständnis gestoßen. Das Vertrauen in staatliche Akteure ist gesunken, auch in seriöse Medien, egal ob gedruckt oder gesendet. Die Bereitschaft, Verschwörungen und alternativen Wahrheiten zu glauben und sich extremen Positionen zuzuwenden, ist im Gegenzug gewachsen.
Auch hier gibt es eine verblüffende Vergleichbarkeit zwischen den USA und Deutschland. Pew Research fragt in wichtigen Ländern jährlich nach der Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie. Innerhalb von drei Jahren sinkt von 2021 auf 2024 der Wert in den USA um zehn Punkte auf 31 Prozent, in Deutschland auf höherem Niveau um elf Punkte auf 55 Prozent. Die Kurven verlaufen parallel.
Sind Parteien noch Vertrauensanker?
In Deutschland sind traditionell Parteien die Vertrauensanker des politischen Betriebs. Die breite Mitte im Parteiensystem der Bundesrepublik bestand aus zwei großen Parteien: der SPD und der Union. Nicht nur deren Wähleranteile haben sich dramatisch verändert, auch das Zutrauen in deren Kompetenzen. Zum Zeitpunkt der Europawahl antworteten auf die Frage, welche Partei die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft habe, 38 Prozent "keine Partei".
SPD und Union leiden unter Kompetenzverlusten auf ihren Kernfeldern. Die SPD stand jahrzehntelang für soziale Gerechtigkeit. Zur Jahrtausendwende trauten 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihnen hier am meisten zu, dieser Wert ist auf 27 Prozent abgesunken.
Die Union stand für eine große Mehrheit für die Fähigkeit, am besten die Wirtschaft voranzubringen. Noch bis 2017 gab es hier regelmäßig Werte von weit mehr als 50 Prozent. Zuletzt waren es lediglich 36 Prozent.
Trumps Wählergruppen ähneln der der AfD
Und so suchen die Wählerinnen und Wähler, die sich unter Druck fühlen, auch extreme Angebote im populistischen und autoritären Bereich. Die Gruppen, die Donald Trump erneut ins Amt verholfen haben, und diejenigen, die bei den vergangenen Landtagswahlen und der Europawahl in Deutschland die AfD stark gemacht haben, sind sich sehr ähnlich.
Die Wählerschaften sind überwiegend männlich und im mittleren Alter. Menschen mit einfacher Bildung wählen überdurchschnittlich oft Trump in Amerika und die AfD bei uns. Es gilt für die Menschen, die in kleinen Städten oder auf dem Land leben und besonders für diejenigen, die sich von der wirtschaftlichen Lage besonders betroffen fühlen.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner haben ihre Entscheidung getroffen, in Deutschland fällt sie am 23. Februar nächsten Jahres. Die größten Chancen, Vertrauen wieder aufzubauen, haben die Parteien mit überzeugenden Persönlichkeiten. Da ist allerdings Aufbauarbeit nötig.
Olaf Scholz wird mit 21 Prozent Zustimmung, genauso wie Joe Biden mit 39 Prozent Zustimmung, gemessen an den jeweils im Land üblichen Werten historisch niedrig eingestuft. Friedrich Merz kam zuletzt im DeutschlandTrend extra auf 40 Prozent Zustimmung, auch das ist für einen Oppositionsführer angesichts der Performance der Regierung ein bescheidener Wert.
Die kommenden Wochen werden angesichts der Kürze des Wahlkampfs weniger dadurch geprägt sein, neue Themen und Inhalte zu setzen. Sondern die Spitzen der Parteien werden alles dafür tun müssen, um Vertrauen zurückzugewinnen.