ARD-DeutschlandTrend Zuspruch für Ampel auf neuem Tiefstand
Die wichtigsten Probleme sind aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger Wirtschaft und Migration. Der Zuspruch für die Ampelkoalition erreicht im ARD-DeutschlandTrend einen Tiefstand - die AfD ist weiter auf Höhenflug.
Die Hälfte der Legislaturperiode ist fast erreicht. Wie blicken die Bürgerinnen und Bürger im Moment auf den Zustand des Landes? Laut dem ARD-DeutschlandTrend: eher verhalten. Zum Beispiel in puncto Einschätzung der wirtschaftlichen Lage: Drei Viertel der Deutschen (73 Prozent) halten sie aktuell für weniger gut beziehungsweise schlecht. Das sind vier Punkte mehr im Vergleich zu Juni. Nur jeder Vierte (25 Prozent) hält sie für sehr gut beziehungsweise gut (-4).
Auch beim Blick in die Zukunft überwiegt der Pessimismus: Fast die Hälfte der Deutschen (46 Prozent) rechnet damit, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr schlechter sein wird als heute. Vier von zehn Deutschen (38 Prozent) gehen davon aus, dass sie dann etwa gleich sein wird. Nur 13 Prozent rechnen damit, dass die wirtschaftliche Lage in einem Jahr besser sein wird als heute. Diese nüchterne Sicht spiegelt sich auch in der Problemagenda der Bundesbürger.
Wirtschaft und Migration als wichtigste Probleme
Mehr als jeder vierte Deutsche ist der Meinung, die Politik müsse sich vordringlich um die Wirtschaft kümmern. 28 Prozent halten sie aktuell für eines der beiden wichtigsten politischen Probleme. An zweiter Stelle folgen die Themen Zuwanderung und Flucht, die von 26 Prozent genannt werden. Beide Themen haben nach Meinung der Deutschen in den vergangenen Monaten an Bedeutung zugelegt. Die Wirtschaft wurde noch Anfang April lediglich von sieben Prozent genannt - ein Plus von 21 Prozentpunkten. Zuwanderung und Flucht legten im selben Zeitraum um sieben Punkte zu.
Der Komplex Umweltschutz und Klimawandel, im April noch das wichtigste politische Problem nach Meinung der Deutschen, wird aktuell von 18 Prozent genannt (-8). Jeder Sechste (16 Prozent) nennt soziale Ungerechtigkeit als eines der beiden wichtigsten politischen Probleme (+3). Es folgen mit je neun Prozent die Themen Energiepolitik (-8), Bildung (+1), Politikverdrossenheit (+3) sowie der Ukraine-Krieg, der mit einem Minus von 16 Prozentpunkten in der Problemwahrnehmung der Deutschen deutlich zurückgefallen ist.
Ampelparteien verlieren Vertrauen
Bei den beiden aus Bürgersicht derzeit wichtigsten Problemen tun sich die Ampelparteien aus Sicht der Wahlberechtigten deutlich schwerer als die Opposition. Die Wirtschaft in Deutschland voranzubringen trauen 35 Prozent am ehesten der CDU/CSU zu (+3 zu September 2021). Das Zutrauen in die SPD hat sich auf diesem Feld seit der Bundestagswahl halbiert: Nur noch 13 Prozent (-12) sehen die Wirtschaftskompetenz am ehesten bei den Sozialdemokraten und lediglich vier Prozent (-2) setzen auf die im Kabinett für Wirtschaftsfragen zuständigen Grünen.
In der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik weckt wie schon zur Bundestagswahl die Union (24 Prozent; +1) die größten Erwartungen, allerdings mittlerweile gefolgt von der AfD, der jeder fünfte Wahlberechtigte (20 Prozent) hier die größte Kompetenz zuschreibt (+6) und nicht mehr von den Sozialdemokraten (12 Prozent; -10).
Beim Klima- und Umweltschutz, in der Problemagenda der Bürger aktuell auf Platz drei, punkten zwar erwartungsgemäß am ehesten die Grünen mit 33 Prozent (-15), während wiederum bei der sozialen Gerechtigkeit die SPD mit 28 Prozent (-12) klar vorne liegt. Allerdings überzeugen beide Koalitionsparteien auch auf ihrem jeweiligen Kernthemenfeld sichtbar weniger Wahlberechtigte als noch zur letzten Bundestagswahl.
Anders die FDP: Sie muss zwar in der Wirtschaftspolitik Federn lassen (12 Prozent; -4). In der Steuerpolitik aber legen die Liberalen im Vergleich zum Herbst 2021 (17 Prozent; +3) leicht zu. In der Familienpolitik, die die koalitionsinternen Debatten mit der Kindergrundsicherung zuletzt bestimmte, verteidigt die SPD ihren Vorsprung (25 Prozent; -7), allerdings nur noch knapp vor der Union (22 Prozent; +4). Die Grünen sind trotz ihres Einsatzes um die Kindergrundsicherung auch familienpolitisch weniger profiliert als vor zwei Jahren (12 Prozent; -7).
Zugleich wächst der Anteil derer, die keiner Partei zutrauen, diese Themen zu bearbeiten: Beim Thema Wirtschaft sagten das vor der Wahl zehn Prozent, jetzt sind es 20 Prozent. Bei der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik waren es vor der Wahl 14 Prozent, jetzt sind es 25 Prozent - also jeder Vierte.
Mehrheit begrüßt Kindergrundsicherung
Die Ampelkoalition hat sich in dieser Woche vor allem mit der Einigung auf die sogenannte Kindergrundsicherung hervorgetan. Damit will sie verschiedene Finanzhilfen für Familien mit Kindern vereinfachen und erweitern. Geplant ist ein Grundbetrag, der zunächst dem aktuellen Kindergeld entspricht. Für Kinder aus ärmeren Familien soll es einen Zusatzbetrag geben, dessen Höhe vom Einkommen der Eltern abhängt. Insgesamt will der Staat für dieses Vorhaben ab 2025 jährlich 2,4 Milliarden Euro mehr ausgeben.
Für eine Mehrheit der Deutschen (60 Prozent) geht die Einigung der Bundesregierung auf die Einführung der sogenannten Kindergrundsicherung in die richtige Richtung. Für jeden Dritten (33 Prozent) geht diese Maßnahme in die falsche Richtung. Anhänger der Grünen (84 Prozent) sowie der SPD (78 Prozent) befürworten diesen Schritt mit jeweils deutlicher Mehrheit. Auch bei Unions-Anhängern überwiegt die Zustimmung (57 Prozent) gegenüber der Ablehnung (38 Prozent). FDP-Anhänger (48:49 Prozent) und AfD-Anhänger (45:49 Prozent) sind in dieser Frage gespalten.
Zufriedenheit mit Ampel auf dem niedrigsten Punkt
Die Befragung für den ARD-DeutschlandTrend fand von Montag bis Mittwoch dieser Woche, also teils parallel zu der Kabinettsklausur in Meseberg, statt. Seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 hat die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung dabei einen neuen Tiefpunkt erreicht. Aktuell sind nur noch 19 Prozent mit der Arbeit der Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden (-2 im Vergleich zu Anfang August). Vier von fünf Deutschen (79 Prozent) sind damit weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden (+1).
Wenn schon am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf 16 Prozent (-1). Die Union würde gegenüber Anfang August um zwei Prozentpunkte zulegen und wäre mit 29 Prozent stärkste Kraft. Die Grünen kämen derzeit auf 14 Prozent (-1). Auch die FDP würde mit aktuell sechs Prozent leicht verlieren (-1). Die AfD verbessert sich noch einmal um einen Punkt auf 22 Prozent - ein neuer Höchstwert für die Partei im ARD-DeutschlandTrend. Die Linke läge mit unverändert vier Prozent weiter unterhalb der Mandatsschwelle. Auf alle anderen Parteien entfallen momentan neun Prozent (+/-0).
Vor allem die Grünen büßen an Wählerpotenzial ein
Das Wählerpotenzial einer Partei wird mit der Frage gemessen: "Unabhängig von Ihrer aktuellen Wahlentscheidung - würde für Sie die Wahl dieser Partei grundsätzlich in Frage kommen oder nicht?" Bei dieser Fragen haben zwei Jahre nach der Bundestagswahl insbesondere die Grünen an Wählerpotenzial verloren. Kam die Wahl der Grünen im Mai 2021 noch für jeden zweiten Wahlberechtigten grundsätzlich in Frage, so gilt das aktuell nur noch für 32 Prozent (-18). Die Union (52 Prozent, +3) sowie die SPD (50 Prozent, +1) haben ihr Wählerpotenzial stabil gehalten. Auch die FDP kommt mit 36 Prozent (-2) aktuell auf ein etwas größeres Wählerpotenzial als die Grünen. Die AfD hat ihr Wählerpotenzial mit nun 24 Prozent in den vergangenen Jahren ausgebaut (+8). Die Wahl der Linken kommt derzeit für jeden Fünften (21 Prozent) grundsätzlich in Frage (-1).
Und für welche Parteien zeigen sich diejenigen offen, die aktuell unentschlossen sind oder nicht zur Wahl gehen würden? Diese Wahlberechtigten ohne aktuelle Parteipräferenz stehen Union und SPD näher als anderen Parteien. Die Wahl der Union kommt für fast jeden Zweiten von ihnen (47 Prozent), die der SPD für 45 Prozent grundsätzlich in Frage. In dieser Gruppe wäre jeder Dritte (32 Prozent) grundsätzlich offen für eine Wahl der FDP und jeder Vierte (24 Prozent) für eine Wahl der Grünen, während die Linke nur für 17 Prozent und die AfD in dieser Gruppe nur für 14 Prozent eine entsprechende Option darstellt.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 28. bis 30. August 2023
Fallzahl: 1.310 Befragte (781 Telefoninterviews und 529 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.