Klage vor Verwaltungsgericht Ist ein Streckenradar zulässig?
In anderen Ländern der EU gibt es das schon längst: Ein Streckenradar an den Straßen. In Deutschland wird die Form der Kontrolle ein Fall für die Justiz. Die Kernfragen des Rechtsstreits im Überblick.
Worüber soll das Verwaltungsgericht in Hannover entscheiden?
Seit zwei Monaten erfasst das bundesweit erste Streckenradar auf einem Abschnitt der Bundesstraße 6 nahe Hannover die Kennzeichen aller vorbeifahrender Autos. Ziel ist es, Verstöße gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung zu ermitteln.
Mitte Februar reichte ein Anwalt Klage und einen Eilantrag gegen den Betrieb des Radars ein. Aus seiner Sicht stellt es einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, alle Kennzeichen zu erfassen.
Wie funktioniert der Streckenradar?
Die Radaranlage erfasst alle Autos die einen 2,2 Kilometer langen Abschnitt der B6 passieren. Am Anfang und am Ende dieses Abschnitts werden die Autos automatisch digital fotografiert. Dabei wird auch das Kennzeichen erfasst. Zunächst werden aber beide Fotos verschlüsselt - beim Einfahren und Verlassen des kontrollierten Abschnitts. Nur, wenn der Fahrer gegen das bestehende Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde verstoßen hat, wird die Verschlüsselung aufgehoben und ein klassisches Blitzer-Foto erstellt.
Um die Geschwindigkeit eines Autos zu ermitteln, wird die Zeit gemessen, die der Fahrer braucht, um den Streckenabschnitt zurückzulegen. Daraus wird dann das Durchschnittstempo des Fahrzeugs berechnet. Die Kennzeichen, von den Fahrzeugen, die sich an das Limit gehalten haben, werden sofort gelöscht.
Wie fällt die bisherige Bilanz des Probebetriebs aus?
Auf dem Streckenabschnitt, der für den Probebetrieb des Radars gewählt wurde, sind täglich mehr als 15.000 Autos unterwegs. In der Vergangenheit kam es auf diesem Teil der B6 zu schweren Unfällen. Bislang wurden mithilfe des Radars rund 140 Autos erfasst, die die Geschwindigkeitsbeschränkung überschritten haben.
Wird das Streckenradar in anderen Ländern bereits genutzt?
Ja - diese Form der Kontrolle wird seit Jahren in Belgien, den Niederlanden und Österreich angewandt. Belgien will die Zahl der Streckenradare künftig noch erhöhen. Untersuchungen der Landesbehörden haben ergeben, dass durch den Einsatz des Radars die Zahl der Temposünder auf den kontrollierten Abschnitten sinkt, ebenso wie die Zahl der Unfälle.
Was ist dann das Problem in Deutschland?
Im Zentrum des Streits steht der Datenschutz. Ist es legitim, zu Kontrollzwecken alle Kennzeichen zu erfassen? Anfang Februar hatte sich bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe mit dieser Frage befasst. Auf dieses Urteil stützt sich die Klage vor dem Gericht in Hannover.
Beim BVerfG ging es allerdings um die Kennzeichenerfassung zu Fahndungszwecken. Bereits vor zehn Jahren hatte die Instanz vorgegeben, dass dies nur in begrenztem Rahmen zulässig ist. Anfang des Jahres verschärfte es die Regeln nochmals. Die Richter entschieden, dass Kontrollen nicht ins Blaue hinein erfolgen dürfen. Der Polizei müssen genaue und vor allem gewichtige Gründe vorliegen, um auf dieses Mittel zuzugreifen, etwa um grenzüberschreitende Kriminalität zu verhindern. Ansonsten gilt: Jeder hat das recht, sich fortzubewegen, ohne dabei beliebig von der Polizei kontrolliert oder registriert zu werden.
Ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Hannover endgültig?
Nein. Sowohl gegen die Klage als auch gegen die Entscheidung über den Eilantrag sind Rechtsmittel in Form einer Berufung oder Beschwerde möglich. Damit würde der Rechtsstreit die nächsthöhere Gerichtsinstanz erreichen: in diesem Fall das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg.